V A L E R I A
Die eine Woche, welche ich im Krankenhaus verbringen musste, ist nun endlich vorbei, und ich muss ehrlich sagen, ich bin froh dass ich endlich entlassen werde.
Das könnte wohl daran liegen, dass dies wohl die unangenehmsten Tage meines Lebens waren — sofern ich mich überhaupt wieder an die Zeit bevor ich ins Krankenhaus eingeliefert wurde, erinnern kann.
Ich bin jedoch froh, dass sich zumindest meine seltsamen Visionen etwas gelegt haben. Doch ich weiß immer noch nicht, wie es mit Aviel weitergehen soll.
Er hat mir seine Liebe gestanden, doch noch immer keine Antwort von mir erhalten.
Irgendwie tut es mir ja leid, aber ich weiß einfach nicht, wie ich auf sowas reagieren soll. Vorallem wenn so ein Geständnis von einem Mann kommt, an den ich mich kein Stück mehr erinnern kann.
Seitdem ist zwischen uns auch nicht mehr viel passiert. Er hat mich zwar auch danach jeden Tag im Krankenhaus besucht, doch sein Geständnis hat er dabei nie angesprochen.
Und dann gibt es da noch eine Sache, die mir bis jetzt nicht entgehen will — oder besser gesagt, entgehen kann. Und diese "Sache" — oder soll ich lieber sagen — "diese Person" ist kein anderer, als der mysteriöse ausländische Mann, welchen ich seit dem ich hier bin, immer wieder sehe.
Und mit "immer wieder" meine ich, immer wenn Aviel oder die Ärzte nicht da sind.
Der Mann mit den leersten Augen, die ich je gesehen habe, taucht immer auf, wenn wir beide alleine sind, und das auch nur kurz.
Entweder sieht er mich mit einem selbstgefälligen Grinsen in seinem perfekten Gesicht an, oder er starrt mich einfach nur von weitem an, wenn ich mal aus meinem Zimmer gehe, um frische Luft zu schnappen.
Er ist immer da. So, als würde er mich jede Sekunde meines Aufenthalts hier beobachten und in seinem Sichtfeld haben wollen. Und es macht mir Angst.
Will er etwas von mir? Oder macht es ihm Spaß, mir immer wieder so eine Angst einzujagen? Ist er ein Perverser? Oder noch schlimmer — wartet er etwa auf den perfekten Moment, um mich zu entführen und in seinem Keller zu verscharren?! Will er mich vergewaltigen?!?
Ich schüttel den Kopf, um von diesen negativen Gedanken abzukommen, und setze mich stattdessen auf dem Krankenhaus-Bett auf, während ich darauf warte, dass ein Arzt reinkommen würde, um mich nach hause schicken zu können.
Dies dauert nicht lange an, als ich ein Klopfen an der Tür höre. Ich sehe augenblicklich zur Tür auf, als sie von jemandem aufgeschoben wird.
Eine junge blonde Ärztin, die ich zumindest vorher bei mir noch nie gesehen habe tritt mit einem Lächeln in das Zimmer herein.
Ich blicke sie nervös mit einem Hauch von Erwartung in meinen Augen an, während ich darauf warte, dass sie mir endlich mitteilen würde, ob ich jetzt wohl nach hause gehen könne.
Doch zu meiner Überraschen tut sie dies nicht, als sie stattdessen zu mir sagt: »Guten Morgen, Miss Morelli. Ich hoffe Sie sind bereit, heute Abend wieder nach hause zu gehen.« Miss Morelli? Das muss also mein Nachname sein.
Irgendwie finde ich es fragwürdig, dass das einzige, woran ich mich erinnern kann, mein Vorname ist, und wie alt ich bin. Aber warte mal — Heute Abend?! Was meint sie damit? Ich muss also noch mehrere Stunden warten, bis ich endlich nach hause kann?
»J-ja«, antworte ich schlicht auf ihre Frage. Eigentlich bin ich überhaupt nicht damit einverstanden, erst heute Abend nach hause gehen zu können, doch ich habe den Ärzten in den letzten Tagen schon genug Arbeit bereitet, also sehe ich davon ab, mich zu beschweren.
Die Ärztin erklärt mir noch einiges über meine Vitalwerte, bis sie sich freundlich von mir verabschiedet, und wieder aus der Tür verschwindet.
Und was soll ich nun die nächsten Stunden tun, bis ich nach hause gehen darf? Doch kaum habe ich diesen Gedanken beendet, geht die Tür zu meinem Zimmer wieder auf, doch dieses mal ist es kein Arzt.
Aviel tritt vorsichtig in das Zimmer ein, als er mich fragt: »Hey, darf ich reinkommen?« Ich nicke. »Ich habe gehört, dass sie dich noch nicht gehen lassen wollen, also habe ich mir gedacht, ich könnte dir etwas Gesellschaft leisten«, lächelt er, als er in das Zimmer reinkommt und sich auf einen Stuhl in der Nähe meines Bettes setzt.
»Das ist lieb, danke«, sage ich ihm dankbar. Seine Nettigkeit macht es mir nur noch schwerer, mich nicht schuldig zu fühlen.
-
Etwa zwei Stunden lang saßen wir beide also einfach nur da, und führten smalltalk.
Es ist mir zwar etwas unangenehm gewesen, jedoch bin ich ihm dankbar dafür, dass er sich die Zeit genommen hat, bei mir zu bleiben, bis er plötzlich einen Anruf bekommt und rangeht.
Er redet für eine Weile mit jemandem am Telefon, doch ich kann den Kontexts des Anrufs nicht ziehen. Er legt auf.
»Tut mir leid, Valeria. Es ist etwas geschäftliches, also sollte ich ... «, er steht auf und deutet auf die Tür. »J-ja, klar. Danke dass du so lange hier warst.«, »Gerne doch«, lächelt er mich an, bevor er sich verabschiedet und das Zimmer verlässt.
Die nächsten 20 Minuten verlaufen eher ruhig, bis plötzlich meine Tür wieder aufgeht, und dieselbe ältere Ärztin wie von vor zwei Wochen hereinspaziert. »Miss Morelli, es ist so weit. Sie können endlich nach hause.«, »W-wirklich? Danke«, atme ich erleichtert auf, als ich mich von meinem Bett erhebe.
»Wissen Sie schon, wie Sie nach Hause kommen?«, fragt die Ärztin mich. Mist. Daran habe ich nun wirklich nicht gedacht. Wo wohne ich überhaupt? Was soll ich jetzt nur tun?
»Sie fährt mit mir«, erklingt plötzlich eine fremde Stimme von der Tür aus.
Ein Mann mit dunkelbraunen Haaren und leuchtend grünen Augen tritt mit einem selbstbewusstem Grinsen in das Zimmer ein.
Er trägt ein weißes Hemd, welches ihm wie angegossen passt, und gleichzeitig seinen muskulösen Körper zum Vorschein bringt. Wer ist das?
»Tut mir leid, ich habe mich noch nicht vorgestellt«, wendet er sich von der Ärztin ab, und sieht mich nun direkt an. »Morelli. Fabio Morelli.« ... Morelli? Wer zur Hölle ist das? »Sie sind?«, fragt die Ärztin. »Valeria's Bruder.«

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Gebunden
Novela JuvenilDie 23-jährige Valeria Morelli hat nach ihrem schweren Autounfall keinerlei Erinnerungen an ihr Leben davor. Während sie die Zeit im Krankenhaus verbringt, hofft sie innigst darauf, ihre Erinnerungen wiederzuerlangen, als ihr plötzliche Visionen vor...