» Gespräche

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  „Komm rein.", öffnete Tom mir die Tür, nachdem ich leicht angeklopft hatte. Der ganze Flur war mit einem Schweigen gefüllt und ich hatte das Gefühl, die kompletten Bewohner der Etage mit meinem Klopfen aufzuwecken; man musste schließlich auch beachten, dass es derweil schon mitten in der Nacht war.
Langsam tapste ich in das große Zimmer, welches genau so aussah und die Möbel an der gleichen Stelle stehen hatte, wie das Zimmer, welches ich mir mit Bill teilte.
„Bevor wir uns hinsetzen, komm...komm mal her.", er kam einen Schritt auf mich zu und zog mich die letzten paar Zentimeter am Arm an sich heran und drückte mich an sich. „Lass uns das einfach vergessen.", flüsterte er noch in mein Ohr, bevor er mir einen Kuss auf die Stirn gab und mir durch meine blonden Haare wuschelte.
Grinsend sah ich ihn an. „Okay, weswegen hattest du mich grade im Arm?"
„So will ich das sehen. Und jetzt kein Trübsal blasen, lass uns den restlichen Abend genießen und quatschen, was das Zeug hält.", mit Anlauf sprang er auf sein Bett und hüpfte auf der Matratze herum, sodass diese sich in der Mitte leicht knickte. Ich musste anfangen zu lachen.
Letztendlich hatte Tom mich noch mit auf das Bett gezogen und mich dazu gezwungen, singend mit ihm auf dem großen Doppelbett rum zu hüpfen. Ich wartete jede Sekunde darauf, dass sich eine Latte aus dem Rost verabschiedete, doch als das nach etlichen Minuten immer noch nicht der Fall war, ließen wir uns auf das Bett fallen. Auf dem Rücken lagen wir da, unsere Köpfe lagen leicht aneinander.
„Das tat gut.", kicherte ich noch völlig aus der Puste.
„Oh ja, und man konnte einfach mal für ein paar Minuten Kind und normaler Mensch sein, bevor der ganze Stress hier losgeht.", leicht drehte Tom seinen Kopf zur Seite und grinste mich an.
„Bereust du es, dass du den Schritt gegangen bist und diese Karriere begonnen hast?", ich wollte wissen, ob ich seine Andeutung richtig oder doch falsch deutete.
„Egal, wie stressig es ist, egal wie viel ich dafür aufgegeben habe: Ich habe im Endeffekt immer noch das, was ich will und brauche. Ich habe meinen Bruder, Andi, Georg und Gustav, meine Familie, eine beste Freundin", kurz blickte er mich noch einmal mit einem Grinsen in den Augen an. „und ein Mädchen, was ich äußerst interessant finde und wo ich mir sicher sein kann, dass sie auf jeden Fall nicht an meiner Person als Star interessiert ist.", bei letzterem Teil seiner Aussage musste er lachen – weiß der Geier warum.
„Wie darf ich das denn verstehen?", aufgrund meiner Neugierde, die bei mir schon in der Kindheit ins Unermessliche steigen konnte, setzte ich mich auf und sah meinen gegenüber – der es mir gleichtat – grinsend und gleichzeitig fragend an.
„So, wie ich es gesagt habe: Ich habe wohl wen 'kennen' gelernt.", die imaginären Gänsefüßchen konnte man schon aus seiner Tonart heraus hören.
„Jetzt schieß schon los; raus mit der Sprache! Wen und wie kam's dazu?", ich zappelte mit meinen Armen in der Luft hin und her und steckte mir erst einmal eine Zigarette an. Es war eine dumme Angewohnheit von mir, zu rauchen, wenn mir jemand etwas erzählte.
„Sie heißt Vivi.", als er den Namen aussprach zierte ein breites Grinsen sein Gesicht. Kurz rümpfte ich, aufgrund der ungewohnten Situation, meine Nase. Tom holte nur noch mal kurz Luft und sprach dann weiter:
„Es war eigentlich eine ziemlich ungewöhnliche Situation. Na ja...zum Ende hin. Anfangs war sie ziemlich...normal. Ich habe sie in einer Disco in Berlin gesehen und sie hat mir sofort gefallen. Sie hatte eine Ausstrahlung, welcher ich noch nie zuvor in meinem Leben bei einer Frau begegnet bin. Als ich sie den Abend über beobachtet und später auf einen Drink eingeladen hatte, bekam ich eine ziemliche Abfuhr. Nicht einmal einen Cocktail durfte ich ihr ausgeben. Aber gerade das...das hat mich so fasziniert. Mit was für einer Schlagfertigkeit diese Frau an die ganze Sache ran gegangen ist, war bewundernswert. Sie ließ sich nun mal nicht von irgendeinem dahergelaufenen Jungen auf einen Drink einladen.", verträumt blickte Tom an mir vorbei aus dem Fenster. Sein Grinsen, welches immer noch sein Gesicht zierte, steckte unentwegt an.

„Na ja, ich gab mich wohl oder übel damit zufrieden; mir blieb schließlich nichts anderes übrig. Was für eine Wahl hatte ich denn bitteschön noch? Keine...", kurz verblasste sein Grinsen, als er es aussprach, doch kurze Zeit später war es wieder da, dieses Grinsen. Kurz musste ich auflachen, wovon Tom sich jedoch nicht abhalten ließ und erzählte weiter:
„Zwei Wochen später waren Mom, Gordon, Bill und ich dann in Berlin auf einem Prince-Konzert. Wir hatten reservierte Sitzplätze. Als das Konzert begann achtete ich nicht wesentlich darauf, wer neben, hinter oder vor mir saß. Es war mir eigentlich völlig egal; schließlich zählte die Band. Doch irgendwann vernahm ich eine Mädchenstimme neben mir, die wie wild herum pöbelte und auf ihrem Platz hin und her rutschte. Es nervte mich, da ich in Ruhe das Konzert ansehen wollte, doch als ich zur Seite sah und sah, dass Vivi da saß schob ich diesen genervten Gedanken schnellstens zur Seite. Plötzlich machte es mir nichts mehr aus und das Konzert wurde uninteressant. Als sie nicht aufhörte, wie eine Verrückte, und als hätte sie Flöhe in ihrer Buchse sitzen, auf ihrem Platz herum zu rutschen, fragte ich sie, ob man ihr helfen könnte. Wieder war da diese Ablehnung. Nach der zweiten Abfuhr ihrerseits fluchte sie dauernd murmelnd über ihren Vater. Um was genau es sich handelte verstand ich nicht ganz, doch als sie nach ein paar Minuten immer noch nicht zu Schweigen begann, fragte ich noch einmal nach, ob sie irgendein Problem hätte. Sie fauchte mich schon fast an, dass sie nur pissen müsse, ihren Platz jedoch nicht verlassen konnte, da ihr Vater gerade Getränke holen war und er – sobald er mitbekommen würde, dass sie nicht auf ihrem Platz sitzen würde – eine Vermisstenanzeige aufgeben würde. Ich bot ihr an, dass sie mir doch ihre Nummer geben könnte und ich sie anrufen, wenn ihr Vater wiederkommen würde, da sie mir erklärte, dass ihr Vater kein Handy dabei hatte und sie somit auch nicht erreichen konnte. Wohl oder übel nahm sie mein Angebot an. Ich hatte die Handynummer der interessanten Dame, die mir zuvor schon aufgefallen war und sie konnte endlich auf die Toilette und Wasser lassen.", triumphierend grinste Tom mich an.  

Diagnose: Liebe - Mein erster Wunsch, der in Erfüllung gehtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt