» Versöhnung

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  „Setz dich erst mal hin.", total überfordert mit der ganzen Situation zog ich Bill zum Bett, auf welches er sich drauf fallen ließ. Er nahm sich eine Zigarette aus der Schachtel, die auf dem Nachttisch lag und zündete sie sich an. Das war wohl das beste, was er jetzt tun konnte – ich wusste, dass es ihn beruhigen würde.
Und das tat es auch. Kaum hatte er die Hälfte des Stängels aufgeraucht, da schluchzte er nur noch; doch auch das hielt sich Grenzen.
„Lynn...", fing er dann an. „sei ehrlich: was dachtest du, als du mich und...und Natalie da unten gesehen hast?"
Ein wenig geschockt und vollkommen sprachlos sah ich ihn an. Ich hätte nie damit gerechnet, dass solch eine Frage kommen würde. Ich hätte erwartet, dass er mir erklärt, wieso er so zu mir war; wieso er mich so ignoriert hatte und nicht mit mir wie immer, ganz normal umgegangen ist.
„Ich...gar nichts. Was sollte ich denn schon denken?", ich wollte ihm nicht die Wahrheit sagen; fand es persönlich aber auch nicht schlimm, wenn ich es ihm nicht sagen, oder ehrlich antworten würde. Das tat doch eigentlich gar nichts zur Sache, schließlich ging es hier gerade nicht darum, was ich über die zwischenmenschliche Beziehung von Natalie und Bill dachte, sondern darum, dass er mir eine Erklärung abliefern sollte; vielleicht auch eine Entschuldigung. Ja, ich verlangte es irgendwie von ihm.
„Du...du kannst mir nicht sagen, dass du nichts gedacht hast. Ich kenne dich jetzt schon gut genug, Lynn. Du kannst mir einfach nichts...nichts mehr vormachen.", er drückte seine Zigarette in dem Aschenbecher in seiner Hand aus, stellte ihn auf dem Nachttisch ab und drehte sich seitlich, damit er mich besser ansehen konnte. Doch ich entwich seinem Blick, ich wollte ihn nicht ansehen. Die Situation drängte mich in eine Ecke, in der ich mich gefangen und eingeengt fühlte.
„Man...ich...", ich stand auf und ging auf das Fenster zu, wollte irgendwie aus seinem Blickfeld verschwinden, auch wenn ich ganz genau wusste, dass ich dafür wahrscheinlich erst den Raum verlassen musste. „...da läuft doch was zwischen euch.", langsam drehte ich mich um, weil Bill einen Mucks von sich gab, der mir fast schon Angst machte. Sofort bereute ich meine Worte, da diese in Bills Blick etwas ausgelöst hatten, was mir noch mehr Angst machte.
„Ich...schitt, man. Das...verdammt...", ich fluchte, strich mir durch die Haare, stemmte die eine Hand in meine Taille und drehte mich wieder zum Fenster. In meinem Kopf herrschte ein Wirrwarr, dass ich selbst nicht mehr ordnen konnte. In den letzten Stunden prasselte wieder so viel Verschiedenes in meinem Kopf hin und her, dass es noch ein Wunder war, dass ich wusste, wo vorne und hinten war.
„Zwischen...zwischen mir und Nat?", seine Stimme klang entsetzt. Das einzige, was ich herausbringen konnte, war ein einfaches Nicken.
„Ach, Lynn...", sofort fing er an zu lachen. „da läuft eindeutig gar nichts. Natalie ist Mitte dreißig, sie hat eine kleine Tochter und ist verheiratet. Wir haben uns heute getroffen, weil sie Ablenkung brauchte; sie ist im Streit mit ihrem Mann auseinander gegangen. Dass das nichts allzu Tolles ist, kann sich ja jeder denken.", ich spürte, wie er vom Bett aufstand und auf mich zu kam. Seine Hände berührten meine Hüfte und drehten mich leicht zu sich.
„Aber...aber wieso hast du mir dann nichts gesagt, bevor ich mich hingelegt habe?", ich legte meinen Kopf leicht in den Nacken und sah ihm in seine braunen Augen.
„Sie hat mich darum gebeten. Sie wollte mit mir alleine sein. Als du und Tom vorhin hochgegangen seid, da war ihre Laune sofort auf dem Nullpunkt. Sie hat mir schon immer viel anvertraut, sie ist meine Make-up Artistin, wir verbringen viel Zeit miteinander, aber da ist wirklich nichts. Wir wollten lediglich etwas trinken und uns unterhalten.", er strich mir eine Strähne aus dem Gesicht und hauchte mir ein Kuss auf die Stirn.
„Du hast eine Fahne.", kicherte ich. Ich konnte es mir nicht verkneifen, wollte die Situation ein wenig auflockern, meinen dummen Fehler überspielen. Dass das nicht Sinn der Sache war, wusste ich.
„Ich weiß.", er schob seine Unterlippe nach vorne. „Aber ich hab mir zum Schluss hin nur noch Cola bestellt, von daher geht's mit meinem Alkoholpegel auch wieder."
Als wir uns noch ausgiebig umarmt hatten und derweil wieder auf dem großen Bett saßen, brannte mir jedoch immer noch eine Frage auf meiner Zunge. Zwar hatten wir das Thema erst einmal abgeschlossen, doch trotzdem wollte ich seine Antwort haben.
„Wieso warst du so zu mir, Bill?", leise durchbrach ich die Stille und senkte meinen Kopf, um ihm ein weiteres Mal seit diesem Gespräch nicht in die Augen sehen zu müssen.
„Ich hatte das Gefühl einen Engel und einen Teufel auf der Schulter sitzen zu haben; als säße ich zwischen zwei Stühlen. Ich hatte Natalie versprochen, dass wir was machen – alleine – und wollte das so gut es ging nun mal einhalten. Sie war in letzter Zeit auch so oft für mich da. Ich war ihr in gewisser Weise was schuldig. Eine Freundschaft ist schließlich ein Geben und Nehmen.", er seufzte stark und nahm meine Hände in seine. „Nimm es mir bitte nicht übel, Lynn.", leicht sah ich hoch, direkt in seine Augen.
Anstatt ihm zu antworten, nahm ich ihn einfach nur in den Arm, drückte ihn an mich und hauchte ihm ein 'Nein' in sein Ohr.  

Diagnose: Liebe - Mein erster Wunsch, der in Erfüllung gehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt