Am nächsten Morgen erwachte ich früh, die sanften Strahlen der Sonne fielen durch die Vorhänge und tauchten das Zimmer in ein warmes, goldenes Licht. Neben mir auf der Couch lag Eser noch immer ruhig, die Decke bis zu den Schultern hochgezogen. Es war ein friedlicher Anblick, der mich fast vergessen ließ, wie verwirrt und durcheinander ich noch am Abend zuvor gewesen war. Aber die Erinnerungen kamen schnell zurück, und mit ihnen die Fragen, die unbeantwortet in meinem Kopf herumspukten. Ich zog mich leise an, um ihn nicht zu wecken, und machte mich fertig für den Tag. Kaum war ich aus dem Badezimmer heraus, hörte ich, wie Eser sich aufrichtete und streckte. Ein kurzer, flüchtiger Blick in seine Richtung zeigte mir, dass er mich beobachtete, aber er sagte nichts, und ich wusste auch nicht, was ich sagen sollte. Der gestrige Abend hing noch immer wie eine unsichtbare Wand zwischen uns. „Guten Morgen," murmelte er schließlich, als ich meine Tasche nahm. „Morgen," erwiderte ich leise und versuchte, ihm ein Lächeln zu schenken, auch wenn es mir schwerfiel. Kaum waren wir unten im Foyer, sahen wir Cagla und Edgar, die uns bereits erwarteten. Beide lachten und witzelten miteinander, ihre gute Laune war ansteckend. „Da seid ihr ja! Ich hoffe, ihr habt gut geschlafen, denn heute haben wir wieder einen vollgepackten Tag vor uns," rief sie begeistert und wedelte mit der Karte vor unseren Augen. „Wir werden durch Montmartre schlendern, das Künstlerviertel erkunden und dann in einem der kleinen Cafés typisch französische Snacks probieren. Am Nachmittag besichtigen wir Sacré-Cœur, und zum Abschluss des Tages gibt's ein richtig gutes französisches Abendessen in einem traditionellen Restaurant!" „Klingt nach einem perfekten Tag," sagte Edgar, während er Cagla liebevoll über die Schulter strich. Eser nickte zustimmend, und ich versuchte, die Aufregung zu teilen, auch wenn meine Gedanken noch immer um das Gespräch mit Eser kreisten. Wir machten uns auf den Weg nach Montmartre, und sobald wir das Viertel erreichten, war ich überwältigt von der Atmosphäre. Die engen Gassen waren gesäumt von kleinen Geschäften und Cafés, Künstler stellten ihre Werke aus und malten Porträts von Touristen. Es war, als wären wir in eine andere Welt eingetaucht, eine, die so viel Lebendigkeit und Kreativität ausstrahlte, dass man fast die Probleme des Alltags vergessen konnte. Wir schlenderten durch die Straßen, Eser an meiner Seite, immer wieder darauf bedacht, dass ich mich wohlfühlte. Manchmal trafen sich unsere Blicke, und es lag etwas unausgesprochenes in der Luft, etwas, das mich sowohl wärmte als auch verunsicherte. In einem der Cafés machten wir Halt, und Cagla bestand darauf, dass wir alle typisch französische Snacks probieren sollten. Croissants, Éclairs, Pain au Chocolat – all diese kleinen Köstlichkeiten lagen verführerisch auf den Tellern vor uns. Ich biss in ein knuspriges Croissant, aber meine Gedanken waren weit weg. Ich dachte an Eser und Yagmur, an die Freundschaft, die sie hatten, und wie es zu diesem schrecklichen Missverständnis gekommen war. Ich konnte nicht anders, als Mitgefühl für ihn zu empfinden. Wie muss es für ihn gewesen sein, eine gute Freundin zu verlieren, nur weil ein Moment der Schwäche ausgereicht hatte, alles zu zerstören? Ich konnte mir vorstellen, wie verwirrt und verletzt er gewesen sein musste, wie schwer es für ihn gewesen sein musste, das alles zu verarbeiten. Und nun trug er die Bürde dieser Nacht mit sich herum, genauso wie ich. Während wir weiter durch Montmartre spazierten, bemerkte Eser wohl, dass ich in Gedanken versunken war. Er schien mir Raum zu geben, drängte nicht, sondern ließ mich einfach bei ihm sein. Es war eine stille Fürsorge, die mich tief berührte. Als wir schließlich Sacré-Cœur erreichten, blieb ich einen Moment stehen, um den Ausblick über die Stadt zu genießen. Paris lag zu unseren Füßen, ein atemberaubendes Meer aus Dächern und Türmen. Eser trat neben mich, und wir standen eine Weile schweigend nebeneinander. Es war ein friedlicher Moment, einer, in dem die Welt um uns herum fast still zu stehen schien.„Es ist wunderschön, nicht wahr?" fragte er schließlich. „Ja, das ist es," antwortete ich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. Der Rest des Tages verging wie im Flug, und am Abend fanden wir uns in einem gemütlichen französischen Restaurant wieder. Die Atmosphäre war warm und einladend, die Gerüche von frisch zubereiteten Gerichten erfüllten die Luft. Wir setzten uns an einen Tisch, und während wir auf unser Essen warteten, bemerkte ich, wie Eser immer wieder zu mir schaute. Seine Fürsorge berührte mich tief, auch wenn ich mir wünschte, dass alles einfacher wäre. Das Essen war köstlich – zarte Entrecôte, Ratatouille, Crêpes Suzette zum Nachtisch. Doch obwohl alles perfekt schien, konnte ich meine Gedanken nicht ganz von dem ablenken, was zwischen Eser und mir stand.
DU LIEST GERADE
Braune Augen [Irem ♥ Eser] *NEUE VERSION*
Romanzi rosa / ChickLit"Manchmal frage ich mich, wie ein Mensch so schön und gleichzeitig so unerträglich sein kann. Eser ist wie ein Rätsel, das ich lösen will, obwohl ich weiß, dass es mich nur in den Wahnsinn treiben wird." Irem über Eser „Irem hat eine Art, die mich v...