Kapitel XI

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Nach einer Weile hob er auf einmal langsam seine andere Hand und führte sie zu mir, doch noch bevor ich herausfinden konnte, was er vorhatte, zog mich etwas wie aus dem Nichts an den Beinen runter auf den Boden. Ich stöhnte kurz auf, ich lag nun da, wo Laurie eben noch gelegen hatte – sie hingegen stand nun da, wo ich eben stand.

Sie hatte sich eine kleine Tischlampe gegriffen und diese über seinem Kopf zerdeppert. „Weg hier, Sophie!", brüllte sie, während sie Michael den nächsten Schaden zufügte.

Dies ließ ich mir kein zweites Mal sagen, so kroch ich an den beiden vorbei. Und als ich an der Zimmertür ankam, die Hoffnung aufs Entkommen zum Greifen nah war, schrie meine Mitstreiterin plötzlich lauter auf als zuvor. Augenblicklich drehte ich mich in ihre Richtung um ... und alles, woran ich mich erinnern kann, ist das gigantische Messer, tief in ihren Bauch gestoßen.

Ich konnte die ersten Bluttropfen auf den Teppichboden fallen sehen und sag dann nur noch in die weit aufgerissenen, verängstigten Augen von Laurie, bis die Waffe aus ihrem Bauch gezogen wurde und in Blut getränkt wieder zum Vorschein kam. Daraufhin sah ich nur noch, wie Laurie irgendeinen Satz mit ihren Lippen formte und dann mit einem leisen Knall zu Boden fiel. Und nun war ich an der Reihe zu schreien. Alles, was ich wollte, war zu ihr zu rennen, sie in die Arme zu nehmen und ihr zu sagen, dass alles wieder gut wird, doch ihre offenen, leblosen Augen, welche nur noch einen Punkt im Raum fokussierten und die Tatsache, dass Michael Myers nun mich im Visier hatte, veranlasste mich dazu, geschwind aufzuspringen und den Gang entlang zu rennen. Ich wusste, ich musste aus dem Haus raus, doch es gab nur eine Möglichkeit: die Treppe. Ich musste die Treppe hinunterrennen.

Fast, wirklich fast hatte ich es geschafft. Ich hatte schon die Hälfe dieser mir nun verhassten Treppe hinter mich gebracht, leider nur kam ich aufgrund der Hand an meinem Arm nicht mehr weiter.

Unsanft wurde ich zurückgezogen, also drehte ich mich aus Reflex um und sah, wie schon zu oft in dieser verfluchten Nacht, auf diese weiße, befremdliche Maske vor mir.

Doch wieder starrte er nur. Sicher wäre das einfache Erstechen für mich schmerzloser gewesen als dieses ständige Betrachten - und diesmal ließ ich es ihn auch spüren: „Tu es doch endlich, verdammt! Bring mich endlich um, aber hör auf mit diesem scheiß Spiel!"

Aber nichts. Er schwieg, atmete und glotzte mich an. Also versuchte ich es anders: „Michael, bitte ..." 

 Was dann allerdings geschah, hatte ich nicht kommen sehen: er ließ mich los. Und er ließ mich nicht nur los, er senkte sein Messer und stellte sich ganz normal hin, noch immer zu mir gewandt.

Leicht verwirrt analysierte ich ihn nun. Was wollte er? Hier bloß zu stehen war gefährlich, aber er schien mir nichts tun zu wollen. Es ist bestimmt nur für den Moment! Sobald du am wenigsten damit rechnest, bringt er dich um! Er hat Laurie getötet! 

Sobald meine Gedanken zu Laurie glitten, wurde mein Herz schwer und meine Gefühle spielten verrückt. Wie konnte es sein, dass ein Teil in mir sich darüber freute, ihn wiederzusehen, während viele andere Teile in mir dies nicht taten und mir befahlen, nun endlich das Weite zu suchen? Es war ein innerer Konflikt, den ich still austrug, so bemerkte ich gar nicht, wie meine Hand von alleine in die Richtung seiner Wange wanderte. Als ich diese schlussendlich sogar kurz berührte, schien er sich wieder zu fassen und schubste mich mit seiner freien Hand die Treppe herunter, ganz so, als wäre das ein Klacks für ihn. Unten angekommen, hatte ich jegliche Chance auf weiteres Wehren verloren, mir tat in diesem Moment einfach nur noch alles weh. Kurz bevor mir schwarz vor Augen wurde, sah ich noch mit an, wie Michael  seelenruhig die Treppe hinunter spazierte und sich vor mir hinhockte. Dann war ich weg und driftete wahrscheinlich kurz in eine ganz andere Welt ab.

 Ich erwachte nur für wenige Sekunden aus meinem erzwungenen Schlaf, ahnungslos, wo ich mich befand, wie spät es war, welcher Tag es überhaupt war. Das einzige, was ich mitbekam, war das Schaukeln um mich herum und wie ich getragen wurde. Irgendjemand trug mich über seiner Schulter, die einzige Halterung war seine Hand, etwas unter meinem Rücken, etwa um meinen Lendenbereich.

Die Person musste ausgesprochen stark sein, wenn sie mich über ihre Schulter legen und mit einer Hand an Ort und Stelle halten konnte, während meine Arme über seinem Rücken in Richtung des Bodens hingen und leicht durch seine großen Schritte schaukelten. Nur den feuchten, harten Straßenboden sah ich, während ich mich nicht selbst bewegen musste, um voran zu kommen. Und noch bevor ich mir genauere Gedanken zu meinem Träger machen konnte, überkamen mich plötzliche Kopfschmerzen und Schwäche, sodass ich wieder meine Augen schloss und nicht mehr ansprechbar war.

Meine Augen öffneten sich das nächste Mal, als ich von lauten Sirenen geweckt wurde. Martinshorn!  

Ich dachte, ich würde nun gerettet werden, so setzte ich mich aufrecht hin und realisierte, dass ich mich an einem Ort befand, den ich nicht identifizieren konnte.

Auf einem kalten Holzboden hatte mich jemand abgelegt. Augenblicklich sah ich mich um, ließ meinen Blick jede Ecke in diesem mir unbekannten Raum erforschen und stellte erleichtert fest, dass ich alleine gelassen worden war.

Langsam erhob ich mich mit einem pochenden Kopf, der mir von all meinen Verletzungen am meisten schmerzte. Reflexartig schoss meine Hand zum Kopf und hielt diesen fest. Einmal kniff ich noch meine Augen für wenige Sekunden zusammen, bis ich mich dann schließlich dazu entschied, dieses Haus, welches ich beim besten Willen nicht kannte, zu verlassen und einfach dem Geräusch der Sirenen zu folgen.

Es war zwar sehr dunkel, das Mondlicht jedoch, welches durch die vielen Fenster schien,half mir dabei, nicht allzu oft gegen etwas zu laufen, zumal mir wirklich schwindelig war.

Ich stellte beim Verlassen des Raumes fest, dass es nicht sonderlich viele Möbel zu geben schien, dafür aber ein undefinierbarer Gestank. Aus welcher Richtung dieser kam, konnte ich nicht genau sagen, doch ich betete nur, dass es nichts war, was wir gefährlich werden könnte.

Es lag ein mittellanger Gang vor mir, welchen ich entlang gehen musste, um die eben entdeckte Treppe nach unten erreichen zu können.

The Night He Came Home [Michael Myers FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt