KAPITEL 7| KLEID

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                         CLÉMENCE

Ich spüre etwas schweres um mich herum. Ich probiere mich zu drehen, aber es gelingt mir nicht. Langsam öffne ich meine Augen und sehe in Enrics Gesicht. Er atmet regelmäßig ein und aus. Meine Gedanken rutschen an gestern Abend. Ich konnte in diesem Zimmer einfach nicht mehr schlafen. Ich weiß nicht, was los mit mir ist, seit wann ich so Angst habe. Als mein Vater mich rausgeworfen hat, war ich traurig, aber ich hatte kaum Angst. Ich wusste, ich kann auf mich selber aufpassen. Aber seitdem ich hier bin, fühlt sich alles anders an. Ich habe öfters angst und fühle mich einfach nicht sicher. Obwohl, hier viele Wachen sind, ist es komisch. Es ist etwas, was ich nicht verstehen kann. Es nervt mich auch sehr, dass ich oft angst habe, weil ich nicht so bin und nicht gewohnt bin so oft Angst zu haben. Ich weiß nicht, ob ich Enric vertrauen kann, ich kenne ihn nicht lange, und trotzdem gibt er mir das Gefühl bei ihm sicher zu sein. Etwas in mir sagt, ich kann ihm vertrauen. Ich kann gerade nur in sein Gesicht schauen, weil er so schön aussieht, wenn er schläft. So ruhig und auch niedlich. Unmöglich es sich vorzustellen, dass Enric niedlich aussehen kann, aber es ist wirklich so. Ich lache leise auf und schließe dabei meine Augen. Als ich nach ungefähr 5 Minuten spüre, wie er sich bewegt, öffne ich wieder meine Augen. Ich erschrecke mich als ich sehe, dass Enric mich ansieht. Wann hat er seine Augen geöffnet? Ich lächel' ihn leicht an, aber er erwidert mein Lächeln nicht und schaut mich einfach an. Er zieht sein Arm weg, auf dem mein Kopf lag und steht schnell auf. Er geht ins Bad, ohne sich nochmal umzudrehen. Okay. Ich weiß nicht was los ist, aber, dass er heute nicht gut gelaunt ist, ist klar. Gestern Abend war er noch nett. Ich warte noch im Bett, weil ich ihn fragen will, was los ist.

Er kommt erst nach 20 Minuten wieder raus und ich sehe, dass er geduscht hat. Er hat nur ein Handtuch um seine Hüften. Ich will ihn nicht anschauen, aber ich kann nicht anders. Ich raffe mich schnell und stehe vor Bett auf. Er schaut mich nicht an und geht ins Ankleidezimmer. Ich laufe ihm nach und bleibe dann an der Tür stehen. »Enric ist was los?« traue ich mich ihn zu fragen. Er dreht sich zu mir um und schaut mich böse an. Er schaut mich so an, als wären wir Feinde. Es beängstigt mich, dass er mich so anschaut. »Geh raus und nerv mich heute nicht!«, sagt er kalt und dreht sich wieder um. »Enric sag es mir, wenn ich was gemacht habe, ich weiß nicht was los ist, aber wenn es meinetwegen ist, dann entschuldige ich mich«, sage ich leise und mache ein schritt nach vorne. Jetzt stehe ich auch im Ankleidezimmer, aber noch weit entfernt von Enric. Er dreht sich nicht um, aber er sagt irgendwas auf Spanisch, weshalb ich auch nichts verstehe. Ich sage ihm, dass ich ihn nicht verstehe, aber das interessiert ihn überhaupt nicht. Er hat sich auch noch nicht angezogen, er erkältet sich noch. Ich glaube, er zieht sich nicht an, weil ich mit im Raum bin. Weil ich das denke, gehe ich raus und schließe auch die Tür hinter mir. Ich setze mich wieder aufs Bett und warte. Ich will wissen, was los ist, warum er so drauf ist. Eine Stunde vergeht, aber er kommt nicht raus. Am Ende reicht es mir und ich gehe einfach ohne zu klopfen rein. Enric sitzt auf dem Boden und hält ein Kleid in seinen Händen. Als seine Augen auf meine treffen, weiß ich, dass ich lieber hätte klopfen sollen. Er steht auf und marschiert auf mich zu. Als er bei mir ankommt, packt er sich meinen Arm und zieht mich raus. An seiner Schlafzimmertür angekommen, reißt er die Tür auf und schubst mich so feste raus, dass ich brutal hinfalle. Mein Arm tut weh, weil er sehr feste zugedrückt hat. Und weil ich auf mein Bauch gefallen bin, bleibt mir kurz die Luft weg. Meine Rippen tun auch höllisch weh. Tränen steigen mir in die Augen, aber es bringt nichts. Dadurch werden meine Schmerzen nicht besser. Enric knallt die Tür zu und ich zucke zusammen. Einen Moment lang kann ich nicht aufstehen, weswegen ich liegen bleibe. Ich will nicht an die Vergangenheit denken, aber ich kann es nicht kontrollieren. Ich will ihn nicht mit meinem Vater vergleichen, aber ich tue es. Ich vergleiche ihn. Er hat mich rausgeworfen als wäre ich Müll.

Ich sitze seit Stunden auf diesem scheiß Boden und habe nicht einmal versucht aufzustehen. Mein Arsch tut schon weh. Ich atme einmal tief ein und richte mich dann langsam auf. Meine Rippenbereiche schmerzen beim Aufstehen, aber ich probiere es zu ignorieren. Als ich stehe, laufe ich Richtung Bad. Im Bad angekommen, gehe ich zum Spiegel und hebe mein T-Shirt hoch. Ich sehe, dass ich an beiden Seiten von meinen Rippen blaue Flecke habe. Toll. Wahrscheinlich wird sich mein Arm auch blau färben. Mir steigen wieder Tränen in die Augen und ich kann nicht anders als sie rauszulassen. Ich fange an, laut zu weinen und halte mir die Hände vors Gesicht. Ich lege eine Hand auf meinen Brustkorb, um mich zu beruhigen und es klappt gut. Um die getrockneten Tränen wegzubekommen, wasche ich mein Gesicht. Ohne mein Gesicht abzutrocknen, verlasse ich das Bad und gehe in mein Schlafzimmer. Weil ich immer noch meine Schlafsachen anhabe, lege ich mich einfach ins Bett. Bevor ich meine Augen aber schließe, schaue ich noch auf die Uhr. 21:10 Uhr. Ich habe den ganzen Tag auf diesem scheiß Boden verbracht. Scheiße. Ich bin so müde, dass ich nicht mal merke wie mir die Augen zufallen. Ich drehe mich auf die linke Seite und schließe meine Augen, um Ruhe zu finden.

     ENRIC

Ich stehe gerade vor Clémences Tür. Ich will nachsehen, ob alles gut ist. Das, was ich gemacht habe, tut mir wahnsinnig Leid. Ich will mich entschuldigen. Als ich leise an ihrer Tür klopfe, warte ich auf eine Antwort, aber da kommt nichts. Ich drücke, die Tür klinke langsam nach unten und öffne die Tür. Clémence liegt auf ihrem Rücken, mit dem Kopf in meine Richtung im Bett. Ich laufe langsam auf sie zu und knie mich nach unten, um mir ihr Gesicht besser ansehen zu können. Ich nehme ihr Gesicht in meine Hände und streiche mit meinen Daumen über ihre Wange. »Es tut mir so, so Leid, rosa. Bitte vergib mir.« Ich küsse ihre Stirn und decke sie besser zu. Dann verlasse ich wieder das Zimmer. Ich hoffe, sie kann mir vergeben. In meinem Zimmer angekommen, ziehe ich mir bequeme Sachen an und lege mich auch ins Bett. Die Bettdecke hat ihren Duft. Sie lag heute Morgen noch friedlich neben mir. Ich habe es kaputt gemacht. Und das nur, weil ich vergessen habe, was für ein Datum heute ist. Ich hätte es nicht vergessen dürfen. Ich vergesse es nie. Warum heute? 17.10.2016
Es gibt kein Datum, dass ich so sehr hasse wie diesen. Es sind verdammte 7 Jahre her und ich habe mich nicht unter Kontrolle. Ich habe heute Clémence verletzt, nur weil ich mich nicht kontrollieren konnte. Das wird NIE wieder vorkommen. Nie wieder. Es fühlt sich so an, als würde mein Herz reißen. Ich habe es in der Sekunde bereut als ich sie geschubst habe und konnte überhaupt nicht glauben, dass ich das wirklich gemacht habe. Mit einer Wut auf mich selber habe ich die Tür zugeknallt. Nicht, weil ich wütend auf sie war. Aber ich hätte sie auch nicht ansehen können. Wie denn auch. Ihre Augen. Ihre wunderschönen Augen, die mich mit Tränen angeschaut hätten. Das hätte mich noch mehr zerrissen. Ich schließe meine Augen. Aber ich kann nicht schlafen. Es geht mir einfach nicht aus dem Kopf. Mein Handy blinkt auf und ich greife danach. Eine Nachricht.

?: Behandelt man eine Frau so? Wirklich nicht nett, sie hätte es bei mir deutlich einfacher. Okay, nein, hätte sie nicht. 

Scheiß wixxer.

Enric: Ich weiß nicht, wer du bist, aber bete lieber, dass ich dich nicht finde. Weil wenn ich dich finde, werde ich dich Stunden lang foltern, bis du mich anbettelst dich umzubringen.
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17.10.2016?
Was wohl passiert ist?
Was denkt ihr?

Ich bekomme in letzter Zeit nicht so viele votes und das nimmt mir die Motivation zu schreiben. Ihr müsst natürlich auch nicht voten, wenn ihr das Kapitel langweilig findet. Aber ich denke, dass es viele Leute gibt, die einfach nicht voten und das finde ich sehr schade, weil man sich echt Mühe gibt.
🤍🤍

CLÉMENCE DIONWo Geschichten leben. Entdecke jetzt