Filmriss

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Wir schliefen relativ schnell ein, als wir uns am vorherigen Abend ins Bett gelegt hatten. Der Fernseher, den wir noch angeschaltet hatten, lief noch, als ich am nächsten Morgen meine Augen öffnete.

Die Sonnenstrahlen, die durch die langen Vorhänge blitzten, blendeten mich. Qualvoll blinzelte ich und schlug mir die Decke vor die Augen. Mein Kopf dröhnte, was mich schmerzhaft aufstöhnen ließ. Seltsamerweise wusste ich nicht mehr viel von dem Abend. Ich wusste, dass etwas passiert war, was mich zu dem jetzigen Moment anders handeln lassen und was meine Gefühle in eine ganz andere Bahn werfen würden. Doch je länger ich mir Gedanken darum machte, was es war, desto weniger Ahnung hatte ich. Ich fühlte mich komisch und das nicht nur wegen des anscheinend doch zu hohen Mengen an Sekt.

Gerade, als ich meinen Kopf ein wenig zur Seite drehte und Bill neben mir schlafen sah, bewegte sich in meinem Herz etwas, was mich noch mehr überlegen ließ. Krampfhaft versuchte ich all die Gedanken zu verdrängen, doch als sich nach einigen Minuten Bills Wecker bemerkbar machte, wurde dieses Gefühl in mir noch komischer und zweifelnder.

„Hmm...", brummte der Schwarzkopf neben mir und griff nach seinem Handy, um den schrillen Ton auszustellen. Ich traute mich gar nicht, mich zu ihm umzudrehen, da ich mittlerweile wieder mit dem Rücken zu ihm lag, sondern wartete angespannt darauf, dass er sich mir bemerkbar machen würde.

Darauf musste ich an diesem Morgen jedoch lange warten. Ich hörte lediglich das ein oder andere Seufzen, was Bill von sich gab. Wir lagen lange einfach nur nebeneinander; ich mit dem Rücken zu ihm gewandt, sah nicht, was er tat, ob er mir ebenfalls den Rücken zuwendete oder ob er auf der Bettkante saß. Es beunruhigte mich. Ich wollte wissen, was er tat; wollte ihn ansehen; wollte, dass er wusste, dass ich wach bin und er irgendetwas sagte. Ihm ging es doch nicht genau so, oder?

Nach vielem Überlegen entschloss ich mich dazu, mich einfach umzudrehen und abzuwarten, was er machen würde. Ich musste mich umdrehen, irgendetwas in mir sagte mir, dass ich es einfach tun musste. Irgendwas war anders an dieser ganzen Situation; irgendwas stand zwischen uns, das spürte ich. Und bevor Bill ohne irgendeine Reaktion womöglich noch aufstehen und das Schlafzimmer verlassen würde, drehte ich mich langsam aber sicher um.

Meine Augen hatte ich dabei geschlossen, doch als ich sie öffnete musste ich feststellen, dass er zu mir gewandt neben mir lag und verträumt in meine Richtung starrte. Es war einzig und allein ein kleines, fast schüchternes Lächeln, was sich auf meine Lippen schlich, als ich ihn ansah. Keiner sagte ein Wort, sahen uns einfach nur an. In seinem Blick lag ein Hauch von Unverständnis und es kam mir vor, als würde ein Fragezeichen über seinem Kopf schweben. Ihm ging es anscheinend genau so.

„Hey...", hauchte er nach einer Weile und sah mich immer noch einfach nur an.

„Na.", es war ein ebenso leises Flüstern, wie es vorher aus Bills Mund kam, doch trotzdem reichte es, damit er mich verstand.

„Wie geht's dir?", war seine nächste Frage. Es war alles so distanziert und stumpf, was hier gerade zwischen uns ablief. Keine Berührung, kein kleiner Kuss auf Wange oder Stirn, geschweige denn ein Arm, der mich auf seine Brust zog, damit ich mich an ihn kuscheln konnte.

„Kopfschmerzen", gab ich wehleidig von mir, „und dir?", es war mir, als sei da ein Ansatz von einem Grinsen in seinem Gesicht gewesen. Doch sicher war ich mir alle male nicht.

„Ich...ich weiß es ehrlich gesagt nicht...", seufzte er, „ich geh erst mal duschen. Soweit ich weiß, steht heute wieder 'n Shooting an.", er stand derweil aus dem Bett auf, als er den Satz murmelnd vor sich hin flüsterte.

Bills Vorhaben stempelte ich einfach nur mit einem Nicken ab. In meinem Herzen machte sich ein Schwall von Enttäuschung breit. Immer mehr bestätigte sich dieses Gefühl, dass etwas ganz und gar nicht stimmen würde. Jedoch wollte ich jetzt nicht für eine Stunde im Bett liegen, warten, bis er wieder kommen würde und mir meinen Kopf zerbrechen, weswegen ich mir schnell was überzog und das Schlafzimmer verließ, um – mit der Hoffnung, ich würde Tom antreffen – in die Küche zu gehen.

Zu meinem Glück saß er auch schon mit aufgeschlagener Zeitung, einer Tasse Kaffee und einer Zigarette zwischen Zeige- und Mittelfinger an dem großen Glastisch.

„Morgen.", murmelte ich und schenkte mir ein Glas Orangensaft ein, ehe ich mich gegenüber von ihm auf einen Stuhl fallen ließ, meine Beine auf den Stuhl zog und mir eine Zigarette aus der Schachtel zog, die auf dem Tisch lag.

Stirnrunzelnd sah Tom mich an. „Du rauchst nie auf leerem Magen.", stellte er fest, womit er mehr als recht hatte. Ich vertrug es noch nie, zu rauchen, wenn ich nicht mindestens einen Joghurt in meinem Magen hatte. Früher war es Alltag nichts zu essen und trotzdem zu rauchen, doch die Konsequenzen bekam ich auch desöfteren zu spüren – Kreislauf.

„Ausnahmen bestätigen die Regel.", murmelte ich nur und steckte mir den Filter zwischen die Lippen, um einen kräftigen Zug von dem schädlichen Glimmstängel zu nehmen.

„Was ist los?", als würde Tom sich jetzt auf ein stundenlanges Gespräch bereit machen, schlug er die Zeitung vor sich zu und winkelte einen Arm an, um seinen Kopf auf eben diesem abzustützen.

„Stress mit Bill?", ließ er nicht locker, als nach einigen Sekunden des Schweigens immer noch kein Ton zwischen meinen Lippen hervor drang.

„Nein...keine Ahnung. Vielleicht, vielleicht auch nicht...", aus Angst, Angesprochener würde jede Sekunde hinter mir auftauchen können, flüsterte ich nur und unterstrich meine Worte mit einem euphorischen Schulterzucken.

„Erzähl.", lächelte Tom mich fragend und doch aufmunternd an und legte seinen Kopf schief. Ich konnte nicht anders, als seiner Aufforderung nachzugehen – viel zu große Ähnlichkeit bestand gerade zu seinem Zwilling, dem ich alles erzählte, egal um was es ging.

Nachdem ich meine Kurzfassung beendet hatte, seufzte Tom grinsend auf. „Lass ihm Zeit. Er wird gleich aus dem Bad kommen und mit dir reden wollen, Lynn.", versuchte er mich zu beruhigen.

„Hm, ich wei-"

„Lynn, kann ich mit dir reden?", unterbrach eine seltsam ähnliche Stimme, wie die, die mir gerade noch einen aufmunternden Satz zugesprochen hatte, meinen Satz. Schlagartig drehte ich mich um, wo ich Bill im Jogginganzug und einem herunterhängenden Iro stehen sah.

„Ähm...klar.", überrascht sah ich noch einmal kurz zu Tom, drückte meine längst überfällige Zigarette in dem überfüllten Aschenbecher aus und tapste – leicht ängstlich und mit einem nervösen Gefühl in meiner Magengegend – hinter Bill her ins Schlafzimmer.

Diagnose: Liebe - Mein erster Wunsch, der in Erfüllung gehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt