Dreiundzwanzig

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Die vergangenen Wochen waren für mich wie ein Drahtseilakt – ein ständiger Balanceakt zwischen Verlangen und Vernunft, zwischen Sehnsucht und dem Wissen, dass es so nicht weitergehen konnte. Die Anziehung zwischen Eser und mir war immer da, wenn wir allein waren. Es war fast schon unmöglich, die Spannung zu ignorieren. Unsere Blicke trafen sich, wenn wir glaubten, unbeobachtet zu sein. Seine Hände fanden meinen Rücken, meinen Nacken – er berührte mich mit einer Zärtlichkeit, die mich immer wieder aufs Neue schwach machte. Doch sobald wir in der Nähe der Familie waren, war es, als wären wir nur gute Bekannte. Keine Küsse, keine Berührungen – nicht einmal ein verdächtiger Blick. Wir waren vorsichtig, extrem vorsichtig, besonders weil Fulya und Burak erst seit einem Monat verlobt waren. Ihre frische Beziehung wollte ich nicht gefährden. Doch sobald wir allein waren, brachen wir unsere eigenen Regeln.

Eser holte mich häufig ab, einfach um ein wenig Zeit miteinander zu verbringen. Manchmal trafen wir uns auch mit Cagla und Edgar, aber selbst da war dieses Prickeln immer präsent. Seine Augen verfolgten mich, und ich wusste, dass meine Blicke ihn ebenso fesselten. In jenen Momenten waren wir wie ein Paar, das sich heimlich trifft, das seine Liebe in gestohlenen Augenblicken auslebt. Doch tief in mir wusste ich, dass es so nicht weitergehen konnte. Irgendwann würde alles ans Licht kommen, und der Preis dafür würde hoch sein.

Während Fulya und Burak ihre Verlobung feierten und Pläne für ihre Hochzeit machten, hing ein schwerer Schatten über mir. Esers Kind – ein Kind, das nicht von mir war und das bald geboren werden würde. Diese Realität lag wie ein unsichtbarer Knoten in meiner Brust, den ich nicht lösen konnte.

Am nächsten Tag bat ich Eser, mich abzuholen. Ich musste mit ihm reden, musste Klarheit schaffen, auch wenn ich wusste, dass es uns beide schmerzen würde. Meine Familie dachte, dass zwischen uns nichts weiter war als Freundschaft – sie sahen uns als alte Bekannte, die gut miteinander auskamen. Doch Fulya... sie schien es anders zu sehen. Ich hatte bemerkt, wie sich ihr Blick in den letzten Tagen verändert hatte, wie ihre Augen manchmal länger auf mir ruhten, wenn Eser in der Nähe war. Und dann, an diesem Morgen, ließ sie die Bombe platzen.

Ich war in der Küche und bereitete das Frühstück vor, als Fulya plötzlich hereinkam. Ihr Gesicht war angespannt, und ich wusste sofort, dass etwas nicht stimmte.

"Also, Irem," begann sie kühl, ihre Stimme scharf wie ein Messer. "Willst du mir nicht sagen, was das mit dir und Eser ist?"

Ich stockte, meine Hände zitterten leicht, als ich das Messer ablegte. "Was meinst du?" fragte ich vorsichtig.

Fulya verschränkte die Arme vor der Brust und sah mich mit funkelnden Augen an. "Tu nicht so unschuldig. Jeder sieht doch, wie du dich an ihn ranschmeißt. Eser, der bald Vater wird. Glaubst du wirklich, das ist eine gute Idee?"

Ihre Worte trafen mich wie ein Schlag ins Gesicht. Ich fühlte, wie sich mein Herz zusammenzog, und der Schmerz, den ich seit Wochen verdrängt hatte, stieg in mir auf. "Fulya, das ist nicht so, wie du denkst..."

"Oh, wirklich?" Ihre Stimme war voller Sarkasmus. "Und was soll das dann sein? Eine platonische Freundschaft? Irem, sei doch nicht so naiv. Er wird bald Vater! Du kannst doch nicht ernsthaft glauben, dass das gut endet!"

Ich schluckte schwer. Alles in mir schrie danach, ihr die Wahrheit zu sagen, ihr zu erklären, wie es wirklich war – dass Eser und ich uns schon vor all dem nahestanden, dass wir uns ineinander verliebt hatten, aber ich konnte es nicht. Nicht jetzt.

"Ich..." begann ich, aber die Worte blieben mir im Hals stecken. Fulya schüttelte den Kopf und ging aus der Küche, ihre Enttäuschung war fast greifbar.

Der Rest des Tages war wie in einem Nebel. Die Worte meiner Schwester hallten in meinem Kopf wider und ließen mich nicht los. Es tat weh, so sehr. Ich wusste, dass sie sich um mich sorgte, aber ihre Worte hatten mich tief verletzt.

Braune Augen [Irem ♥ Eser] *NEUE VERSION*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt