KAPITEL 14| AUSRASTER

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    ENRIC

Mein Herz bleibt stehen. Ich halte unbewusst meinen Atem an. Als Clémence mir in den Verstand kommt, eile ich die Treppen runter. Ich renne so schnell ich kann, obwohl ich mir nicht mal sicher bin, von wo der Schrei kam. Als Erstes schaue ich im Wohnzimmer nach, aber da finde ich niemanden. Dann höre ich Stimmen, die von der Küche kommen. Enzo taucht auch auf und schaut mich verwirrt an. »Hast du das gehört?« Ich nicke und renne in die Küche. Enzo folgt mir. Je näher wir kommen, desto lauter werden die Stimmen. Als wir in der Küche stehen, sehen wir, wie Clémence heißes Wasser über Stella gießt und sie außer Kontrolle anschreit. Stella schreit und weint. Clémence ist rot vor Wut und hat ebenfalls Tränen in den Augen. Ich renne auf Clémence zu und ziehe sie von Stella weg. Enzo geht zu Stella rüber und hält sie fest. Ich schlinge meine Arme um Clémence, damit sie nicht wegkommt. »Lass mich los, ich werde sie umbringen, Enric, lass los!« schreit Clémence und versucht sich aus meinem Griff zu lösen. Ich gehe mit Clémence aus der Küche, damit sie sich beruhigen kann. Als wir genug entfernt sind, lasse ich sie los und dränge sie an die Wand. Ich nehme ihr Gesicht in meine Hände und gebe ihr einen Kuss auf die Stirn. Ihr Gesicht ist nass und sie glüht. Sie legt ihr Gesicht seitlich auf meine Brust und schließt die Augen. Mit einer Hand drücke ich ihren Kopf mehr an mich und den anderen schlinge ich um sie. »Was hat sie gesagt, rosa?« frage ich sie leise. Sie schüttelt nur ihren Kopf und sagt nichts. Ich frage auch nicht mehr nach und drücke sie nur an mich, bis sie sich von selbst entfernt. Ich schaue sie an und sie schaut mich an. Ihre Tränen sind getrocknet.
»Beruhigt?« Sie nickt. Ich laufe ins Wohnzimmer um ihr ein Glas Wasser zu füllen. Ihre Schritte sind hinter mit zu hören. Ich nehme ein Glas welches auf dem Tisch steht und fülle es mit Wasser. Als ich mich wieder umdrehe steht sie nicht mehr hinter mir. Wo ist sie? »Enric!« höre ich Enzos Stimme die nach mir schreit.

Ich renne in die Küche, aber da finde ich sie nicht. Mir fällt auf, dass die Tür in der Küche, die nach draußen in den Garten führt, offen ist. Ich gehe da raus und schaue mich im Garten um. Ich sehe alle drei am Brunnen. Weil Enzo vor mir steht, kann ich nur sehen, dass Clémence und Stella näher am Brunnen sind. Ich kann aber nicht sehen, was sie machen. »Enzo?«, rufe ich nach meinem Bruder. Und als er sich zu mir umdreht, kann ich mehr erkennen. Clémence drückt Stellas Kopf unter Wasser. Stella schlägt mit ihren Händen herum, aber das verhindert Clémence nicht davon ab, sie noch weiter unter Wasser zu drücken. Ich renne auf die beiden zu, aber bevor ich die beiden erreiche, hält mich Enzo zurück. »Lass sie, was Stella zu ihr gesagt hat, hat sie sehr wütend gemacht. Man merkt es. Wenn du sie jetzt festhältst, wird sie noch wütender.« Ich höre auf ihn und lasse sie machen. Sie zieht Stellas Kopf paar mal hoch und drückt sie dann wieder unter Wasser. Stella hustet und weint, aber wir greifen nicht ein. Ich weiß nicht, was sie gesagt hat, aber es hat Clémence vor Wut blind werden lassen. Nach ein paar Minuten merke ich, dass Stella schwächer wird. Wenn sie stirbt, wird Clémence es bereuen. Sie sieht gerade nicht, wie weit sie geht. Weil ich nicht will, dass sie später darunter leidet, gehe ich auf sie zu und ziehe sie zu mir hoch. »Okay, das reicht, du bringst sie noch um, mi rosa, das willst du doch nicht. Beruhig dich« sage ich. Sie hört auf mich und geht nicht mehr auf Stella zu. »Mach es nicht. Wenn du willst, dass sie stirbt, dann überlasse es mir. Ich mache es für dich, du musst es nur sagen.« Sage ich sanft und bemerke, dass sie sich jetzt wirklich beruhigt.

Ich nehme ihre Hände in meine und schaue sie mir an. Ihre Hände sind rot. Als sie das heiße Wasser über Stella gekippt hat, hat sie es auch auf ihre eigenen Hände gekippt. Es sieht aber nicht so schlimm aus. Ich schaue zu Enzo und nicke dabei auf Stella. Er versteht mich und nickt mir zu. Ich gehe mit Clémence nach oben ins Badezimmer. Als wir im Badezimmer sind, halte ich ihre Hände unter kaltem Wasser. Sie schaut auf ihre Hände und verzieht dabei kein bisschen ihr Gesicht. »Ich bitte dich, wenn du jemandem was antun möchtest, dann pass auf dich auf. Schau dir mal deine Hände an«
sage ich sanft. »Es ist mir egal, es tut nicht mal weh.« »Noch nicht. Warte mal bis gleich ab.« Sie schaut mich kalt an. Was hat Stella zu ihr gesagt, dass sie so geworden ist? Ich nehme eine Creme vom Schrank, die für Verbrennungen ist. Die schmiere ich auf Clémences Hand. »Lass die 20 Minuten einwirken. Dann kannst du sie wieder abwaschen.« Sie nickt. »Warte in meinem Zimmer auf mich. Ich komme gleich.« Sie sagt nichts mehr und geht raus. Ich bewege mich nach unten, um Enzo und Stella zu finden.

ENZO

Ich packe Stella am Arm und stelle sie auf die Beine. Sie schaut mich ängstlich an. Ich ziehe sie mit nach drinnen. Im Wohnzimmer schubse ich sie auf das Sofa und stelle mich vor ihr. »Was hast du zu ihr gesagt, dass sie so ausgerastet ist? Sie war rot vor Wut« Frage ich sie laut. Sie zuckt zusammen und antwortet mir nicht. Ich knie mich hin und schaue sie an. Sie kann mir nicht in die Augen schauen. Sie weiß, dass ich wütend bin. »Ich habe nichts gesagt, sie ist einfach auf mich losgegangen.« antwortet sie mir, kann mir aber dabei nicht in die Augen schauen. Von ihrem Ton kann ich merken, dass sie lügt. »Und das heiße Wasser?« Ich kann erkennen, dass sie Tränen in den Augen bekommt. »Ich wollte Spaghetti kochen und es stand schon auf dem Herd, bevor sie kam. Es war schon vorgekocht.«
sagt sie zitternd. Ich bin mir sicher, dass sie lügt. Clémence würde nicht ohne Grund so ausrasten. Stella verheimlicht uns etwas. Sie kommt mir schon, seit Clémence hier eingezogen ist, komisch vor. Sie mag Clémence nicht. Und das, weil mein Bruder Clémence liebt. Sie weiß es ganz genau. Stella fasst sich ins Gesicht und zischt dabei auf. Ihr Gesicht sieht wirklich schrecklich aus. Sie ist komplett rot. Ich richte mich wieder auf und schaue von oben auf sie ab. Enric kommt rein und stellt sich neben mich. »Was hat sie gesagt?«
fragt er absichtlich laut, damit Stella es mitbekommt. »Dass Clémence einfach auf sie losgegangen ist und dass sie nichts gemacht hat«, antworte ich ihm und schaue dabei immer noch auf Stella. Sie weiß, dass wir wissen, dass sie gelogen hat. Auch mein Bruder schaut sie an. Sie wird nervös. Sie spielt mit ihren Fingern und klimpert oft mit ihren Fake-Wimpern. Plötzlich packt Enric sie an den Armen und zieht sie hoch. Stella zuckt heftig zusammen und fängt an, leise zu weinen. »Was hast du zu ihr gesagt, dass sie blind vor Wut war? Es kann nicht sein, dass sie einfach so ausgerastet ist. Was hast du gesagt?« Schreit er wütend. Stella weint heftiger. Enric lässt sie los. »Du erzählst uns jetzt alles und wenn du lügen solltest, bringe ich dich um« sagt Enric. Stella schaut zu mir und ich schaue sie fordernd zurück an. Sie senkt ihren Kopf und beginnt zu erzählen. »Ich habe gesagt, dass sie von keinem geliebt wird. Ich habe gesagt, dass sie ein Straßenmädchen ist. Dass du sie auch nie lieben würdest, weil sie auf der Straße gelebt hat. Man könnte sie nicht lieben, auch wenn man es wollen würde. Ich habe gesagt, dass sie eine Schlampe ist und jedem Mann die Beine bereit machen würde. Als ich ihre Eltern erwähnt habe, ist sie auf mich losgegangen, bevor ich überhaupt zu Ende sprechen konnte.« erzählt sie mit zittriger Stimme. Während sie erzählt, merke ich, dass mein Bruder immer wütender wird. Enric packt Stella am Arm und zieht sie mit sich. Ich folge ihm. Er macht die Tür auf und schubst Stella raus. Sie weint und schreit, dass er sie nicht rausschmeißen soll, »Enric, bitte schmeiß mich nicht raus, bitte, wo soll, ich hin, ich bitte dich, ich verspreche es dir, es kommt nicht mehr vor, bitte« »Du kannst froh sein, dass ich dich nur rausschmeiße und nicht umbringe, jetzt verpiss dich!« er knallt die Tür zu und atmet mehrmals tief ein. Ich laufe zu ihm und lege eine Hand auf seine Schulter. »Beruhig dich, sie ist weg, geh lieber hoch zu Clémence und bleib bei ihr, sie könnte dich brauchen« sage ich meinem Bruder, damit er sich beruhigt. Er nickt nur und geht dann hoch. Er ist sehr wütend geworden. Stella kann wirklich froh sein, dass sie noch lebt. Wenn mein Bruder wütend wird, ist er schwer aufzuhalten. Clémence tut mir leid. Ich weiß nicht, was damals vorgefallen ist, aber es belastet sie sehr. Das ist mir heute klar geworden—————

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CLÉMENCE DIONWo Geschichten leben. Entdecke jetzt