Im Schlafzimmer angekommen, schloss ich hinter mir die Tür und lehnte mich mit verschränkten Armen vor der Brust gegen sie. Ich wusste nicht so recht, was und ob ich überhaupt etwas sagen sollte, schließlich wollte Bill mit mir reden, doch auch der machte keine Anstalten; stand nur mit den Händen in den Hosentaschen vor den langen Vorhängen des großen Fensters, was auf eine große Dachterrasse führte.
Ich hatte das Gefühl, als wären es unendliche Minuten gewesen, doch als ich meinen Blick zur Uhr auf Bills Nachttisch schweifen ließ, sagte sie mir, dass es nicht mal zwei gewesen waren.
Es tat sich nichts, bis Bill plötzlich laut aufseufzte. Sofort streckte ich zusammen und ging aus Reflex einen Schritt nach vorne. Nach seinem Seufzen ertönte seine Stimme und er brachte ein leises „Lynn" raus.
„J-ja?", hauchte ich, ließ meine Arme lang an meinem Körper herunterhängen und ging noch einen Schritt auf ihn zu; hielt mich an der hohen Lehne am Ende des Bettes fest.
„Wir sollten...sollten über gestern reden, denke ich. Eigentlich tu ich das grade un-ungern, weil ich weiß, dass ich nicht lange Zeit habe, aber...ich will auch ungern mit diesen Gedanken in ein Shooting platzen. Das wird sonst nichts...", es war mehr ein Stottern, als etwas anderes, was er da von sich gab. Ich senkte meinen Kopf; er hatte also doch die gleichen Gedanken wie ich. Hatte auch keine Ahnung von dem, was gestern vorgefallen ist.
„Ja, du...du hast recht...", ich lehnte mich gegen die Lehne des Betts und fummelte an meinem Ärmel der Kapuzenjacke rum, die ich mir nach dem Aufstehen übergeworfen hatte.
„Du...du weißt auch nicht mehr, was gestern passiert ist, oder?", fragte er leise und drehte sich langsam zu mir um und kam auf mich zu. Es war nur ein Kopfschütteln, was ich von mir geben konnte, zu etwas anderem war ich gar nicht in der Lage.
„Ach, Lynn", er kam auf mich zu und nahm meinen Kopf in seine Hände, um ihn hochzuheben und mir einen Kuss auf meine Stirn zu hauchen, „ich habe das Gefühl, dass irgendetwas passiert ist, was uns gerade ganz anders miteinander umgehen lassen würde. Ich habe irgendwie das Gefühl, dass...dass wir uns komplett anders behandeln würden, genau das Gegenteil von dem, was hier gerade passiert.", es kam mir vor, als würde er mir aus der Seele sprechen. All das, was er mir gerade gesagt hatte, ging mir heute morgen durch den Kopf, als er neben mir lag; als mir das alles durch den Kopf ging. Durch den Kopf, der mir immer noch schmerzte. Das Gespräch sollte mir wenigstens ein wenig Druck von der Stirn nehmen, hoffte ich.
„Ich...es geht mir genau so. Ich habe keine Ahnung, was gestern passiert ist. Ich...ich habe nur das Gefühl, dass es was Gutes war. Was Schönes, was Wunderbares...etwas, was für uns eigentlich wichtiger war, als wir jemals gedacht hätten...", den Mut für diese Worte hatte ich mir die ganze Zeit zusammengesucht. Es kostete mich Überwindung das auszusprechen, doch es war wohl das Beste, was ich je hätte tun können; es brachte uns womöglich weiter, als wir gedacht hätten.
Bill sah mich nicht an, sagte nicht ein Wort, nahm mich einfach nur in den Arm und drückte mich fest an sich. Ich vernahm ein Seufzen der Erleichterung und ich spürte, dass etwas von ihm fiel; wie er fühlbar entspannter wurde.
„Ich...ich weiß zwar nicht, was es war, aber", er löste sich aus der Umarmung und legte seine Hand auf meine Wange, „aber ich kann es mir nur zu gut vorstellen. Ich kann mir vorstellen, was das Beste, Schönste und Wunderbarste auf der Welt gewesen wäre. Und immer noch ist...", mit großen Augen sah ich von unten zu ihm hinauf; traute mich nicht mich nur einen Zentimeter zu bewegen, geschweige denn meinen Kopf zu drehen. Ich wurde nervös; wusste, was womöglich gleich auf mich zukommen würde. Leicht leckte ich mir über meine viel zu trockenen Lippen, was ich im nächsten Moment jedoch schon wieder bereute; für ihn würde es wohl aussehen, als könnte ich es kaum abwarten. Konnte ich eigentlich auch nicht, doch das 'abwarten', was er denken würde, würde komischer, eventuell auch negativer rüberkommen, als es sollte.
„Aber weißt du...das kann man ja ausprobieren.", ich sah ihn immer noch an, was ihn wohl ein wenig beunruhigte. „Also, na ja...", nach Worten ringend kratzte er sich mit der einen Hand am Hinterkopf, die andere streichelte sanft meine Wange. Ich wusste, auf was er hinaus wollte; wusste ganz genau, dass er mich am liebsten küssen würde und ihm das ganze gerade mehr als schwer fiel. Doch trotz meines Wissen traute ich mich nicht, den ersten Schritt zu wagen. Ich wusste nicht wieso, aber es kostete mich schon Überwindung, ihm so lange, ununterbrochen in die Augen zu sehen. Es war alles so neu und so fremd für mich.
„Ich...ach man...", es war nur ein zartes Hauchen, ehe er mir noch einen testenden Blick zuwarf und sein Kopf sich mir dabei näherte. Ich sah ihn zurück an, schloss, kurz bevor seine Lippen auf meine trafen, meine Augen und genoss einfach nur noch das, was hier gerade zwischen uns passierte. Genoss diesen wunderbaren Moment. Den Moment des ersten Kusses von uns beiden. Dieser Moment, der nur uns gehören würde; und das auf Ewig.
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Diagnose: Liebe - Mein erster Wunsch, der in Erfüllung geht
Fanfiction[2. Teil der Diagnose-Trilogie.] - »Sie hatten, seitdem sie im Krankenhaus aufgetaucht waren und meiner kleinen Schwester ihren letzten Wunsch erfüllt haben, so viel für mich getan, dass ich mich wahrscheinlich in meinem kompletten Leben nicht dafür...