Kapitel XII

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Ohne weitere Zeit zu verlieren taumelte ich meinen ausgewählten Weg entlang und kam an ein paar weiteren Zimmern vorbei, der grässliche Geruch immer stärker werdend. Als ich schließlich das vorletzte Zimmer erreichte, sah ich die Tür offenstehen, dies verleitete mich dazu, diese noch weiter zu öffnen und den vermeintlichen Übeltäter für den Gestank zu entdecken. Ein unfassbares Grauen durchfuhr ich, als ich die Quelle fand, welche sich als ein toter Hund herausstellte. Und beim besten Willen, der Hund sah überhaupt nicht mehr gut aus, es war auf keinen Fall ein natürlicher Tod, der ihn ereilte. Es sah ganz so aus, als ...

Ich stolperte zurück und knallte gegen eine Wand, „Scheiße!", fluchte ich leise. Der Hund sah so aus, als hätte man ihn erst verletzt und dann angefangen zu essen!

Ich bewegte mich zitternd zur Tür, meine Augen stets auf den Leichnam vor mir gerichtet.

Mit eiskalten Händen drückte ich mich rückwärts gegen die Tür, um weiteren Abstand zwischen dem Hund und mich zu bringen, allerdings ... schien es so, als befände etwas hinter der Tür, da diese sich kein Stückchen nach hinten bewegte.

Verwirrt schaffte ich es, aus dem paralysierten Zustand zu entkommen und riss die Tür in meine Richtung, um einen Blick dahinter werfen zu können.

Kaum hatte ich dies getan, sprang mir jemand entgegen und legte beide Hände um meinen Hals, während er mich gegen die Wand drückte, gegen welche ich zuvor noch vor Schreck geknallt war. Ich röchelte, hatte vorher keine Möglichkeit mehr gehabt, einen Atemzug nehmen zu können. Die Sirenen waren längst verstummt, meine Hoffnung aufgebraucht. Auch meine Schmerzen spürte ich in diesem Moment nicht mehr.

Die Mühe zu sprechen machte ich mir nicht, stattdessen versuchte ich bloß, Michael anzusehen. Er musste mich hierher gebracht haben, wo auch immer wir waren.

Dass der ermordete Hund sich noch immer mit uns beiden im Zimmer befand, vergaß ich. Nun gab es nur noch Michael, die Stille, den letzten Sauerstoffrest in meiner Lunge und mich.

Ich wehrte mich nicht, dazu war ich psychisch sowie physisch nicht in der Lage. Ob Michael so laut atmete, weil er außer Atem war, oder ob es nun daran lag, dass ihn der nächste Mord so erregte, erschloss sich mir nicht.

Hingegen meiner Erwartungen ließ er mich los und beobachtete mich aufmerksam. Dieses Szenario Situation wiederholte sich! Wollte er mir nichts tun? Oder mochte er es, mit mir zu spielen wie eine Katze mit einer Maus spielt, bevor sie diese frisst?

„Tu es endlich!", forderte ich ihn leise auf. Das Gefühl, nichts mehr zu haben, was ich verlieren könnte, breitete sich rasant in mir aus.

Michael tat nichts, er kam lediglich ein wenig näher und verdünnte unabsichtlich die Luft zwischen uns beiden weiter. Plötzlich schossen mir wieder die Bilder des toten Hundes und der toten Laurie durch den Kopf. „Du bist krank! Du warst es immer und du wirst es immer sein!"

Hervorragend, ich hatte noch keine Zeit dazu gehabt, mein Testament zu verfassen ... und nun müssten die Leute wohl ohne ein Erbe nach meinem Ableben klarkommen. Nicht, dass ich irgendetwas wirklich gehabt hätte.  

Es folgte keine Reaktion seinerseits, was ich absolut nicht verstehen konnte. „Michael, ich kann dir jetzt nicht mehr helfen! Früher habe ich es versucht, aber jetzt kann dir nur noch Doktor Loomis helfen!" Ich kannte Samuel Loomis, er hatte es sich damals direkt zur Aufgabe gemacht, Michael zu seinem Patienten zu erklären. Er gab sich wirklich Mühe mit Michael, doch offensichtlich haben seine Methoden, welche diese auch gewesen sein mögen, nicht gefruchtet.

Es entging mir natürlich nicht, dass mein Gegenüber bei der Erwähnung des Namens auf der Stelle verkrampfte und seine Hände zu Fäusten ballte. Eine Weile betrachtete ich ihn und tatsächlich kam in mir Mitleid hoch. Mutig stellte ich mich aufrecht hin, die Kopfschmerzen wieder spürend, und kam ihm ein kleines Bisschen näher. Im Grunde war er so bemitleidenswert gewesen, doch ihn zu hassen war nachvollziehbarer und einfacher.

„Es tut mir leid, du musst die Wahrheit akzeptieren. Du hättest niemals wieder ... nach Hause kommen sollen.", flüsterte ich nun. Sein eben gesenkter Kopf schnellte nun nach oben und ich spürte, dass er mich wohl gerade mit seinem Blick durchbohrte.

 Als nun Michael einen Schritt auf mich zuging, sorgte er dafür, dass ich von alleine wieder nach hinten taumelte und die verdammte, kalte Wand an meinem Rücken spürte.

Leicht beschämt senkte ich meinen Kopf – mir ist zuvor überhaupt nicht aufgefallen, wie groß er eigentlich war. Er überragte mich locker um eineinhalb Köpfe.

Schweigend standen wir voreinander, bis mein Gegenüber aus dem Nichts fest nach meinem Arm griff. Es tat weh, normalerweise hätte ich nun auch aufgeschrien, allerdings ging der Schrei auf halber Strecke irgendwo in meiner Kehle verloren.

Zaghaft ließ ich meinen Kopf wieder in die Höhe zurückkehren, um Michael anzusehen, der meinen Arm fast zerquetschte, so einen festen Griff hatte er.

„Ich ... Michael ...", begann ich zu schwafeln. Meine unbeholfene Art machte mich innerlich wütend. „Ich habe dich nie vergessen", versicherte ich ihm, „niemals."

Michael legte seinen Kopf ein ganz klein Wenig schief, fast kaum erkennbar. „Erkennst du mich?", wollte ich dann endlich die Gewissheit haben.

Mein Herz setzte einmal aus und rutschte mir anschließend in die Hose, als ich ein leichtes Nicken seinerseits wahrnahm.

Er hat mich nicht vergessen ...

 Ein Mix aus Freude und Furcht nahm mich ein und ließ mich dennoch kurz lächeln. Gern hätte ich seine Stimme gehört, nach 15 Jahren klang sie vermutlich ein wenig anders als damals, aber trotzdem hätte ich wahrscheinlich bedauerlicherweise keinen Unterschied feststellen, denn seine liebliche Stimme von damals hat ihren Klang in meinem Herzen und Gedächtnis verloren.

Seine plötzliche Bewegung riss mich aus meinen Gedanken – er hatte nun mit seiner anderen Hand meinen anderen Arm umfasst. Mit rasendem und stetig steigendem Puls blickte ich ihm entgegen. „Michael", fing ich an, konnte aber einfach nicht diesen Satz beenden. Und ich weiß auch nicht, was passiert wäre, wenn nicht wie aus dem Nichts die grellen Lichter der Polizeiautos vor dem Haus erschienen wären, die durch sämtliche Fenster schienen.

The Night He Came Home [Michael Myers FF]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt