[ 2 ] - Bekannter

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V A L E R I A

»Valeria«, sagt schon wieder jemand meinen Namen. Und es ist wieder dieselbe Stimme, wie bei meiner letzten Vision. Doch wieder kann ich sein Gesicht nicht erkennen. »Was willst du? Wer bist du?«, traue ich mich zu fragen. Die Gestalt verschwindet immer weiter weg von meinem Sichtfeld, so als würde sie sich jeden Moment in Luft auflösen. Seine Stimme wird ebenfalls immer leiser und benebelter, als er sagt: »Du...Kennst mich nicht?«, »N-nein«, sage ich leise. Er ist für einen Moment lang still, bis er plötzlich anfängt zu sagen: »Ich bin es doch, A — «

Klopf. Klopf. Ich erwache abrupt aus meinem Schlaf, als meine Augen von einem Klopfen an der Tür augenblicklich aufschießen. Ich kann schon ohne hinzusehen spüren, wie verwusselt meine hellbraunen Haare, und wie schläfrig meine wald-grünen Augen aussehen mussten. Warum passiert mir sowas nur immer in den unpassendten Momenten? Doch was war das schon wieder für eine Vision? Ich denke, ich muss wohl geträumt haben. Langsam versuche ich meine unruhige Atmung vom Schreck zu stillen. Ich setze mich behutsam auf, und blicke zur Tür hinüber, welche noch in der selben Sekunde von jemandem aufgeschoben wird. Aviel. Er steht noch an der kleinen Türspalte, und sieht mich erwartungsvoll an. So als würde er darauf warten, bis ich etwas sage. »K-komm ruhig herein«, sage ich also, um die unangenehme Atmosphäre die gerade herrscht etwas aufzulockern. Ich habe zwar keine Ahnung, warum ich diesen Fremden auch noch so dreist und ohne darüber nachzudenken, herein lasse, doch ich habe irgend wie das Gefühl, dass ich — so bescheuert es auch klingen mag — eine engere Bindung zu ihm habe, als ich es zu glauben tue.

Er lächelt mich kurz an, bevor er aus der Türspalte hervorkommt, und in das Zimmer eintritt sodass er nun etwa zwei Meter direkt vor dem Bett, in dem ich gerade liege steht. »Hey, ich wollte nur mal wieder nach dir sehen«, spricht er nervös. »Oh, danke«, lächel ich schüchtern, weil ich nicht weiß, wie ich sonst darauf regieren soll. Wieder herrscht Stille. »I — «, will er plötzlich anfangen, doch wir werden durch das aufschieben der Tür unterbrochen. Wir sehen beide zur Tür hinüber, und sehen genau dieselbe Ärztin wie von gestern. Sie lächelt uns beide an, als sie hereinkommt und direkt auf mich zu geht, nachdem sie uns begrüßt. »Wie geht es Ihnen?« Sie redet wohl mit mir. »Gut«, antworte ich kurz und knapp. »Und Sie haben auch keine Beschwerden?«, fragt sie, während sie sich meine Vitalwerte auf dem Monitor neben mir anschaut.
»Nein, es ist alles in Ordnung«, lächel ich leicht. Das ist eine Lüge gewesen. Es ist nämlich absolut nichts in Ordnung. Denn ich habe noch immer keine Ahnung, wie ich hier her gekommen bin, und wer genau Aviel ist. Außerdem bringen mich auch noch diese seltsamen Visionen, welche ich seit neustem habe, total aus dem Konzept. Ich will einfach nur Antworten haben. »Wie lange muss ich denn noch hier bleiben?«, frage ich die Ärztin, als ich bemerke wie sie sich gerade auf den Weg machen will, das Zimmer zu verlassen. »Sie sind gerade erst aus dem Koma erwacht, also schätze ich mal noch etwa eine Woche. Nur zur Kontrolle«, antwortet sie, bevor sie sich kurz verabschiedet und dann schlussendlich aus der Tür verschwindet. Noch eine ganze Woche? Na das wird ja spaßig werden, vorallem mit Aviel.

»Hör zu, Valeria«, spricht er auf einmal aus dem Nichts, als alles ruhig ist. Ich blicke augenblicklich zu ihm, und warte bis er weiter spricht. »Mir ist klar, dass du dich nicht an mich erinnerst...«, er reibt sich nervös den Nacken. »Aber ich will dass das was wir hatten, bestehen bleibt«, beendet er den Satz. Mir stockt der Atem. Was wir hatten? Was meint er? Wer zum Teufel ist er? Es tauchen erneut so viele Fragen in mir auf, dass ich erst nicht klar denken kann. Er hat meine Verwirrung wohl gemerkt, als er sagt: »Du hast wohl auch deine Erinnerungen daran verloren...Aber mach dir keine Sorgen, Valeria«, er kommt erwas näher an mich heran. »Ich werde dafür sorgen, dass du dich wieder sicher bei mir fühlst und wir es trotz der schweren Situation schaffen können. Gemeinsam.«, »W-was...«, stammel ich vor mich hin.

Er kommt langsam immer näher auf mich zu, bis er an meinem Bett angekommen ist und sich neben mich hinsetzt. »Ich will dich auf keinen Fall zu irgend etwas zwingen, was du nicht willst, Valeria. Ich will, dass auch du das Gefühl hast, dass mir vertrauen kannst, wie ich dir vertrauen kann«, sieht er mich mit diesen strahlend blauen Augen an. Auch wenn ich es etwas merkwürdig finde, wie sehr er mir damit auf die Pelle drückt und will, dass ich ihm - einen wild fremden Mann einfach so vertraue, sage ich: »Okay...Aber ich will, dass wir es langsam angehen...« Er sieht mich überrascht und zugleich erfreut an. »Das ist gut«, lächelt er. »Aber vorher musst du mir eines erklären...«, sage ich leise. »Ja?«, er sieht mich erwartungsvoll an. Zuerst zögere ich, bevor ich mich endlich traue ihn zu fragen. »Woher kennen wir uns?« Er sieht mich mit einem unlesbaren Blick an. »Ich meine nur...Was für ein Verhältnis hatten wir zueinander, bevor ich meine Gedanken verloren habe?«, sehe ich ihn verzweifelt an. Für einen Moment lang herrscht schon wieder absolute Stille. Er blickt kurz aus dem Fenster, bevor er sich wieder zu mir wandt und seine Augen direkt auf meine treffen, als er sagt: »Wir waren verheiratet, Valeria.«

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