Kapitel 3

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Seit einer Woche war er nun schon auf Fleischschau und er musste sagen, die Weiber interessierten ihn wirklich nicht, selbst wenn er sich Hina vorstellte kam nichts. Kein Gefühl, kein Kribbeln einfach nichts.

Er hatte gerade den letzten Club verlassen und schlenderte Gedankenverloren durch die Gegend zumindest so lange bis er vor einer alten Bowlinghalle zum stehen kam.

Er kannte sie, stellte er fest. Hier hatte er sich früher mit Hakkai das eine oder andere Bowlingduell geliefert. Während Yahuza und Hina nur dagesessen hatten und sie anfeuerten oder sich wahlweise darüber beschwerten, dass ihnen langweilig war. Bei den Erinnerungen huschte ein Grinsen über Takemichis Gesicht. Er erinnerte sich an einen Tag an dem sie zu zehnt hier waren. Sie hatten sich beinahe geprügelt, als Mikey und Smiley eine Ratte nach der Anderen geschmissen hatten, während Hakkai und er versucht hatten sich mit den Punkten zu übertreffen. Sie hatten an diesem Tag so viel gelacht, das sie Bauchschmerzen bekommen hatten. Es war ein Tag ohne Mädchen gewesen, nur sie zehn. Es war einer der unbeschwertesten Tage, die er mit seinen Freunden von Toman erlebt hatte. Keine andere Gang, keine Prügelei nur sie und ihre Freundschaft.

Ohne es zu merken hatten seine Schritte ihn in das Innere der alten Bowlinghalle geführt. Sie stand bereits seit Jahren leer. Ein Jammer eigentlich aber für ihn nun eine glückliche Fügung. Er streifte durch die leere Halle und blieb unbewusst an der Bank stehen, die sie damals, an diesem einen Tag, besetzt hatten. Mit einem leisen Seufzen ließ er sich auf dem staubbedeckten Plastik bezogenen Sitzpolster nieder und starrte die zerstörte Bahn entlang in das tiefe Loch am Ende. Seine Gedanken waren dabei noch immer weit weg. Zumindest solange bis er das leise Klicken eines sich spannenden Hahnes vernahm. Sofort war Takemichi wieder im hier und jetzt. Er straffte sich, hielt aber still als er das kalte Metall an seinem Hinterkopf spürte.

„Aufstehen!", wurde ihm kalt befohlen. Takemichi seufzte lautlos und hob seine Hände auf Kopfhöhe, wobei er sich erhob.

„Was willst du hier? Und wer bist du?", kamen die nächsten Fragen kalt aus seinem Rücken.

„Ich war in Gedanken.", antwortete Takemichi leise. „Einst haben wir hier glückliche Stunden verbracht." Er wusste nicht ob sein Angreifer auch nur ein Wort davon verstanden hatte was er gesagt hatte, doch es interessierte Takemichi nicht. Denn vor seinen Augen sah er Mikey und Draken, die sich gegenseitig lachend beleidigten, während sie alles was sie fanden nacheinander warfen und natürlich landete wieder einmal etwas auf seinem Kopf, was die beiden in ein lautes Lachen ausbrechen ließ. Immerhin hatten sie aufgehört zu streiten.

„Was führt dich in das Hauptquartier von Bonten? Hast du eine Todessehnsucht, oder bist du einfach nur dämlich.", flüsterte der Mann hinter Takemichi kalt.

„Weder das eine noch das Andere. Ich bin auf der Suche nach jemandem.", antwortete er gefühllos.

„So, so wen suchst du denn?" Takemichi konnte das Grinsen des Mannes hören. Doch es interessierte ihn nicht.

„Sanzu!", erklang mit einem Mal eine weitere Stimme. Eine Stimme die Takemichi erstarren ließ. Eine Stimme, die so einsam und verlassen klang, dass er das Bedürfnis hatte den Eigentümer dieser Stimme in seine Arme zu nehmen. Es war eine Stimme die sein Herz schneller schlagen ließ. Doch noch würde er sich nicht rühren. Er konnte nicht einschätzen, ob dieser Sanzu abdrücken würde oder nicht und mit einem Loch im Kopf ließ es sich schlecht reden.

„Hier hätte ich nicht mit dir gerechnet Mikey.", murmelte Takemichi ohne den Blick von der Bowlingbahn zu nehmen. Die Waffe an seinem Kopf wurde fester gegen die Haut gedrückt.

Ein kaltes Lachen ertönte. „Hier haben wir viele schöne Stunden verbracht, nicht wahr?", lächelte Takemichi mit Tränen in den Augen.

„Ja. Ich habe mich selten so sehr darüber geärgert, verloren zu haben und dann auch noch gegen dich, Takemitchy!"

„Du hast mich erkannt.", lächelte der Blauäugige.

„Waffe weg Sanzu!", erklang wieder Mikeys Stimme. Dieses Mal war sie näher als zuvor.

„Aber Boss!", wollte der Andere widersprechen.

Mikey schnalzte mit der Zunge und endlich verschwand der Druck der Waffe. „Lass uns alleine!"

Erst als die Schritte verklungen waren, drehte Takemichi sich um und sah im fahlen Mondlicht eine schwarzgekleidete Person. Sie wirkte schmächtig, zu schmal und gebeugt und doch war es eindeutig Mikeys Präsenz, die er spüren konnte.

„Du hast nach mir gesucht.", flüsterte Mikey und trat näher.

„Ja! Ich habe dir damals etwas versprochen.", antwortete Takemichi genauso leise.

Mikey lachte freudlos auf. „Zu spät Takemitchy. Meine Seele ist verloren."

Takemichi schüttelte den Kopf und trat auf Mikey zu um ihm in die schwarzen Augen sehen zu können. Seine Augen waren so unendlich traurig. „Es ist niemals zu spät gesagt zu bekommen, das man auf dem falschen Weg ist.", antwortete Takemichi leise. Er streckte die Hand aus und wollte sie an Mikeys Wange legen. Doch das hatte er sich damals schon nicht getraut. Mikey war immer so unendlich weit entfernt gewesen.

Takemichi hielt Mikey mit seinen Augen fest. „Du hast dich verändert!", flüsterte Mikey leise und packte Takemichis Hand um sie an seine Wange zu schmiegen. Die Wärme, die in seine Finger strömte erfüllte Takemichi mit Frieden und einem warmen Schauer.

„Du trägst keinen Ring.", murmelte Mikey überrascht und zog die Hand wieder von seinem Gesicht und sah sich die Finger an.

Takemichi schüttelte mit dem Kopf. „Die Hochzeit ist in einer Woche."

„Wie lange bist du wieder zurück?", wollte Mikey wissen.

„Etwa ein Monat!"

Mikey nickte verstehend. „Du bist direkt nach der Auflösung Tomans zurück in die Gegenwart."

„Ja!"

„Warum suchst du nach mir? Hinata lebt! Du hast geschafft was du erreichen wolltest. Auch die Anderen leben und führen ihr leben.", wollte Mikey kalt wissen.

Takemichi nickte bei Mikeys Worten und trat wieder näher an den Weißblonden heran. „Alle, außer dir!" Er legte wieder die Hand an Mikeys Wange und strich mit dem Daumen darüber.

Takemichi trat zurück und setzte sich wieder auf das Polster, auf dem er bereits vorhin gesessen hatte. Sein Blick blieb wieder auf die Bahnen vor ihm gerichtet, bevor er leise seufzte und den Kopf mit geschlossenen Augen nach hinten fallen ließ.

„Kenny hat mich letzte Woche am Schrein etwas gefragt, dass mich nachdenklich gemacht hat.", murmelte Takemichi und sah über die Schulter zu Mikey. Der hob nur auffordernd eine Augenbraue.

„Was könnte Draken denn schon Schlaues gesagt haben.", lachte Mikey sichtlich amüsiert.

„Er hat mich gefragt, ob Hina tatsächlich meine große Liebe ist, so wie seine Emma gewesen ist. Ich habe lange darüber nachgedacht.", begann Takemichi nachdenklich.

„Und?", wollte Mikey desinteressiert wissen. Er hatte dieses eingebildete Mädchen nie gemocht. Sie hatte Takemichi immer wieder von Toman weggelockt, hatte ihm merkwürdige Moralvorstellungen eingeredet und immer wieder versucht sich auch in die Gang reinzudrängen. Sie war einfach mit zu Gangtreffen gekommen, obwohl sie nicht eingeladen war, so dass immer wieder Emma sie dort weg bringen musste. Sie war halt die Tochter eines Polizisten.

„Sie war meine erste Liebe. Aber sie ist nicht meine große Liebe. Ist es nie gewesen. Das habe ich in der letzten Woche wohl verstanden."

„Ich habe meine Leute weggeschickt. Sie werden dich in Ruhe lassen. Geh und heirate Hina, oder suche die Frau die deine große Liebe sein kann.", sagte Mikey und wandte sich ab.

„Nein! Ich habe mir geschworen, dass ich einmal mit dir spreche, bevor ich..."

„Das hast du nun. Und jetzt geh und komme nicht wieder!", unterbrach Mikey ihn hart. Doch Takemichi war gerade etwas klar geworden. Er wollte immer wieder mit Mikey sprechen. Er wollte sich mit ihm streiten, ihn berühren und ihn heilen. Er wusste was er zu tun hatte. Er sprang auf, packte Mikey am Arm und zog den etwas Kleineren an sich um ihn in einen vernichtenden Kuss zu ziehen.

„Nein! Ich habe mich entschieden.", flüsterte er an die Lippen des Bontenanführers. Ein Schlag traf ihn unerwartet am Kopf und er wurde ohnmächtig.

gerissen, gebrochen, geflicktWo Geschichten leben. Entdecke jetzt