KAPITEL 1| »DU WIRST MICH HEIRATEN!«

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CLÉMENCE

»BLEIB STEHEN!«, brüllt die Stimme hinter mir »Bleib du doch stehen, Arschloch.« schreie ich nach hinten und renne schneller. Die scheiß Cops. Immer wieder werde ich erwischt, beim Klauen, aber in die Finger bekommen die mich nicht. Ich renne nach links, ohne nachzudenken, eine dunkle Gasse. Ich renne rein. Noch mal nach links. Eine Leiter steht an der Wand gelehnt, ich renne auf sie zu. Mein Blick huscht einmal nach oben und dann nach unten. Ich muss schnell sein. Ich mache den ersten Schritt nach oben und werde immer schneller. Die Stimmen kann man schon hören. Das wird knapp. Die letzte Stufe. Und ich bin oben. Aua, scheiße, ich bin hingeflogen. Genau als ich mich wieder aufrichten will, höre ich Stimmen. Bitte nicht hier hoch, bitte bitte bitte. »Wo ist Sie?« »Keine Ahnung, lass da lang.« Ich höre, dass sie weiterrennen. Perfekt immer weiter, da lang ihr Arschlöcher. Als ich mir sicher bin, dass sie weg sind, klettere ich die Stufen wieder runter. Das Tuch, das an meinem Handgelenk ist, nehme ich ab und binde es mir ums Gesicht. Man sieht nur noch meine Augen. Ich hoffe, man erkennt mich nicht. Ich laufe den ganzen Weg wieder zurück. Als ich wieder bisschen gelaufen bin, nehme ich das Tuch ab. Ich laufe auf die alte Brücke zu, die vor mir ist. Ich komme immer hier her. Es fühlt sich einfach gut an, hier zu sein. Heute ist aber etwas anders, ganz anders. Ich schaue mich um, aber sehe niemanden. Es sind nur ein paar Autos, die vorbeifahren. Komisch. Ich atme tief ein und aus. Meine Familie, ich muss an meine Familie denken. Sie schlafen jetzt bestimmt alle schön gemütlich. Und ich, ich sitze auf einer alten Brücke, wo niemand ist. Wenn ich an die Nacht zurückdenke, wie ich von meinem eigenen Vater rausgeschmissen wurde, schießen mir warme Tränen in die Augen. Aber ich lasse gar nicht zu, dass sie mir runter kullern. Nie wieder werde ich seinetwegen weinen. Er verdient meine Tränen nicht. Ich atme wieder einmal tief ein und aus, bevor ich aufstehe und loslaufe. Ich will einfach nur noch nach Hause, na ja, wenn man das ein zu Hause nennen kann. Eine kaputte Bude mit Schimmel und Dreck. Und es wird nicht besser. Als ich ankomme, drücke ich die Tür mit Kraft nach hinten. Und dann geht sie schon auf. Ich mache die Tür wieder zu und laufe direkt auf mein Bett zu. Ich ziehe mir meine Schuhe aus und lege mich dann hin. Leider kann ich mich nicht umziehen, weil ich nur die Sachen, die ich anhabe, habe.

Die Sonne kitzelt mein Gesicht. Und ich öffne schwer meine Augen. Warum wird es so schnell hell, ich atme genervt ein und aus. Ich will weiterschlafen, aber das ist nicht mehr möglich, ich bin hellwach. Ich setze mich langsam hin und lege meinen Kopf in den Nacken, um nochmal tief durchzuatmen. Wie gerne ich jetzt arbeiten gehen würde. Viele würden das nicht verstehen, aber es ist einfach tot langweilig, wenn man nichts zu tun hat. Wenn ich jetzt Geld hätte, wäre ich shoppen gegangen. Eigentlich hasse ich shoppen, und habe es früher auch nicht so oft gemacht, aber irgendwie habe ich es vermisst mir neue und schöne Anziehsachen zu kaufen. Tja, ich kann es leider nicht. Manchmal bereue ich es, dass ich damals so viel scheiße gebaut habe. Jetzt wäre ich nicht hier. Ich erhebe mich von meinem unbequemen, Bett und Steuere zum Waschbecken. Da kommt natürlich kein Wasser raus. Ich nehme die Wasserflasche, die an der Seite steht in die Hand und kippe mir bisschen Wasser in die Hand. Damit wasche ich mein Gesicht. Das gleiche Wasser aus der Flasche benutze ich fürs Zähneputzen.

Nachdem ich mich frisch gemacht habe, bin ich direkt nach draußen gegangen. Ich habe Todes hunger, aber jetzt kann ich nicht klauen, die Geschäfte sind zu voll. Ich atme genervt ein und aus. Mit kleinen Schritten fange ich an zu laufen und gucke mir dabei die ganzen Menschen an, die glücklich durch die Straßen schlendern. Sie lachen alle und sehen gut aus, gepflegt, schöne Kleider und ein Lächeln im Gesicht. Alles sieht perfekt aus. Für mich ist es aber nicht, ich kann nicht lächeln, jeden Tag frage ich mich, ob ich irgendwann auch glücklich sein werde, werde ich glücklich sein? Es macht mir angst nicht zu wissen, ob ich in der Zukunft glücklich sein werde. Ich hoffe es mir jeden Tag, jeden einzelnen Tag. 

Mir wird schlecht und ein Stich geht durch meinen Kopf, ich senke meinen Kopf und kneife meine Augen zusammen. Und dann bekomme ich auch noch starke Bauchkrämpfe. »Scheiße, was ist los mit mir?«, das ist doch nicht normal. Ich schaue mich um und sehe eine Bank vor mir, ich laufe auf sie zu und setze mich dann hin. Die Bauchkrämpfe sind so schlimm, dass ich mich auf die Seite legen muss. Ich kann mich kein bisschen bewegen, ich will nach Hilfe rufen, aber ich kann nicht. Die Menschen schauen mir komisch ins Gesicht. Mir kommen die Tränen hoch von den ganzen Schmerzen, ich probiere meine Tränen zurückzuhalten, aber dann kann ich einfach nicht mehr und fange an zu weinen. Ich ziehe langsam meine Beine bis zu meiner Brust und wickel meine Arme um meine Beine. Nach einer Weile schließe ich meine Augen und höre nur noch kurz die Menschen, die an mir einfach vorbeilaufen und mich nicht beachten.    

Ich fühle etwas sehr bequemes und weiches unter mir. Es fühlt sich wie ein Traum an. Irgendwann öffne ich meine Augen und sehe mir ein fremdes Schlafzimmer, was riesig ist. Ich richte mich schnell hin und schaue verschlafen durch das Schlafzimmer. Erst nach ein paar Minuten merke ich, dass ich ein zu großes T-Shirt anhabe.

Als ich mein Kopf hebe, sehe ich zwei schwarze Türen und laufe auf die eine zu und mache sie auf. Als ich in den Raum rein Blicke sehe ein sehr modernes Badezimmer. Das Badezimmer ist komplett schwarz und hat eine sehr große Dusche und Badewanne. Das Badezimmer duftet nach Kirschblüten und Reismilch, weshalb ich auch etwas süßliches riechen kann. Es duftet so gut. Als ich fertig bin mit umschauen, drehe ich mich um und laufe wieder raus. Dieses mal laufe ich auf die andere Tür zu und mache sie auf. Als ich mein Kopf herausstrecke, sehe ich einen sehr langen Flur, ich kann nach links und nach rechts laufen. Vor mir ist eine riesige Treppe, die runter in die Dunkelheit führt. Ich entscheide mich nach unten zu laufen, ich will sehen, was da unten ist. Obwohl es dunkel ist, habe ich keine angst, mich nach unten zu bewegen. Es ist nicht wie in einem Horrorfilm, es ist anders. Es ist beruhigend. Als ich unten ankomme, sehe ich, dass ich wieder nach links oder nach rechts laufen kann. Weil von der rechten Seite Licht heraussticht, gehe ich da lang. Nach gefühlt einer Ewigkeit, geradeaus laufen muss ich wieder nach rechts laufen. Hier ist es schon viel heller und ich kann ohne Probleme geradeaus laufen. Ganz hinten sehe ich eine Schiebetür, die aus Glas besteht und halb offen steht. Ich weiß nicht, warum, aber ich werde nervöser, mein Herz fängt an schneller zu schlagen. Ich bekomme doch angst. Meine Hände fangen an zu zittern und zu schwitzen. Ich bleibe kurz stehen und hole tief Luft. Als ich mich dann bereit fühle, durch diese Glastür zu laufen, mache ich große Schritte nach vorne. An der Tür angekommen, schaue ich rein und sehe einen sehr breiten Mann. Er sitzt an der Kücheninsel und hat seine Augen geschlossen. Er hält seine Augenbrauen nach unten gezogen. Als wäre er genervt oder als hätte er Kopfschmerzen.

Als ich noch ein Schritt nach vorn mache, bemerkte er mich und öffnete seine Augen. Und als seine Augen auf meine treffen, vergesse ich kurz, wie man atmet. Noch nie in meinem Leben habe ich so wunderschöne grüne Augen gesehen. Die Außenseiten von seiner Iris ist von einem gelb bedeckt und verlaufen nach innen zu einem hellgrün. Ich muss ein paar Mal blinzeln, um wegzuschauen. Er bemerkt das und fängt an zu grinsen, was mich wütend macht. »Was grinst du so, du gorille?« »Du hast so geguckt, als hättest du noch nie einen Menschen gesehen, rosa.« (Übersetzung: Rose) »Ja, so einen wie dich habe ich noch nie gesehen.« sage ich zickig. »Wie mich?«, fragt er mich und hat sein Grinsen nicht verloren. »Ja, so einen hässlichen Menschen habe ich noch nie gesehen.« Jetzt bin ich die, die lächelt. Er schaut mich ernst an. Er schüchtert mich ein, aber ich zeige es ihm nicht. Ich zeige Menschen nicht gerne, dass sie mich einschüchtern. Er steht langsam auf und kommt auf mich zu. Vielleicht 3 oder 5 cm bleibt er vor mir stehen und schaut zu mir herunter. Ich merke erst jetzt, wie groß er ist. Obwohl ich nicht klein bin, fühle ich mich wie ein Zwerg neben ihm. »Wie groß bist du?«, frage ich ihn und er schaut mich belustigt an. »Das ist deine Frage an mich?« »Ja, das ist meine Frage an dich, gorille« Lächel ich ihn an und lege meim Kopf leicht zur Seite, damit ich süß wirke. Er atmet einmal tief ein und aus, was seine Brust noch mächtiger aussehen lässt. Und hätte ich gewusst, was als Nächstes kommt, hätte ich mich nie auf diese Bank gelegt. »Du wirst mich heiraten!«
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Ich bin einfach froh, dass ich es geschafft habe Kapitel 1 zu posten

CLÉMENCE DIONWo Geschichten leben. Entdecke jetzt