Getaway Car

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POV Vincent:
Dag und ich saßen gerade in meinem Auto auf den Weg zum Studio. Der Weg dauerte gefühlt eine halbe Ewigkeit. Wir fuhren von einem Stau in den nächsten, typisch Berliner- Berufsverkehr. Wären wir doch nur mal mit der U- Bahn gefahren.

Nicht nur das der Weg kein Ende nahm, erinnerte mich das Auto auch noch an meine letzte toxische Beziehung. Dank Dag hatte ich es nach fast vier Jahren eingesehen, dass sie mir nicht mehr guttat und mich getrennt. Ich hatte unendlich doll gelitten und kam aus dem Loch aus nur schwer raus. Eigentlich leide ich immer noch unter der Trennung. Vielleicht sollte ich mir ein neues Auto kaufen. Das würde sicherlich beim Verdrängen helfen. Die Gedanken an meine gescheiterte Beziehung schmerzten noch mehr, als es mir lieb war. Ich wollte doch wirklich nur geliebt werden und endlich mein Glück finden. Als ich mir das bewusst war das ich nur ihr getaway car war, ihr Ausweg, ihre Ablenkung, viel es mir auch einfacher mich von ihr zu trennen. Eigentlich hatte sie mich nie geliebt, sondern nur die Idee, dass ich sie geliebt habe. Ich liebte sie wirklich enorm, mit allen guten und schlechten Eigenschaften. Sie liebte nur meine Aufmerksamkeit und mein Geld.

Es schmerzte an sie zu denken, aber Dag hatte mir die Augen geöffnet. Dadurch kam ich in ein noch größeres Problem. In den ganzen Jahren suchte ich nur nach Aufmerksamkeit bei den Frauen, weil ich mir nicht eingestehen wollte das ich meinen besten Freund liebte. Wahrscheinlich war ich für viele selbst auch nur einfach das getaway car. Sie waren alle nur meine Ablenkung und jetzt schmerzte es umso mehr mir einzugestehen, dass ich kein bisschen besser war.

Allerdings konnte ich mich Dag gegenüber nicht öffnen. Jedes Mal, wenn ich es probierte, blockierte irgendwas in mir und ich konnte schnell das Thema wechseln. Er hatte sich schon vor längerer Zeit als schwul geoutet, aber mir indirekt zu verstehen gegeben das zwischen uns nie was laufen würde. Vielleicht hatte er das auch nur so gesagt, um unsere Freundschaft zu schützen.

Total in Gedanken versunken merkte ich gar nicht wie Dag seine Hand auf meinen Oberschenkel legte. „Alles gut Vincent? Du wirkst auf einmal so komisch.", fragte er mich. „Alles gut?", antwortete ich ihm seufzend und ließ mich tiefer in den Sitz sinken. Ich merkte, wie er mich von der Seite beobachtete. „Meinst du nicht du solltest sie langsam mal loslassen und einen Schlussstrich ziehen? Offensichtlich geistert sie ja immer noch in deinen Kopf rum. Ich weiß, du willst dir immer noch nicht richtig eingestehen, dass sie dir das Herz gebrochen hat, aber sie liebte dich nie. Und ich bin mir sicher, dass du die Liebe deines Lebens noch finden wirst.", sagte er sanft. Er konnte wirklich einfühlsam sein. „Danke das du immer für mich da bist, das ist nicht selbst verständlich.", sagte ich zu ihm und hoffte das Gespräch damit beenden zu können. Das Studio näherte sich auch schon.

Der Tag im Studio verlief richtig gut. Ich konnte meine Gedanken gut zur Seite schieben. Die Arbeit schaffte es mich immer abzulenken, egal wie schlecht ich drauf war. Vielleicht war ich auch einfach mit der Arbeit verheiratet. Dag und ich hörten uns gerade den neuen Song an und feierten ihn ab. „Was hältst du davon, wenn wir es zur Feier des Tages richtig krachen lassen?", fragte er mich und kam mit zwei Bier in der Hand an. Ich nahm ihn eins aus der Hand und musterte ihn kurz. Er sah so gut aus. Er machte auch wieder mehr Sport, was man ihm deutlich ansah. „Ich bin doch mit dem Auto da.", antwortete ich ihm und kaute auf meiner Lippe rum. „Ach, wir können mit der Bahn fahren und du holst dein Auto morgen oder so. Ein Wegbier haben wir ja jetzt schon.", sagte er und zog sich seine Jacke an, ehe er nach draußen verschwand. Schnell machte ich alles aus und ging ihm hinterher.

