Die Abfuhr (2)

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POV Vincent:

Es tat mir immer noch mehr als weh das Dag mir nicht verzeihen konnte. Noch viel schlimmer war es das ich mir selbst nicht verzeihen konnte. Ich hasste mich selbst dafür. Wieso hatte ich das ihm nur angetan? Er war und ist immer das Wichtigste in meinem Leben gewesen und ich konnte ihn nie richtig wertschätzen. Natürlich hielt ich mich für etwas viel Besseres, vielleicht hatte ich ihn deswegen betrogen. Ich wusste es nicht. Doch es war ein riesiger Fehler. Ich hatte nicht mal eine sinnvolle Erklärung dafür, wie ich so ein Arschloch sein konnte.

Vielleicht hätte er mir verziehen, wenn ich ehrlich gewesen wäre oder endlich mal über meine Probleme geredet hätte oder über Dinge, die mich in unserer Beziehung störten. Wir hatten zusammen so viel erlebt und ich hatte es einfach so weggeschmissen. Er hatte mir schon so dumme Fehler verziehen und jetzt machte ich den schlimmsten.

Damals hatten wir beide viel zu tun und immer wenig Zeit füreinander, aber wir nahmen sie uns. Wir gaben uns damit zufrieden und machte das Beste daraus. Wir waren noch nicht zusammen, aber jeder dachte es. Wir waren blind vor Liebe, aber konnten es nicht aussprechen. Ich weiß noch, wie ich Dag gesagt hatte, er brauchte nicht eifersüchtig sein, weil ich nur Augen für ihn habe. Wann ist das bitte verloren gegangen? Wir wollten uns nie verlassen. Ich gaukelte sogar meiner Mutter Lügen vor, weil ich mir nicht traute ihr zu sagen das ich bei Dag schlief. Es musste niemand von uns wissen. Uns reichte die Gegenwart des anderen, um glücklich zu sein. Wenn uns einer fragte, was wir sind, hatten wir keine Antwort darauf. Wir waren ganz lange irgendwas dazwischen. Und uns beiden ging es gut damit.

Wir konnten uns einfach nur anstarren oder Mist miteinander bauen und wir waren glücklich. Es war nicht geplant das unsere Freundschaft in Liebe umschlägt, aber wer plant denn bitte sowas? Mittlerweile war ich mir sicher alles für ihn zu tun.

Seitdem wir uns getrennt hatten, hatte ich nichts mehr zu tun. Die Antriebslosigkeit fraß mich auf. Ich vermisste ihn rund um die Uhr. Zuerst ging es mir damit gut, doch ganz schnell merkte ich wie einsam ich ohne ihn bin. Dadurch bereute ich meine Taten noch mehr. Ich war mir unschlüssig, ob ich noch einen Versuch wagen sollte. Ich wusste nicht, ob die drei Worte reichen, um ihn zu überzeugen.

Seufzend sah ich auf mein Handy. Es war mitten in der Nacht. Er würde jetzt bestimmt schlafen. Ich hoffte das es ihm mit der Situation besser ging als mir. Ich wollte eigentlich einfach nur eine Nachricht von ihm auf meinem Display sehen, aber da war keine. Vielleicht war es ja noch nicht zu spät. Ich musste jetzt Handeln, sonst wäre es definitiv zu spät. Meine Gedanken machten mich fertig. Einen Versuch musste ich noch wagen. Ich könnte es nicht ungeschehen machen, aber vielleicht kann er mir trotzdem vergeben. Im Leben geht es ja immer auf und ab.

Hurtig sprang ich auf und kramte in meiner Kommode nachdem Ersatzschlüssel für dag seine Wohnung. Eigentlich hätte ich ihm den zurückgeben sollen, aber aus Egoismus war ich nicht bereit dazu. Wahrscheinlich wusste er nicht mal das ich den noch hatte. Im Eiltempo raste ich durch Berlin und wurde bestimmt das eine oder andere Mal geblitzt, aber das war mir in dem Moment egal. Dazu parkte ich auch noch im Parkverbot und stürmte in Dag seine Wohnung. Es war stockdunkel, weshalb ich erstmal über seine herumliegenden Schuhe stolperte. Ich machte mich auf den Weg in sein Schlafzimmer und schaltete hastig das Licht an. Dag erschrak und starrte mich nur perplex an. Ich konnte ihm seine Gefühlslage ansehen. Er sah ganz und gar nicht gut aus. Er wollte etwas sagen, aber brachte kein Wort heraus. er hatte meinen Pullover an. Eigentlich dachte ich alle Sachen bei ihm abgeholt zu haben.

„Hör mir einfach nur zu, bevor du mich herausschmeißt.", sagte ich und wartete seine Reaktion ab. Zaghaft nickte er. „Diese Situation macht mich verrückt und ich frage mich wie ich nur so dumm sein konnte dich zu hintergehen. Du bist das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Ich kann mir nicht erklären, wie ich so dumm sein konnte dich zu betrügen. Wahrscheinlich dachte sich mein Verstand das ich das darf, weil ich schon immer Vincent Stein, das Arschloch, bin. Aber eigentlich will ich dich nur zurück. Ich muss einfach meinen falschen Stolz herunterschlucken und wieder meinen Mittelpunkt im Leben finden. Das bist du und ich will, dass das so für den Rest meinen Leben bleibt. Dieses heilloses Chaos macht ich fertig. Ich will wieder in Frieden mit dir leben. Ich will nur das du mich liebst.", offenbarte ich ihm.

Ihm flossen die Tränen übers Gesicht und mir ebenfalls. „Vincent.", brachte er mit schwacher Stimme heraus.

Ich ließ ihn gar nicht ausreden. Mir fielen diese Worte nicht leicht, denn meine Gefühlswelt behielt ich gerne für mich. „Wenn wir beide so heulen, muss da ja ein Schmerz und ein weg sein.", unterbrach ihm ihn. Er bewegte sich kein bisschen. Ich starrte ihn einfach nur an. Er zeigte immer noch keine Reaktion. „Ich habe alles für dich getan. Alles dafür das unsere Beziehung nicht zerbricht. Ich würde auch so gerne noch mit dir zusammen sein, aber es geht nicht.", flüsterte er. Ich schluckte und fasste mich dann, um mich ans Bettende zu setzen. „Ich weiß das es nicht von heute auf morgen geht, aber wir reparieren doch alles. ich werde auch alles für uns tun. Ich kann mich gar nicht oft genug entschuldigen. Ich will dich einfach nur zurück. Ich kann ohne dich nicht leben Dag. Es gibt auch noch so viel, was ich mit dir erleben will.", flüsterte ich uns nahm vorsichtig seine Hand in meine. Für einen Moment hatte ich das Gefühl er würde es genießen. Trotzdem zog er seine Hand wieder weg.

„Bitte geh. Ich glaube es ist Zeit für einen Schnitt zwischen uns. Manchmal reicht die Liebe nicht und bleibt nur ein Kompromiss. Liebe ist und war noch nie fair. Du weißt doch wie es ist.", sagte er so leise, dass ich kaum seine Worte verstehen konnte. „Meinst du nicht das du mir genau deswegen vergeben kannst, weil Liebe ein Kompromiss ist?", fragte ich ihn und merkte wie dumm es war. Ich versuchte ihn von meinen Gefühlen zu überzeugen und dachte mal wieder nur an mich. Er schüttelte mit seinem Kopf. „Ich liebe dich für immer Dag. Nur ein letzter Kuss okay? Und dann lasse ich dich für immer in Ruhe, so wie du es magst.", rückte ich bedränglich nah und sah ihn tief in die Augen. Zu meinem Verwundern nickte er.

Sanft nahm ich sein Gesicht zwischen meine Hände und küsste ihn. Ich legte alle meine Gefühle in den Kuss. „Bleib.", flüsterte er mir zu. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen. Ich legte mich neben ihn und zog ihn fest in meine Arme. Ich hielt ihn so fest und würde ihn niemals loslassen. Er weinte gegen meine Brust und ich strich ihn beruhigend über den Rücken. „Pshh, ich werde auf dich aufpassen.", flüsterte ich ihm zu. Irgendwann schlief er in meine Armen ein. Ich hielt ihn die ganze Nacht so und war mir sicher, ihm ie wieder etwas so schlimmes anzutun. 

SDP-One ShotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt