Kapitel VIII

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Ich wimmerte, schaffte es endlich, mich zu erheben und loszulaufen, doch so dumm wie ich nun einmal war, trat ich mit meinen nicht besonders dicken Schuhsohlen genau in die spitzesten Scherben der verdammten Porzellandose. „Scheiße!", kreischte ich, daraus folgte ein lauteres „Hilfe!". Ich stand still, ich merkte bei Auftreten, dass ich schnelles Laufen mit dieser Fußverletzung vergessen konnte. Und als ich dann auch noch die Gestalt neben mir sah, wusste ich, dass es nun aus war. Ich würde nun sterben.

Neben einem plötzlichen Schmerz in meinem rechten Arm, nahm ich außerdem noch mein eigenes Schreien vor Schmerzen wahr.

Meine Jacke, welche doch eigentlich so gut gepolstert war, hatte zwar das Wesentlichste aufgehalten, doch ein mittellanger Schnitt zierte dennoch nun meinen Arm.

Wie in Trance machten sich meine Beine endlich selbstständig und brachten mich von diesem Fleck weg.

Ich schüttelte ihn ein wenig ab, doch er schien nicht vorzuhaben, mich davonkommen zu lassen. Also tat ich das, was ich eigentlich vermeiden wollte: ich klopfte an einem zufälligen Haus und bat um Hilfe. Wie erwartet öffnete keiner, die Lichter waren auch aus. „Bitte!" weinte ich.

Ich stützte mich gegen die Hauswand, doch als ich wieder diese Silhouette sah, rannte ich weiter, bis auf die beleuchtete Straße, welche ich noch ein ganzes Stück hätte entlanglaufen müssen, um wieder bei Laurie und Tommy zu sein. An sich war der Weg vielleicht nicht so besonders weit, in meinem Zustand war es allerdings schon. Ich stand also auf der Straße, entschlossen dazu, in die entgegengesetzte Richtung zu laufen, als ich bemerkte, dass der Umriss der Person verschwunden war. Zu sagen, dass ich Angst hatte, wäre maßlos untertrieben gewesen.

Schwer atmend sah ich mich nach allen Richtungen um, doch er war verschwunden. Hatte er etwa schon aufgegeben?

Hier stehen zu bleiben wäre unklug gewesen, also machte ich mich nun doch auf den Weg zu Laurie. Ich lief kaum noch, ich joggte eher die Straße entlang. Alles schien gut zu laufen, bis hinter einem der zig Bäume am Straßenrand auf einmal jemand hervorkam, der mich direkt am Hals packte. Sofort würgte ich und versuchte zu schreien, doch ich bekam keine Luft. Und nun konnte ich meinen Peiniger sehen, direkt neben uns hatte eine Straßenlaterne ihren Platz.

Der Mann, welcher wirklich ein Mann zu sein schien, trug, und das war am auffälligsten, eine weiße Maske mit orange-braunen Haaren darauf. So ganz genau war es in diesem Moment nicht zu erkennen. Und ich konnte, obwohl sie für die Augen große Löcher hatte, nicht einmal ansatzweise seine Augen erkennen, Es war vermutlich einfach zu dunkel, aber es sah so aus, als hätte er schlicht weg keine. Für ein paar Millisekunden fiel mein Blick auch auf seinen blauen Overall, bis ich dann wieder das Messer sah – nun aber in der linken, gesenkten Hand. 

 Ich schrie nicht mehr, ich zappelte nicht mehr, denn jede Bewegung kostete mich Kraft, Kraft, die ich nicht mehr hatte. Ich sah dem Jemand einfach nur in seine versteckten Augen und betete innerlich, dass er mir den Genickbruch nicht zu schmerzvoll gestaltete, doch er tat nichts. Ich hörte ihn laut atmen, es klang nicht normal, aber er trug ja auch eine Maske. Dann jedoch wurde mir erneut schlecht, diesmal wegen eines Gedankens, den ich dafür verfluchte, in meinen Kopf geraten zu sein: War dieser Mann, der mich gerade anstarrte, der seinen Kopf leicht schief legte und mich somit wahrscheinlich betrachtete, Michael gewesen? War er der Michael, dem mein Kindheitsherz gehört hatte, der Michael, der nun „nach Hause" gekommen war?

Mein Herz, welches zu schmerzen und pochen begann, befahl meinen Muskeln, dass sie sich lockern sollten – das taten sie. Auch, wenn mein Ego sagte, ich könne gegen diesen Mann gewinnen, erlangte die Vernunft die Überhand und machte mir klar, dass ich, selbst wenn "Michael" mich nun umbrachte, ich keine Chance hatte. So oder so war ich ihm nun ausgeliefert. Also konnten wir uns ruhig ein wenig begutachten ...

Wer hätte aber gedacht, dass die Luft zwischen uns so unfassbar dünn werden würde? Und wer hätte gedacht, dass mich fremdes Atmen allein schon so fertig machen könnte?

Ich kam mir überaus jämmerlich und erbärmlich vor, während ich da so stand, seine kräftige Hand um meinen Hals, meine Hände auf der seinen. Die Verkrampfung in vieler meiner Muskeln löste sich allmählich und der Fluchtplan in meinem Kopf wurde von all den wiederkehrenden Fragen verdrängt.

Es fiel mir unfassbar schwer, aber ich traute mich, seinen Namen zu sagen. Wobei, es war eher ein undefinierbarer Laut, welcher meine Kehle verließ, immerhin umklammerte da noch etwas meinen Hals.  Mehr als nur überrascht spürte ich, wie sein Griff lockerer wurde – auch, wenn es nur ein ganz kleines Bisschen war. „Michael?", wiederholte ich, nun endlich hörbar.

Sein kräftiges und gleichmäßiges Atmet stockte einmal und wurde kurz eher zu einem Zischen. Es war einfach ... schwer definierbar. Ich jedoch hatte meine Antwort nun, auch wenn ich sie verbal nicht von ihm bekam. Und umso mehr entsetzte es mich, dass ich anstatt dem puren Hass, der absoluten Furcht, eher einen Hauch von Erleichterung und Wiedersehensfreude verspürte. Ich würde nicht behaupten, die positiven Emotionen hätten die Negativen vernichtet, doch sie waren nun deutlich spürbarer geworden. Es fühlte sich so an, als würde ich einen alten Bekannten, einen alten Freund wiedersehen. Als könnten wir da weitermachen, wo wir damals aufgehört hatten – nur so war es ganz und gar nicht. Es war viel komplizierter. Aber auch er schien verwirrt. Nicht, dass es verwunderlich für ihn war ...  

The Night He Came Home [Michael Myers FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt