23 Die Definition von Glück.

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┊  ┊  ┊          ★ HARRY

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„Du brauchst nicht alles dreimal zu sagen, ich habe dich schon beim ersten Mal verstanden", sprach ich mit einer Engelsgeduld. Ich war auf dem Weg zu meiner regelmäßigen Sitzung bei Dr. Winterbottom, er war ein sehr, sehr alter Mann. Zu Beginn glaubte ich, er würde jeden Moment ineinander fallen.

Möglichst unauffällig drückte ich mich in einer Londoner Seitenstraße herum, hier konnte ich nicht parken, also musste ich ein gutes Stück zu Fuß gehen. Am Handy hatte ich meine Mutter. Es war irgendwie ein Ritual geworden, dass ich sie auf dem Weg zur Therapie anrief. 

„Ich weiß, dass du meine Freundin kennenlernen willst", sprach ich ruhig. „Aber ich muss das erst mit ihr besprechen, außerdem weißt du doch, dass sie sich im Moment ziemlich aufwendig wieder in die hörende Sparte kämpft."

Isabell gab wirklich alles. Denn ich sah die Hörerschöpfung bei ihr und die Sturheit, dass ich ihr trotzdem stoisch weiter vorlas. Mittlerweile waren wir in Hogwarts angekommen und ganz egal, wie träge ich auch las, sie kritisierte mich nicht. 

Ich hatte ihr angeboten die Hörbücher zu kaufen, doch das wollte sie nicht. Es hatte etwas gedauert, bis sie zugegeben hatte, dass es eher um den Klang meiner Stimme ging, statt um den Inhalt. So ganz verstand ich das nicht, aber ich fügte mich ihrem Befehl und las so jeden Tag ein paar Seiten.

Meine Mutter seufzte dramatisch und ich versprach, dass ich mit Isabell redete. Jedoch wusste ich, dass nicht sie das Problem war, sondern ich. Ich wollte nicht, dass meine Mutter und sie aufeinandertrafen. Denn was war, wenn meine Mum mir danach genau das sagte, was ich nicht hören wollte? 

Nämlich, dass ein Handicap nicht verschwand und ich mir das gut überlegen sollte.

Ich hatte mir das eigentlich schon zu oft überlegt. Mir war Isabells Handicap nicht egal, denn alles andere wäre eine Lüge. Aber ich sah es auch nicht mehr als etwas Bedrohliches, das nicht zu mir passte.

Irgendwie war es etwas geworden, das zu ihr gehörte und ich... nahm es an.

„Ich muss jetzt auflegen und melde mich morgen früh bei dir", beendete ich das Gespräch. 

Dr. Winterbottom hatte sein Büro in einem Altbau. Ich traute dem klapprigen Fahrstuhl nicht und kämpfte mich den schiefen und schmalen Stufen in den zweiten Stock. Mein Manager hatte mir Dr. Winterbottom empfohlen und ich wollte nicht wissen, wie viel Geld geflossen war, damit ich zeitnahe bei ihm aufgenommen wurde.

Höflich klopfte ich und sah seinen jungen Sekretär, der mich höflich begrüßte: „Pünktlich, wie immer. Wollen Sie schon durchgehen? Kaffee?" Seine Nase war so lang, dass es auch ein Adlerschnabel hätte sein können. Doch er schien den Laden im Griff zu haben. Immer wieder klingelte das Telefon und ein Stapel Post türmte auf seinem Schreibtisch. Trotzdem wirkte er ordentlich und organisiert.

„Beides gern", antwortete ich und hing meinen Mantel auf. Mittlerweile war es kalt geworden und ich zog mir die Mütze vom Kopf. Die Räume der kleinen Praxis waren altmodisch konservativ. An den Wänden fand man gemusterte Tapete, es gab schwere Vorhänge und als ich mit meiner Tasse Kaffee in der Hand den üblichen Raum betrat, in dem Dr. Winterbottom und ich uns trafen, da warf ich mich ins Polster einer wuchtigen Ledercouch.

Kurz zog ich mein Handy noch mal hervor und öffnete die Chats. Niall probierte die zweiten Hörgeräte aus und war sichtlich angefressen. Die Ersten hatten ihm vom Klang besser gefallen und er konnte nicht mal erklären warum. Liam lud uns zur Einweihungsparty seiner neuen Bude ein. Sie sollte vor dem Weihnachtscountdown stattfinden und er wollte wissen, ob wir kämen.

Liebe heißt das Lied ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt