» Die Liebe

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Wenn man alle 21 Jahre, die ich nun schon auf der Welt verbringe, zusammen zählt und die Situationen, in denen ich von einem Menschen so viel Wärme zu spüren bekommen habe, mit der jetzigen vergleicht, kommt man noch lange nicht auf dieses Gefühl, was ich die zwei Stunden in Bills Armen verspürte. Hochgefühle, wie sie kaum zu beschreiben waren. Überwältigend, unglaublich...mir fehlten die Worte.

Es fühlte sich so vertraut, so unendlich gut und so...leicht an. Ich fühlte mich leicht. Leicht, als würde ich durch die Lüfte schweben; als wäre ich schwerelos. Ich hätte mir niemals ausgemalt, dass etwas so wunderschön sein könnte. Der Kuschel- und im Bett-ess-Abend war mehr als gelungen. Ich war noch nie so glücklich.

„Tom kommt wieder.", murmelte Bill irgendwann in meine Haare, als ich – immer noch mit dem Kopf auf seiner Brust liegend – auf den Fernseher sah und die gefühlte zwanzigste Folge [i]Scrubs[/i] verfolgte.

„Mhm...", brummte ich nur und sah weiter gespannt auf den Fernseher; spannende Folge, da wollte ich schließlich nicht gestört werden. Doch irgendwann wurde ja bekanntlich jede Ruhe einmal gestört. Heute verdankten wir es Tom.

„Ey...", kam er – nachdem er kurz angeklopft hatte – sofort ins Zimmer gestürmt. Sein Gesicht wurde wieder mit diesem riesigen Grinsen geziert, was ich schon von den Tagen in Tokio kannte. Sofort riss ich meinen Blick vom Fernseher und sah den älteren der Zwillinge an. Ja, zugegebenermaßen: Ich war neugierig – und wie!

„Was gibt's?", meldete Bill sich zu Wort, als Tom sich schweratmend auf die Bettkante fallen ließ. Seine Antwort war ein einfaches Grinsen, wovon ich sofort angesteckt wurde. Freudig setzte ich mich im Schneidersitz auf und sah ihn erwartungsvoll an. „Wie wars?"

„Wunderschön!", platzte es aus ihm heraus. Ich hatte das Gefühl, er hatte sich selbst nicht mehr unter Kontrolle, so sehr war er von diesen Gefühlen, die ihn so glücklich machten, gefesselt.

„Das freut mich.", gluckste ich und lehnte mich kurz zu ihm herüber, um ihn in den Arm zu nehmen.

„Ähäm..", räusperte sich der Dritte im Bunde plötzlich hinter uns. „Kann mir mal bitte jemand erklären, was hier wunderschön war und worüber du dich für ihn freust?", Bill zog einen Schmollmund und kreuzte seine Arme vor der Brust. Also einen Schmollmund ziehen konnte er schon immer sehr gut.

„Raus aus dem Bett, ab ins Wohnzimmer! Wir stoßen jetzt auf den verliebten Gitarristen von Tokio Hotel an.", klatschend sprang Tom vom Bett, was mich aufkichern ließ. Er war wirklich zu glücklich, als dass er sich unter Kontrolle hatte.

„...und auf den verliebten Sänger.", murmelte er noch kichernd, als er den Raum verließ und vor sich hin jaulend ins Wohnzimmer ging. Er hätte froh sein können, dass er nach dem Satz so schnell verschwunden war, sonst wäre meine flache Hand womöglich in seinem Nacken gelandet und hätte dort eine rote Stelle hinterlassen. Doch rot wurde jetzt erst mal mein Kopf. Auf den verliebten Sänger? Ein wenig mit der Situation überfordert, krabbelte ich aus dem Bett und stand, nicht wissend mit mir anzufangen und am Hinterkopf kratzend, im Raum. Letztendlich verlor sich – aufgrund des Satzes – doch ein Lächeln auf meinen Lippen. Es war seltsamerweise ein schönes Gefühl so etwas zu hören; auch wenn es wahrlich nicht die Wahrheit von Tom war. Oder? Ich versuchte diese Frage zu verdrängen, weil sich sonst wahrscheinlich noch mehr ansammeln und mir keinen ruhigen Abend lassen würden.

„Na ja, Tom hat manchmal schon so seine Halluzinationen.", kicherte Bill, kniff mir in die Seite und raste aus dem Raum. Verdutzt stand ich da, ließ meine Hand sinken und starrte auf die halb geöffnete Tür. Im Gegensatz zu Toms Satz hörte sich der seines Zwillingsbruders alles andere als schön an. Was sollte ich denn jetzt davon halten?

Die Situation im Schlafzimmer verdrängend saß ich neben Bill auf dem Dreiersofa und hatte ein Glas Sekt in der Hand. Tom saß uns gegenüber und hatte – ebenso wie sein Bruder – eine Flasche Bier in der Hand, an welcher er nuckelte. Was für ihn so wunderschön war, hatte er Bill schon längst erklärt; es war das Erste, was ihm raus platzte, als sein Zwilling den Raum betreten hatte. Seine Reaktion war ein freudiger Handschlag und Fragen über Fragen. Es waren nur Kleinigkeiten, die für Tom in den Stunden, die er mit Vivi verbracht hatte, glücklich gemacht haben. Aber so war das doch, wenn man verliebt war, oder nicht?

Mit einem Lächeln auf den Lippen und tief in meinen Gedanken hängend, beobachtete ich das ganze Gespräch der Zwillinge, bei welchem ich mich eher zurückhielt.

Tom war verliebt, das sah man ihm an der Nasenspitze an, wenn er über dieses Mädchen redete, was für ihn anscheinend schon eine Menge wert war. Sofort glitten meine Gedanken zu mir; war ich auch schon mal so? Hatte ich mich auch schon so benommen? Ich wusste es nicht, aber man selbst bemerkte so was womöglich gar nicht. Man war sicher auf eine positive Art und Weise blind vor Liebe. Ich wollte zu dem Moment wissen, wie es sich anfühlte, verliebt zu sein. Dass ich wusste, wie das war, was es in einem auslöste, wusste ich nicht.

Es wurde ein feuchtfröhlicher Abend mit den Zwillingen, den wir bis mitten in die Nacht im Wohnzimmer verbrachten. Das Anstoßen lief dann doch auf das ein oder andere Mal mehr anstoßen hinaus und endete mit drei etwas stärker angetrunken Menschen. Mir machte es nichts aus, ich hatte gute Laune, freute mich für Tom und hatte Bill bei mir. Mehr wollte ich nicht.

Gegen halb drei entschlossen wir uns dann doch schlafen zu gehen, da morgen um elf der erste Termin anstand.

„Gute Nacht, Tom.", rief ich noch durch den großen Flur, bevor ich in das Schlafzimmer von Bill abbog, wo Letzter sich schon seiner Klamotten entledigte. Kurz hielt ich die Luft an, als er - mit dem Rücken zu mir gewandt - seine Hose auszog.

„Ah, da bist du ja.", kichernd sah Bill mich an. Ehe ich das realisierte, hatte ich ihn womöglich schon drei Sekunden zu lange angestarrt, was ihn so amüsieren ließ.

„Ja.", gab ich einfach nur leicht beschämt von mir und zog mich ebenso um, um endlich unter die warme Decke zu krabbeln.

Ich hatte keine Hemmungen mehr vor Bill, was das Ausziehen vor ihm anging. Ich brauchte damals schon meine Zeit, aber mittlerweile gehörte er so sehr zu meinem Leben und ich sah ihn als so eine vertraute Person an, dass ich auch das abgelegt hatte.

„Komm schon, kuscheln. Mir ist kalt!", jammerte er und hielt leicht die Decke in die Luft, damit ich ohne jegliche Probleme hinunter krabbeln konnte. Schnell kuschelte ich mich an ihn und drückte ihn an mich.

„Ich freu mich für Tom...", hauchte er plötzlich in die Stille, als sich ein Schweigen in dem Raum verbreitet hatte.

„Ich mich auch. Es muss schon ein schönes Gefühl sein...", flüsterte ich und schielte leicht zu ihm hoch; er erwiderte den Blick.

„Ist es auch. Liebe ist das Beste und Schönste, was dir passieren kann...", leicht strich er über meine Wange und hauchte mir einen Kuss auf eben diese. Genießend schloss ich die Augen. Es tat gut, es fühlte sich so gut, so schön an. Dieses Gefühle wurde immer intensiver. Anfangs hatte ich es noch gar nicht so wahrgenommen, aber jetzt...jetzt überwältigte es mich jedes Mal aufs Neue.

„Die Liebe erfüllt einen. Sie macht einen so lebendig und glücklich...", seine Stimme drang sanft in mein Ohr, was mir sofort eine Gänsehaut über meinen Körper jagte.

Vorsichtig strich er mir eine Strähne aus dem Gesicht und sah mir in die Augen. „Es fühlt sich so gut an...", flüsterte er. Seinen Atem konnte ich immer intensiver und deutlicher auf meinen Lippen spüren. Dass es nach Bier roch, störte mich in keinster weise, denn das, was nur eine Millisekunde später passierte, war das Schönste, was er je hätte machen können: Er legte seine Lippen auf meine...

Diagnose: Liebe - Mein erster Wunsch, der in Erfüllung gehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt