[ 4 ] - Geheimnis

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V A L E R I A

»Aber du musst mir eines erklären...«, frage ich leise. »Ja?«, er sieht mich erwartungsvoll an. Zuerst zögere ich, bevor ich mich endlich traue ihn zu fragen. »Woher kennen wir uns?« Er sieht mich mit einem unlesbaren Blick an. »Ich meine nur ... Was für ein Verhältnis hatten wir zueinander, bevor ich meine Gedanken verloren habe?«, sehe ich ihn verzweifelt an. Für einen Moment lang herrscht schon wieder absolute Stille. Er blickt kurz aus dem Fenster, bevor er sich wieder zu mir wandt und seine Augen direkt auf meine treffen, als er sagt: »Wir waren verheiratet, Valeria.« Ich höre für einige Sekunden augenblicklich auf zu atmen. Ich kann einfach nicht glauben, was ich da gerade gehört habe. Wir waren verheiratet? Das kann nicht sein. Irgend etwas muss er hier vertauschen. Ausgerechnet ich soll Aviel's Ehefrau gewesen sein? Gibt es eigentlich überhaupt etwas, das ich noch nicht weiß?

»Valeria?« Ich werde abrupt von meinen chaotischen Gedanken rausgezogen, als ich Aviel's Stimme neben mir erklingen höre. Ich drehe mich, noch immer irritiert, wieder zu ihm um. »Ist alles okay?«, fragt er mich mit Besorgnis in seinen blauen Augen. »J-ja«, antworte ich etwas zu schnell. »Wirklich?«, hakt er nach. Ich schaue langsam auf den Boden, um seine stechenden Augen zu vermeiden, was mir nicht viel bringt, da ich seinen brennenden Blick trotzdem auf mir spüre. »Bist du dir sicher, dass du mit mir verheiratet warst?«, frage ich vorsichtig. »Valeria...«, sinkt seine Stimme. »Ich will nur sicher gehen, ob das hier keine Verwechlung ist ... Oder, ob du mich vielleicht sogar auch nur reinlegen willst...«, ignoriere ich ihn. Irgendwie kann ich es mir auch vorstellen. Ich kann mir vorstellen, dass er mich in genau diesem Moment, wo ich am verletzlichsten bin, nur um seinetwillen reinlegen will, um mir am Ende hinterlistig in den Rücken zu fallen. Nämlich kann ich mich an nichts erinnern, und dies könnte er als Chance nutzen. Ich hoffe nur innigst, dass das nicht der Fall sein würde.

Er nimmt seine Hand in meine, als er sanft zu mir sagt: »Ich würde so etwas niemals tun, Valeria. Niemals. Nicht dir. Ich liebe dich. Und du bist verwirrt, also erwarte ich keine sofortige Antwort von dir. Ich wollte nur, dass du das weißt. Ich hätte dich nicht geheiratet, wenn ich mir nicht zu 100% sicher war, ob es ernst zwischen uns ist. Du bist die einzige für mich.« Kaum hat er dies ausgesprochen, fehlen mir schon die Worte. Ich muss ihn also wirklich gekannt haben und es scheint wirklich so, als liebt er mich immer noch. Doch wie konnte ich nur solch wichtige und schöne Erinnerungen verlieren? Es macht mich irgendwie traurig, daran zu denken, dass ich wirklich jede einzelne Erinnerung mit diesem Mann - welcher mich offensichtlich auch in dieser Situation noch liebt und mich nicht im Stich lässt, verloren habe. Unser erstes Treffen. Unsere gemeinsamen Zeiten. Unsere Hochzeit. Gott, ich habe diesen Mann erst nicht mal erkannt. Meinen Ehemann. Ich fühle mich so schuldig. Bitte sag mir nicht, wir haben Kinder zusammen. Das würde mich zerstören. Wer würde eine Mutter wollen, die sich nicht einmal an einen erinnern kann?

»Weißt du, wie ich hier hergekommen bin?«, frage ich ihn mit zittriger Stimme. Er sieht mich bestürzt an, so als würde er mir nicht antworten wollen. »Valeria-«, »Sag es mir, Aviel! Warum bin ich hier? Was ist passiert, und warum kann ich mich an nichts mehr erinnern?«, erhebe ich meine Stimme ungeduldig. »Es tut mir leid, aber ich weiß es nicht«, sagt er entschuldigend. »Mir auch«, sage ich leise. »Valeria.« Als ich wieder zu ihm aufblicke, sieht er mir wieder direkt in die Augen, als er sagt: »Auch wenn ich nicht genau weiß, was passiert ist, will ich dass du eines weißt«, er streichelt mit einer Hand meine Wange. »Ich werde immer für dich da sein und dir beistehen, vorallem jetzt gerade wo wir in so einer schwierigen Lage stecken.«, »Danke.«, nuschel ich. »Tut mir leid, dass ich laut geworden bin«, blicke ich etwas beschämt auf den Boden. Er hebt mein Kinn mit seiner Hand - mit welcher er eben noch meine Wange gestreichelt hat, sodass ich ihn wieder ansehe. Er sieht mich wieder mit diesen himmel-blauen Augen an, was mich innerlich ganz verrückt macht. »Es muss dir überhaupt nichts leidtun, Valeria. Du hast ein Recht darauf, wütend zu sein.« Ich lächele ihn dankbar an, als mir plötzlich ein kurzer Gedanke an meine Vision auftaucht. »Ich bin es, A-« A? Wen meinte er mit A? Etwa...Aviel? Ist Aviel die männliche Gestalt ohne Gesicht in meinen ständigen Visionen? Doch, es musste Aviel sein. Das würde auch nur Sinn ergeben. Oder etwa nicht?

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