Wir entschieden uns in einen Club zu gehen und zeigten uns dort natürlich wieder von der besten Seite. Der Alkohol floss auch in Massen. Geradestehen fiel mir mittlerweile schwer. Ich merkte, wie Dag mich an der Seite hielt und wir den Club verließen. „Ich bringe dich jetzt nach Hause Vinni.", sagte er zu mir und ich torkelte ihm hinterher. Dabei konnte ich am nächsten Tag bestimmt sagen, wie breit die Straße war, so wie ich ständig von links nach rechts lief. „Dag, kannst du mir mal kurz zuhören? Ich muss dir etwas sagen", fragte ich ihn und blieb stehen, wobei ich fast hinfiel. Ich konnte mich noch gut halten und fand die Balance wieder. „Was ist denn?", fragte er mich und zog mich mit hochgezogener Augenbraue an.

„Ich weiß nicht ob es richtig ist dir das jetzt zu sagen, aber ich denke schon viel zu lange darüber nach und traue mich es nie. Du weißt das es mir nicht leicht fällt von Liebe zu sprechen, obwohl es ja eigentlich so leicht ist. Du sagst das du mir, zusammen nichts vermisst und dass es immer anders ist. Und ich frage mich, ob es richtig ist, dass du jetzt gerade bei mir bist. In mir finde ich immer Gründe, um mich zu drücken, dir die Wahrheit zu sagen.", sprach ich schnell. Der Alkohol sprach eindeutig aus mir, sonst hätte ich mich das nie getraut. „Was wird das?", versuchte er mich zu unterbrechen. Ich ignorierte dies und sprach weiter: „Ich finde immer Gründe mich davor zu rücken. Mit dir fällt es mir so leicht über alle Dinge zu reden und du bist so ein guter Zuhörer. Wir verbringen so viel Zeit miteinander. ich weiß wir sin nur beste Freunde, aber eigentlich sind wir das doch schon lange nicht mehr oder? Eigentlich ist das ja alles nicht gespielt und wir reden uns nur ein, das wir einen anderen Partner brauchen, um glücklich zu sein. Ich liebe deine nächtlichen Anrufe, ich liebe deine schlechten Witze, ich liebe alles an dir.".

Ich hatte es wirklich getan und ihm meine Liebe gestanden. Irgendwie schmerzte mein Herz. Er antwortete mir nicht sofort, also hatte ich es wohl verkackt und falsch interpretiert. Ich konnte nicht anders als in Löcher in den Boden zu starren. „Ich frage mich, ob du mich wirklich liebst oder gerade nur der Alkohol aus dir spricht.", flüsterte er und hob sanft mein Kinn an, so das ich gezwungen war ihm in die Augen zu sehen. Ich fühlte mich gerade wie ein kleines Kind, was Mist gebaut hatte und sich nun vor seinen Eltern erklären musste. Dag hatte seine Augen hatten sich mit Tränen gefüllt.

„Ich liebe dich schon so lange, konnte es mir nur nicht eingestehen. In meinem Kopf klang es immer so falsch, aber das ist es nicht. Zumindest nicht für mich.", flüsterte ich schüchtern. Ich musste kurz tief durchatmen. Der Alkohol machte es mir leicht ihm meine Liebe zu gestehen, aber körperlich setzte er mir ganz schön zu. „Ich kann nicht anders, als dich jetzt zu küssen.", murmelte Dag. Schon lagen seine Lippen auf meinen. Es fühlte sich so richtig und schön an. 

SDP-One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt