Vier

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In dem Moment, als Eser seine kalten, gleichgültigen Worte sprach, spürte ich, wie Wut und Entschlossenheit in mir aufstiegen. Die Tränen, die hinter meinen Augen brannten, wurden von einer neuen Energie verdrängt. Ich konnte die hämischen Blicke und das leise Kichern seiner Clique nicht ignorieren, aber anstatt mich geschlagen zu geben, entschied ich, das Blatt zu wenden. Eser mochte denken, dass ich schwach und unbedeutend war, aber ich würde ihm zeigen, dass er sich gewaltig irrte. Ich atmete tief durch, schob meinen Stuhl zurück und stand auf. Mein Herz pochte laut in meiner Brust, aber ich zwang mich, ruhig zu bleiben, während ich zu ihrem Tisch hinüberging. Der Raum schien enger zu werden, als ich mich ihnen näherte, und ich konnte spüren, wie alle Augen auf mich gerichtet waren. Die Musik im Hintergrund schien leiser zu werden, das Murmeln der anderen Gäste verblasste, als ich meinen Blick fest auf Eser richtete, der mich überrascht und fast belustigt ansah, als ich vor ihm stehen blieb. „Ihr wollt wissen, wer ich bin?" begann ich, meine Stimme fest, aber ruhig. Die Clique verstummte, alle Augen waren nun auf mich gerichtet. Eser lehnte sich zurück, als ob er ein unterhaltsames Schauspiel erwartete, aber das würde er nicht bekommen. „Ich bin die, die keine Angst hat, dir die Wahrheit ins Gesicht zu sagen," fuhr ich fort, mein Blick wanderte über die Gesichter der Gruppe, bevor ich mich wieder auf Eser konzentrierte. „Du denkst, du bist etwas Besonderes, Eser? Du bildest dir ein, dass dein Aussehen und dein oberflächlicher Charme dir alles ermöglichen? Lass mich dir eines sagen: Egal wie gut du vielleicht aussehen magst, mit diesem widerlichen Charakter bist du hässlich. So hässlich, dass nicht einmal dein Aussehen das verdecken kann." Die Worte hingen einen Moment in der Luft, bevor sie mit voller Wucht bei der Gruppe einschlugen. Einer der Jungs stieß ein ungläubiges Lachen aus, und ein Mädchen an der Seite hielt sich die Hand vor den Mund, um ihr Kichern zu unterdrücken. Die Stille, die zuerst entstanden war, wich einem schallenden Gelächter, das den gesamten Tisch erfasste. Sie lachten – nicht mit Eser, sondern über ihn. „Oh Mann, Eser, das hat gesessen!" rief einer der Jungs, während er sich auf die Schenkel klopfte. Ein anderes Mädchen schüttelte kichernd den Kopf und meinte: „Ich glaube, da hat sie dich richtig durchschaut, Eser." Eser saß da, seine Miene war versteinert, doch in seinen Augen konnte ich sehen, dass meine Worte ihn getroffen hatten. Das Lächeln war von seinen Lippen verschwunden, und ich spürte, wie seine Fassade langsam bröckelte. Seine Freunde lachten und machten Witze auf seine Kosten, und es war offensichtlich, dass sie die unerwartete Wendung genossen. Ich fühlte einen Anflug von Triumph, als ich merkte, dass ich ihn vor seiner eigenen Clique bloßgestellt hatte. Sie feierten mich für meinen Mut und die Art, wie ich ihn in die Schranken gewiesen hatte, doch ich wollte mich nicht länger mit ihnen aufhalten. Mit erhobenem Kopf drehte ich mich um und ging zur Tür des Cafés. Die Kälte der Nacht umfing mich, als ich hinaustrat, doch es fühlte sich erfrischend an, fast befreiend. Doch kaum hatte ich ein paar Schritte gemacht, hörte ich die Tür hinter mir aufgehen und dann schwere Schritte, die mir folgten. Ich wusste sofort, dass es Eser war, der mir hinterherkam. Ich ging schneller, aber er holte mich mit Leichtigkeit ein. „Warte!" rief er, seine Stimme klang jetzt nicht mehr so selbstsicher wie zuvor, sondern voller Wut. Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm um, bereit für den nächsten Schlagabtausch. „Was willst du noch, Eser?" fragte ich scharf, als er vor mir zum Stehen kam. Seine Augen funkelten vor Zorn, aber ich konnte auch eine Spur von Unsicherheit in ihnen sehen. „Hast du nicht genug? Willst du noch mehr Demütigung?" „Glaubst du, du kannst einfach so abhauen, nachdem du mich vor allen bloßgestellt hast?" zischte er, während er mir näherkam, seine Stimme war gefährlich leise, als ob er sich beherrschen müsste, um nicht die Beherrschung zu verlieren. „Ja, das glaube ich," erwiderte ich ruhig, meine Augen fest auf seine gerichtet. „Du hast es verdient, Eser. Du behandelst Menschen wie Dreck, und jetzt merkst du, wie es ist, wenn man dir die Wahrheit ins Gesicht sagt." „Die Wahrheit?" wiederholte er höhnisch, doch sein Versuch, die Kontrolle zu behalten, scheiterte. „Du kennst die Wahrheit nicht, Irem. Du hast keine Ahnung, was hinter all dem steckt." „Vielleicht nicht," antwortete ich, „aber ich weiß, dass du dich hinter einer Maske versteckst. Du denkst, du kannst die Leute manipulieren und kontrollieren, aber am Ende bist du derjenige, der alleine dasteht. Deine Freunde haben gerade über dich gelacht, Eser. Denk mal darüber nach." Für einen Moment war er sprachlos, und ich nutzte die Gelegenheit, um einen Schritt zurückzutreten. „Ich habe keine Lust mehr, mich mit dir abzugeben," sagte ich, meine Stimme ruhig, aber fest. „Du kannst mir nichts anhaben, Eser. Und ich werde nicht zulassen, dass du weiterhin andere verletzt, nur um dein Ego zu füttern." Eser öffnete den Mund, als wollte er etwas erwidern, aber keine Worte kamen heraus. Stattdessen stand er einfach nur da, während ich mich umdrehte und weiterging. Diesmal folgte er mir nicht. Ich spürte seinen Blick in meinem Rücken, doch ich ließ mich nicht beirren. Die kalte Luft brannte in meinen Lungen, aber es fühlte sich gut an. Ich hatte mich gegen ihn gewehrt, ihm gezeigt, dass er mich nicht einschüchtern konnte. Doch trotz meines Sieges blieb ein bitterer Nachgeschmack zurück. Ich wusste, dass dies nicht das Ende war – nicht für Eser und nicht für mich. Aber jetzt, in diesem Moment, hatte ich gewonnen. Und das war genug für heute. Als ich weiterging, spürte ich Esers Blick in meinem Rücken, schwer und brennend. Die kalte Nachtluft schien plötzlich still zu stehen, und ich konnte die Wut in seinem Schweigen förmlich spüren. Doch bevor ich den nächsten Schritt machen konnte, hielt ich inne. Etwas in mir weigerte sich weiterzugehen. Langsam drehte ich mich zu ihm um, meine Augen trafen seine. Er stand da, regungslos, aber ich konnte sehen, dass er innerlich brodelte. Die Wut und die Verletzung, die er zu verbergen versuchte, spiegelten sich in seinen dunklen Augen wider. Einen Moment lang sagte keiner von uns etwas, die Stille zwischen uns war fast unerträglich. Dann nahm ich all meinen Mut zusammen und trat einen Schritt auf ihn zu. „Weißt du, Eser," begann ich, meine Stimme war ruhig, aber fest, „du kannst über mich sagen, was du willst. Du kannst versuchen, mich kleinzumachen, mich lächerlich zu machen, aber am Ende des Tages ändert das nichts daran, dass du derjenige bist, der nichts wert ist." Eser starrte mich an, als ob er nicht glauben konnte, dass ich das gerade gesagt hatte. Aber ich war noch nicht fertig. Ich musste ihm sagen, was mich am meisten wütend machte, was mir wirklich am Herzen lag. „Du bist charakterlos, Eser," fuhr ich fort, meine Stimme zitterte leicht vor Emotion, „wenn du ein Mädchen wie Yağmur verletzt. Sie hat dich geliebt, und du hast sie ausgenutzt, hast sie gebrochen. Das zeigt nur, was für ein erbärmlicher Mensch du wirklich bist." Für einen Moment blitzte etwas in seinen Augen auf – Überraschung, vielleicht sogar ein Anflug von Schuld? Aber es war schnell wieder verschwunden, ersetzt durch eine Maske der Gleichgültigkeit. Doch ich wusste, dass meine Worte ihn getroffen hatten. Ich hatte den wunden Punkt getroffen, den er so sorgfältig versteckt hielt. Eser ballte die Fäuste, seine Kiefermuskeln zuckten vor unterdrücktem Zorn. Aber er sagte nichts, er konnte nichts sagen. Ich sah es in seinen Augen – er wusste, dass ich recht hatte. „Du kannst weiterhin so tun, als wäre dir alles egal," fügte ich hinzu, meine Stimme wurde leiser, aber sie trug noch immer die Schärfe meiner Worte, „aber irgendwann wirst du merken, dass du derjenige bist, der am meisten verloren hat. Nicht ich, nicht Yagmur – sondern du." Ich hatte mich gerade umgedreht und wollte endgültig gehen, als ich plötzlich seine Schritte hinter mir hörte. Eser folgte mir. Bevor ich weitergehen konnte, spürte ich, wie er mir näher kam, bis er so nah war, dass ich seine Anwesenheit wie eine körperliche Last auf meinen Schultern spürte.

„Irem," sagte er mit einer Stimme, die diesmal leiser und kontrollierter klang, fast als würde er versuchen, seine Wut zu zügeln. „Du hast keine Ahnung, was wirklich zwischen Yagmur und mir passiert ist. Du siehst nur, was du sehen willst. Aber vieles ist nicht so, wie es scheint." Ich blieb stehen, mein Rücken immer noch zu ihm gewandt, aber ich konnte spüren, wie ernst er jetzt war. Etwas in seiner Stimme ließ mich innehalten. Langsam drehte ich mich um und sah ihm in die Augen, die jetzt nicht mehr nur von Zorn, sondern auch von einer seltsamen Mischung aus Frustration und vielleicht sogar Verletzlichkeit erfüllt waren. „Was meinst du damit?" fragte ich, meine Stimme war weniger scharf als zuvor, aber noch immer voller Misstrauen. Eser trat einen Schritt näher, aber diesmal war seine Haltung weniger aggressiv, fast defensiv. „Du hast mich gerade als charakterlos bezeichnet, und vielleicht habe ich das in gewisser Weise auch verdient," begann er und sah kurz zu Boden, als würde er nach den richtigen Worten suchen. „Aber die Dinge zwischen Yagmur und mir... sie sind komplizierter, als du denkst." Ich verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn fordernd an. „Komplizierter wie? Sie hat dich geliebt, Eser. Du hast sie verletzt." Eser hob den Kopf und sah mich an, und zum ersten Mal seit ich ihn kannte, sah ich in seinen braunen Augen mehr als nur Arroganz und Selbstgefälligkeit. Da war etwas Tieferes, etwas, das er offenbar selten zeigte, ein Funken von Gefühlen, die er gewöhnlich verbarg.

Doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, verengten sich seine Augen und sein Gesicht nahm wieder den kalten, harten Ausdruck an, den ich von ihm gewohnt war. „Es geht dich nichts an, Irem," sagte er scharf, seine Stimme war plötzlich wieder voller Abwehr. „Was zwischen Yagmur und mir passiert ist, ist unsere Sache. Ich werde nicht mit dir darüber sprechen." Seine Worte trafen mich wie eine kalte Dusche. Der kurze Moment der Offenheit war verschwunden, ersetzt durch die altbekannte Mauer, die er um sich herum aufgebaut hatte. Es war, als ob er jeglichen Anflug von Verletzlichkeit sofort zurückgezogen hatte, um sich wieder in seiner vertrauten Rolle des unnahbaren, selbstgefälligen Eser zu verstecken. „Natürlich," antwortete ich, meine Stimme vor Sarkasmus triefend. „Weil es einfacher ist, sich hinter dieser Mauer zu verstecken, oder? Einfacher, alle wegzustoßen, anstatt dich deinen Fehlern zu stellen." Er wich nicht zurück, blieb fest stehen und starrte mich an, seine Kiefermuskeln zuckten vor unterdrückter Wut. „Ich schulde dir keine Erklärungen," zischte er. „Und ich werde mich sicher nicht vor dir rechtfertigen." „Das mag sein," entgegnete ich und hielt seinem Blick stand. „Aber du kannst nicht ewig so weitermachen, Eser. Irgendwann wirst du dich deinen Taten stellen müssen. Und dann wirst du sehen, dass es nicht reicht, einfach so zu tun, als wäre dir alles egal." Für einen Moment schien er etwas erwidern zu wollen, aber dann schloss er den Mund wieder und starrte mich nur an, die Spannung zwischen uns war fast greifbar. Schließlich drehte er sich abrupt um und ging, seine Schritte hallten schwer auf dem Pflaster wider. Doch ich wusste, dass dies nicht das Ende war. 


Braune Augen [Irem ♥ Eser] *NEUE VERSION*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt