Kapitel XIV

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Doktor Loomis hatte mich noch in der Halloween-Nacht abgefangen, bevor ich zu Lynns Haus zurückkehren konnte. Er stellte mir irgendwelche Fragen zu Michael, was er getan hatte, ob er mit mir sprach, ob mir irgendetwas Besonderes an ihm aufgefallen war und so weiter. Ich verneinte jedoch und sagte ihm, er solle mich verdammt nochmal aus diesr Sache raus halten.

Es war kein Wunder, dass ich in dieser Nacht kein Auge zumachen konnte. Auf der einen Seite habe ich mächtige Verluste gemacht, aber auf der anderen Seite einen ganz kleinen Gewinn: Michael. Nun, insofern man ihn einen "Gewinn" nennen konnte ...

1. November 1978 ...

Ich betete am nächsten Morgen, dass Lynn endlich wiederkam, damit ich endlich wieder nach Hause konnte. Nun hielt mich nichts mehr in Haddonfield. Nichts, außer ein angeblicher Serienmörder, von dem ich nicht einmal weiß, was der Grund dafür war, mich zu verschonen. Ich kapierte einfach nicht, weshalb er mich in sein altes Haus brachte, anstatt umzubringen. Sah er mich als etwas Besonderes an? Etwa weil wir uns kanten? Weil er mich nicht vergessen hatte?

Die vergangene Nacht ging mir einfach nicht aus dem Kopf, ständig hörte ich stummes Schreien, welches mich zu Michaels Haus locken wollte. Doch ich schaffte es einfach nicht, das Haus, geschweige denn das Bett zu verlassen – zumindest nicht tagsüber.

 Mir war bewusst, wie leer die Straßen wurden, sobald die Sonne sich verabschiedete und Platz für den Mond machte.

Und eben genau diese Leere, diese Abwesenheit der ganzen Leute war das, was ich brauchte. Mir war klar, wenn ich heute Nacht dorthin gehe, dass ich Michael nicht finden würde. Er wäre nicht so dumm, wieder dort aufzutauchen. Vermutlich war er längst über alle Berge und hatte nicht vor, zurückzukehren.

Als die Nacht endlich einkehrte, die meisten Personen sich wohl gerade bettfertig machten, zog ich mich erst an, aß einen Bissen und machte mich so unauffällig wie möglich auf den Weg zum Myers-Haus. Wirklich viel hatte ich nicht im Gepäck, nur eine Taschenlampe, etwas zum Snacken, einen Notfallkoffer, und Pfefferspray. Man konnte ja nie sicher genug gehen ...

In dem Augenblick, als ich das alte Haus erreichte, überkam mich doch die Nervosität. Dennoch hielt mich nichts auf und ich ging rein. Unfassbar, dass niemand dieses Haus unzugänglich machte! Mieten wollte es noch ohnehin niemand mehr! Aber was, wenn ich es mieten würde?, fragte ich mich kurz, doch ich schüttelte diesen Gedanken wieder ab. Unfug! Niemals würde ich hier einziehen, in keines der Häuser, solange sie in Haddonfield standen!

Hinter mir schloss ich die Haustür und schaltete die Taschenlampe ein, bemüht, dessen Licht von den Fenstern fernzuhalten.  Die Treppen hinaufsteigend, wartete ich auf den bekannten, miesen Geruch, doch ich nahm ihn deutlich weniger wahr als gestern noch.

Als ich diesem Mysterium auf den Grund gehen wollte, erhielt ich schnell eine Antwort: der Hund war weg. Irgendjemand hatte den toten Hund entfernt oder entfernen lassen, ich persönlich tippte auf Loomis und die Polizei. Nicht, dass ich mich darüber hätte beschweren wollen oder so!

Mit der Taschenlampe leuchtete ich ein wenig herum. Ich sah, dass wirklich viele Möbel fehlen mussten, den so viele leere Wände und Ecken waren doch unüblich. Wahrscheinlich ließen über die Zeit viele Einbrecher oder neugierige Diebe Sachen mitgehen. Hier und da waren eingerissene Wände, manchmal fehlten Teile von Tapeten, sinnfreie Texte und Slogans wurden in die Ecken gekritzelt. Wirklich kein Haus, wo man noch gerne wohnen wollen würde ...

Ein Zimmer nach dem anderen erforschte ich, unwissend, was ich überhaupt hoffte zu finden. Ich hoffte wohl einfach nur etwas zu finden.

Und auch die Schubladen ließ ich nicht in Ruhe. In diesen kramte ich, wenn denn noch etwas darin zu finden war. Und tatsächlich, in einer fand ich eine Holzkiste, welche leider schon geleert wurde. Frustriert nahm ich sie dennoch genauer unter die Lupe und las Judith. Eine Gänsehaut bildete sich überall. Da mussten wohl ein paar Andenken von Judith, Michaels Schwester aufbewahrt worden sein, nachdem Michael sie getötet hat. Zumindest vermutete ich das.

Ich hatte vor, die eben entdeckte Kiste zurückzulegen und weiterzusuchen, jedoch wurde mir von hinten eine Hand auf den Mund gepresst und die andere Hand drückte – nein, erdrückte meine Schulter.

Erschrocken rang ich nach Luft und ließ die Kiste zu Boden fallen, als ich aber die Aussichtslosigkeit dieser Situation erkannte, beschloss ich, ruhig zu bleiben und die Kooperative zu spielen. Meine Anspannungen lösten sich zwanghaft allmählich und ich stand einfach abwartend da.

Dann hörte ich es, das mir sehr gut bekannte Atmen. Aber ... das konnte doch gar nicht sein, oder?!

Langsam machte ich die Anstalten, mich umdrehen zu wollen und wahrhaftig wurden die Griffe lockerer.

„Michael!", sprach ich so laut, dass es kein Flüstern mehr war. Ich wünschte mir innerlich so sehr in diesem Moment, dass er keine Maske trug, damit ich seinen Blick gerade sehen konnte. Ich wollte einfach sehen, ob er genauso überrascht war wie ich.

Seine Hände berührten mich nicht mehr, diese ließ er einfach an den Seiten herunterhängen.

„Du hättest beim besten Willen nicht nochmal hierherkommen sollen! Was, wenn die dich finden?" Dass ich keine Antwort erhalten würde, war mir durchaus bewusst.

„Ehrlich, du musst gehen. Komm nie wieder zurück, wenn es sein muss. Aber hier ist es einfach nicht sicher. Für dich und die Bewohner von Haddonfield.", erklärte ich den letzten Teil etwas vorwurfsvoll, als mir Laurie in den Sinn kam.

Michael reagierte nicht, er sah mich nur stur an.

Da ich mir das Ergebnis dieses Monologs bereits vorstellen konnte, bewegte ich mich an ihm vorbei, innerlich hoffend, er würde jetzt kein Messer zücken und mich von hinten kaltmachen.  

The Night He Came Home [Michael Myers FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt