Kapitel II

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Es war noch sehr früh, fast noch morgens, aber ich bin schon sehr früh angereist, daher war es selbstverständlich, dass mein Körper meinen vergeigten Schlafrhythmus nun mit Müdigkeit bestrafte.

Eine Weile starrte ich nur an die Zimmerdecke, verfluchte mich innerlich dafür, tatsächlich eingeknickt und hierher gereist zu sein und gähnte mehrmals vor mich hin. Irgendwann gab ich automatisch nach und merkte, wie ich döste. Ich bekam alles um mich herum mit, aber gleichzeitig träumte ich Dinge, welche nicht bedeutend zu sein schienen und vergaß diese direkt wieder. Als plötzlich ein lautes Klopfen ertönte, riss ich meine Augen erschrocken auf. Das war kein Traum, das wusste ich! Es klopfte erneut an der Haustür und die Angst schlich sich in meine Gedanken. Wer konnte das nur sein, es war doch noch so früh?!

Ich erhob mich aus dem nicht mehr ganz so ordentlichen Bett und machte mich lauschend auf den Weg zur Türe.

Als ich die Treppen erreichte,vernahm ich eine weibliche Stimme, welche mittelstark rief: „Lynn? Bist du da?"

Etwas beruhigt, aber noch immer nervös aufgrund der Tatsache, dass ich diese Stimme nicht kannte, eilte ich nun die Treppen hinunter und öffnete dann sofort die Tür. Dort stand ein junges, hübsches Mädchen, welche ebenso erschrocken zu sein schien wie ich. „Hi, ähm ... Lynn ist zurzeit nicht da.", entgegnete ich ihr leise und lächelnd. „Wo ist sie denn? Und wer, wenn ich fragen darf, bist du? Bist du hier eingebrochen?", verlangte die Fremde zu wissen und ging einen oder zwei Schritte zurück. Sofort hob ich die Hände; „Nein, nein! Ich bin hier nicht eingebrochen! Lynn ist zu ihrem Freund gefahren, außerhalb der Stadt. Ich bin Sophie, ihre Freundin. Sie hat mir vorgeschlagen, hier zu verweilen, während sie weg ist. Ich bin vorhin erst angekommen."

Mein Gegenüber musterte mich ein wenig, nickte dann aber etwas misstrauisch. „Aha, wann kommt sie wieder?" „Ich weiß nicht, auf jeden Fall irgendwann in der ersten Woche des Novembers. Das genaue Datum ist mir entfallen, entschuldige.", gab ich zurück. Nun erntete ich endlich ein leichtes Lächeln von ihr. „Ist schon in Ordnung, tut mir leid, dass ich so vorlaut war. Hast jetzt bestimmt ein komisches Bild von mir, nicht war?" Nun kam sie wieder etwas näher. „Ich bin Laurie. Eine Bekannte von Lynn.", stellte sie sich freundlich vor und reichte mir ihre Hand, welche ich selbstverständlich nahm und kurz schüttelte. „Sophie. Freut mich. Kann ich dir denn irgendwie helfen?" Laurie schien kurz zu überlegen. „Na ja, ich spiele nachher die Babysitterin eines Jungen. Wir wollen einen Kürbis schnitzen und ich weiß, dass Lynn das sehr gut kann, deshalb wollte ich sie fragen, ob sie nachher rüber kommen und uns dabei helfen möchte." Ich nickte. „Ach so, verstehe. Sorry, ich bin leider nicht Lynn, ich kann dir da also nicht weiterhelfen ..." Sie sah mich nur an. „Aber wenn du willst, also nur wenn du wirklich willst, kannst du ja trotzdem kommen. Mein Schützling heißt Tommy, er ist acht und wirklich lieb! Dann wäre ich nicht so alleine mit ihm und du kannst mir ein wenig von dir erzählen, falls du Lust hast." Darüber musste ich mir nun erst einmal kurz Gedanken machen. Ich sah nach unten, dann wieder in ihr strahlendes Gesicht, in welchem ich, so hätte ich schwören können, auch einen Hauch von Flehen erblickte. Dann willigte ich ein. „Meinetwegen. Ich habe ja sowieso nichts zu tun und ich kann Halloween überhaupt nicht ausstehen. Alleine das Wort bereitet mir schon Übelkeit." Laurie lachte kurz auf, freute sich und gab mir die Adresse des Jungen sowie eine Wegbeschreibung und Uhrzeit. „Ich freue mich. Aber jetzt muss ich wirklich zur Schule! Wir sehen uns dann nachher, wir machen da Popcorn, ja?", rief sie den letzten Teil, auf welchen ich nicht mehr wirklich antworten konnte, da sie sich bereits zu weit weg bewegt hat. Schule? Dieses Mädchen ging noch zur Schule? Herrje, sie sah so alt aus wie ich, dabei war ich schon 21! Ich grinste ein wenig und schloss hinter mir die Tür. Dass ich selbst noch nie in meinem Leben einen Kürbis bearbeitet, geschweige denn überhaupt in meinen Händen hielt, brauchte ich Laurie ja jetzt noch nicht unbedingt mitzuteilen.

Auf dem Weg in die Küche blieb ich abrupt stehen. Was sollte ich jetzt tun? Musste ich irgendetwas mitbringen zu solch einer "Verabredung"? Ich sah mich kurz um, entdeckte allerdings nichts, was mich auf eine Idee hätte bringen können. Kaufen konnte ich auch nichts, denn ich wusste ja nicht was. Ich durfte ja auch nicht einfach Lynns Schränke und Schubladen durchsuchen und dort etwas herausnehmen, schließlich war es ja noch immer ihr Haus, nicht meines. Oder? Sie lud mich doch dazu ein, mich bei ihr einzurichten und mich wie zu Hause zu fühlen ... Also entschied ich mich dazu, die Tafel Schokolade aus dem Kühlschrank, den Schokoriegel aus dem Süßigkeitenschrank sowie die Fruchtbonbons vom Esstisch zu nehmen und diesen Süßkram in meine Handtasche zu stopfen. Ich konnte es nie leiden, mit leeren Händen dazustehen.

Anschließend begab ich mich wieder ins Schlafzimmer und schloss ein weiteres Mal meine Augen, hoffend, rechtzeitig zum Nachmittag aufzuwachen, um mich selbst noch einigermaßen auf Vordermann bringen zu können.

The Night He Came Home [Michael Myers FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt