Eine Stunde der vorgegebenen anderthalb gingen schneller um, als ich dachte und mir hätte vorstellen können. Doch als es dann auf die Zielgerade zuging, zogen sich die Minuten nur so hin wie Kaugummi. Die Sache mit dem Zeitgefühl war mir schon immer ein wenig suspekt gewesen. Wenn man sich auf etwas freute, verging die Zeit langsamer, als wenn man vor etwas Angst hatte oder man nervös war. Kopfschüttelnd und meinen Gedanken vertreiben wollend, drehte ich mich vom Kochtopf auf der Herdplatte vor mir weg und ging in das angrenzende, offene Wohnzimmer, wo Bill auf der Couch Platz gefunden hatte und gebannt auf den Fernseher sah.
„Kannst du den Tisch decken? Essen ist gleich soweit und die beiden kommen sicher auch gleich.", ich setzte mich rücklinks auf seinen Schoß, sodass ich ihn angucken konnte und strich ihm durch seine Haare.
„Keine Lust.", brummelte er nur und versuchte an mir vorbei zu gucken.
„Ey, jetzt sei mal nicht so ein Brummbär.", quengelte ich. Wieso hatte er plötzlich so eine schlechte Laune? Fragend runzelte ich meine Nase.
„Doch.", gab Bill jedoch nur von sich, lehnte seinen Kopf gegen die Lehne des Sofas und sah mich schmollend an.
„Wieso denn?", immer noch fragend sah ich ihn an und legte meine Hände an seine Wange.
„Ja...wegen Tom.", ich erschreckte leicht, als er seine Hände an meine Hüfte legte, weil ich in dem Moment mit wirklich jeder Reaktion, aber nicht damit, gerechnet hätte.
„Was hat er denn gemacht? Er hat gesagt, dass er Vivi jetzt abholt; er hat uns nicht mal gesagt, dass wir kochen sollen, oder sonst irgendwas.", beschwichtigend sah ich ihn an; wunderte mich immer noch über sein brummiges Verhalten.
„Aber ich...ich wollte heute mit dir alleine sein. Kuscheln, dich kraulen und quatschen.", sein Schmollen untermalte er, indem er seine Unterlippe vorschob und mich an sich drückte. Leicht entzückt von seinem Grund, grinste ich in seine Halsbeuge und hauchte ihm einen Kuss auf, bevor ich mich von ihm löste.
„Du bist niedlich, Bill.", grinste ich ihn an, legte meine Hände wieder auf seine Wange und drückte ihm einen leichten Kuss auf die Wange. „Aber das können wir danach doch immer noch. Wir essen mit den beiden, lernen sie ein wenig kennen und lassen sie dann alleine. Tom hätte es bestimmt auch nicht prächtig gefunden, wenn wir den kompletten Abend neben den beiden sitzen und sie beobachten würden. Sie wollen sicher auch ihre Ruhe haben.", beruhigte ich ihn und sah ihn wartend an.
„Hm...na gut!", und da war sein Grinsen wieder in seinem Gesicht. Dieses Grinsen, dieses Lächeln, welches mich schon seit dem ersten Tag an faszinierte. Dieses Grinsen, was mich schon seit der ersten Minuten in den Bann zog, aber erst so spät an mich ran ließ.
„Und jetzt muck nicht rum, Muckel.", grinste ich zurück und überging meine Gedanken an die traurigen Momente in meinem Leben.
„Okay, lass uns den Tisch decken.", angesteckt von seiner Euphorie rollte ich mich von seinem Schoß und sah ihm lächelnd hinterher, als er in die Küche ging und die Teller aus dem Schrank nahm.
„Nun komm schon!", pfiff er schon fast zu mir herüber und verteilte die vier Teller auf dem Tisch. Er war schlimmer als ein Mädchen, was seine Stimmungsschwankungen anging. Schlimmer als eine Schwangere. Doch gerade das machte ihn auf irgendeine Art und Weise noch niedlicher, als er es eh schon war.
„Er ist gerade gekommen.", rief Bill mir aus dem Wohnzimmer zu, als ich die Nudeln gerade in einem Sieb abtropfen ließ und in eine Schale füllte. Er hing jetzt seit nunmehr als zehn Minuten am Fenster, welches zur Straße und Tiefgarageneinfahrt des Hauses zeigte, um auch ja den Moment abzupassen, wenn die beiden eintreffen würden. Schnell stellte ich die Schale mit den Nudeln und der Soße auf den Tisch und empfing mit offenen Armen, als er wie ein aufgescheuchtes Huhn auf mich zugerannt kam.
„Bist du aufgeregt?", kicherte ich und drückte meinen Kopf gegen seine Brust, die sich lachend hob und senkte.
„Bisschen. Schließlich geht's hier um meine zukünftige Schwägerin.", ich spürte sein förmliches Grinsen an meinem Kopf.
„Bill, wehe du sagst so was in die Richtung. Schließlich geht's hier um gar nichts. Die beiden sind nicht zusammen, sie sind...befreundet. Und verliebt; zumindest dein Bruder...", nuschelte ich meine Warnung noch schnell zu Ende, ehe der Schlüssel im Schloss umgedreht wurde und die Tür aufging. Schnell lösten Bill und ich uns aus der Umarmung und stellten uns wie zwei Zinnsoldaten nebeneinander neben den großen Esstisch.
„Das sieht dumm aus, geh weg von mir.", zischte ich noch und setzte mich noch schnell auf einen der Stühle, während Bill aufgeregt und ohne Plan, wohin er eigentlich wollte oder sollte, in die Küche stürmte. Gott sei Dank, quatschte Tom seine Begleitung wohl gerade über irgendetwas voll, sodass sie mein Flüstern gar nicht mitbekommen konnte. Und womöglich war sie auch so in sein Gesicht vertieft, als dass sie Bill und mich auch nur in kleinster Weise hätte bemerken können. Ich musste grinsen; es war ein süßer Anblick, der sich mir bot.
Als die beiden sich nach etlichen Sekunden immer noch unterhielten und keiner auch nur eine Anstalt machte, sich weiter in die Wohnung zu bewegen, stand ich auf und räusperte mich kurz.
„Oh, entschuldige.", ich konnte mir mein Kichern nicht verkneifen, als Vivi sich leicht erschreckte und sich um 180° drehte, um mich anzusehen.
„Oh, hey.", grinste sie mich an. Sie war hübsch, hatte eine Ausstrahlung, von der nur viele träumen konnten, hatte langes blondes Haar und war recht klein.
„Hey, ich bin Lynn.", stellte ich mich vor und ging auf sie zu, um ihr die Hand zu geben.
„Hey, Vivi. Freut mich.", grinste sie mich wieder so breit und intensiv an, dass es ansteckte und mir nichts anderes übrig blieb, als mit zu grinsen.
„Ah, und wenn wir schon mal dabei sind – Bill.", kam der Schwarzkopf aus der Küche gelaufen und streckte auch ihr freundlich die Hand entgegen. Ein wenig unbeholfen stand sie neben Tom, welcher ununterbrochen grinsend zu ihr sah. Sie schien ein wenig nervös zu sein – was ihr in keinster Weise zu verübeln war – und wusste nicht so recht, was mit sich anzufangen.
„Lasst uns erst mal essen, Bill und ich haben gekocht.", lachend sah Tom mich an.
„Dann bin ich ja mal gespannt.", mit einem verliebten Blick blickte das blonde Mädchen den älteren der Zwillinge an und ließ sich von ihm die Jacke abnehmen, um sich danach an den großen Esstisch zu setzen.
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Diagnose: Liebe - Mein erster Wunsch, der in Erfüllung geht
Fanfiction[2. Teil der Diagnose-Trilogie.] - »Sie hatten, seitdem sie im Krankenhaus aufgetaucht waren und meiner kleinen Schwester ihren letzten Wunsch erfüllt haben, so viel für mich getan, dass ich mich wahrscheinlich in meinem kompletten Leben nicht dafür...