44 - Ängste

88 12 2
                                    

Yoongis PoV

Stille. Schon seit fast 1 Stunde sitzen wir nun schon hier unten im Wohnzimmer und warten darauf etwas von Li Na oder Ji-ho zu hören. Aber nichts. Keiner kam herunter oder machte auch nur ein Geräusch. Jede einzelne Minute, die verstrich, fühlte sich an wie eine Ewigkeit.

Nicht ein Ton war von oben zu hören. Weder Geschrei noch Weinen. Es war alles totenstill. Die Jungs im Wohnzimmer sprachen auch kein Wort. Jeder von uns war angespannt.

Mit leerem Blick saß ich nur auf einem Sessel im Wohnzimmer, starrte Löcher in die Luft und krallte meine Finger in die Sessellehne. Anscheinend fiel den anderen meine Anspannung auf, denn die Stille wurde sogleich von jemandem unterbrochen.

„Alles in Ordnung mit dir Hyung?", fragte Jimin vorsichtig nach.

War ich in Ordnung? Nein, das war ich ganz und gar nicht. Wie konnte es mir nur gut gehen, wenn es meiner kleinen Schwester nur so schlecht ging all die Jahre. Und wo war ich? Ich hatte meinen Traum verfolgt und hatte sie nie besucht. Für sie musste das so aussehen, als hätte ich sie im Stich gelassen, oder?

Was war ich nur für ein großer Bruder? Während ich glücklich war mit den Jungs, litt sie die ganze Zeit. Auch wenn wir es auf unserem Weg nicht immer einfach hatten, wir sogar am Rande der Auflösung standen, ging es mir nicht so schlecht wie ihr. Ich hatte immerhin noch die Jungs, die für mich da waren, aber wen hatte sie? Seit zwei Jahren war sie schon mit ihrem Kummer alleine. Sie hatte zwar Halmeoni und den Psychiater, aber keinem von beiden hatte sie sich auch nur annähernd geöffnet. Jetzt war ich zwar hier und wollte ihr helfen. Aber ich hatte Angst, dass es eventuell schon zu spät dafür war.

Dann war da noch die Sache mit Ji-ho. Mich machte es fertig, dass Li Na sich in diesem Moment mit einem mir wildfremden Menschen in ihrem Zimmer befand.

Was machten die da oben so lange? Ob das wirklich so eine gute Idee war Ji-ho alleine nach oben zu lassen? Aber welche Wahl hatten wir denn? Mit uns redete sie ja nicht. Und mit Ji-ho, welcher neben Li Na fast die gesamte Geschichte kannte, hatten wir nun einmal die besten Karten etwas heraus zu finden.

Trotzdem machte ich mir Sorgen. Im Grunde kannten wir ihn ja gar nicht. Was hatte ich mir nur dabei gedacht? Und dann auch noch in ihrem Zimmer. Sie hätten auch im Wohnzimmer reden können, während wir verschwunden wären. Aber auf so eine Idee war ich ja nicht gekommen. Echt toll gemacht, Min Yoongi. Du hattest auch schon mal bessere Einfälle. Was wenn er ihr etwas antat? Das konnte ich mir nicht verzeihen.

„Hyung?", fragte Jimin nochmal nach, nachdem ich immer noch nicht auf seine Frage geantwortet hatte. Ich war so in meinen Gedanken vertieft, dass ich glatt vergessen hatte ihm zu antworten. So drehte ich meinen Kopf in seine Richtung und sah ihn mit einem ausdruckslosen Gesicht an, was ihn nervös schlucken ließ. Ich nickte kurz in seine Richtung und starrte kurz darauf wieder in die Leere. Daher merkte ich auch nicht wie sich die anderen Jungs besorgte Blicke zuwarfen.

„Bist du sicher das alles in Ordnung ist?", fragte Jin dieses Mal nach.

Innerlich stöhnte ich genervt. Konnten sie mich nicht in Ruhe lassen? Meine Gedanken waren schon schlimm genug, da konnte ich mich nicht auch noch mit diesem nervigen Kram auseinander setzen. Ich wusste, dass sie sich nur sorgten. Sie sahen Li Na genauso als Teil der Familie wie sie auch mich sahen. Mal abgesehen von Tae, welcher mehr in ihr sah, als der Rest. Aber trotzdem ich hatte nicht auch noch Lust mich mit einem Gespräch über meine eigenen Gefühle und Ängste auseinander zu setzen. Ich weinte nicht. Noch nie hatte ich vor den Jungs geweint, aber heute war ich haarscharf an der Grenze die Kontrolle über meine Gefühle zu verlieren. Es fiel mir schwer mich im Griff zu halten. Und sobald ich ihnen erzählen würde, was mir durch den Kopf ging, glaubte ich nicht dass ich mich selbst vor einem Nervenzusammenbruch bewahren konnte. Zu viel ging mir dafür durch den Kopf. Zu viel Schuld lastete auf meinen Schultern. Zu viel Sorgen machte ich mir um das Wohlergehen meiner kleinen Schwester.

Silent VoiceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt