11. Probleme

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Athan sah mich gequält an und ließ unabsichtlich die Gießkanne fallen.
Er setzte an, etwas zu sagen, aber dazu kam es nie.
Bei seinem ersten Schritt auf mich zu schien er, mit seinem Bein an einem der vielen Rosenbüschen hängen zu bleiben und im nächsten Moment stolperte er schon zu Boden.

Als ich sah, dass er einfach liegen blieb, stieg kalte Panik in mir hoch und ich rannte sofort los.
Ich sprang nur mit Socken von der Terasse und rannte über das Rosenfeld, worauf ich mir schnell einen Schmerzensschrei verkneifen musste, als sich die dicken Dornen in meine Füße gruben.
Aber ich rannte weiter, bis ich bei ihm war.
"Athan! Athan...! Gott, was ist los?!" murmelte ich und ließ mich auf die Knie neben ihn fallen.
Er lag zusammengekauert auf der Seite und seiner Haltung nach zu urteilen, hatte er schlimme Schmerzen im Bauchraum und im Unterleib.
Jedoch schien er so benommen und durcheinander, dass er mir nicht antworten konnte.
"Hast du Bauchschmerzen? Athan, rede mit mir!"
Ich wusste nicht, was ich tun sollte. 
Ich wusste nicht, was er genau hatte, ich wusste nicht, was passiert war...
Hatte er etwas falsches gegessen? Etwas falsches getrunken? Sich vielleicht verletzt?
Hatte er... zu viele Pillen genommen?

An das alles zu denken, half mir nicht.
Ich sollte mich darauf konzentrieren, wie ich einen Mann, der sicher 70 Kilo schwerer als ich war, aus einem verdammten Feld voller stechender Rosen bekommen sollte...
Oder wie ich ihm helfen könnte.
Ihn so zu sehen... brach mir das Herz.
"Athan, kannst du aufstehen?" fragte ich vorsichtig und er nickte unsicher.
Trotz der Schmerzen schien er, wieder etwas zu sich zu kommen und versuchte stöhnend, sich aufzusetzen.
Ich half ihm so gut ich konnte und brachte ihn dazu, sich auf mich zu stützen.
"Aufstehen musst du alleine, aber ich kann dir helfen, aus dem Feld zu kommen." meinte ich und tat mein Bestes, ihm zu helfen.
Ich stemmte meine Füße in den Boden und ignorierte den stechenden Schmerz der Dornen in meiner Haut.
Athan brauchte Hilfe und seine Schmerzen überstiegen meine bei weitem.
Ich sollte mich schämen, dass sich schon bei dem Schmerz in meinen Füßen Tränen in meinen Augen ansammelten.

"Komm schon... langsam..." murmelte ich ihm ermutigend zu, als er es tatsächlich geschafft hatte, aufzustehen.
Seine linke Hand hatte er auf meine linke Schulter gestützt, seine andere lag schützend um seinen Bauch.
"Nur noch ein bisschen. Gleich hast du's..."
Kurz darauf erreichten wir den Rand des Rosenfeldes und ich half Athan, sich auf die Holzterrasse zu setzen.
Als ich ihn losließ, legte er sich hin und zog sich vor Schmerz erneut zusammen.
"Was tut dir weh...?" flüsterte ich und er öffnete blinzelnd die Augen, die er fest zusammengekniffen hatte.
"I-ich... agh!..."
Mehr brachte ich nicht aus ihm heraus...
Langsam machte sich die Panik in mir breit und ich kniete mich mit Tränen in den Augen zu ihm.
"Leg deinen Kopf auf meinen Schoß." meinte ich leise und strich seine Haare zurück, bevor er seinen Kopf tatsächlich auf meinem Schoß ablegte.
Ich wusste, dass ich nichts tun konnte, um ihm zu helfen. Ich wusste nicht einmal, was er hatte...
Also konnte ich ihm nur zusehen, wie er sich vor Schmerzen krümmte.
Könnte ich doch nur irgend etwas tun...
Wüsste ich doch nur, was ich jetzt machen sollte.

Sanft legte ich meine Hand auf seine Seite und strich darüber.
Athan schnappte nach Luft, sein Körper zitterte vor Anstrengung und Schmerz.
"Bitte halte noch ein bisschen durch..." flüsterte ich und drängte meine Tränen zurück.
Es waren gar nicht die Schmerzen in meinen Füßen, die mich dazu brachten.
Es war die Hilflosigkeit, die an meinem Gewissen zerrte und mir klar machte, dass ich Athan nicht helfen konnte.

.
Einige sehr lange Minuten später hatte er das Bewusstsein verloren.
Er regte sich nicht mehr.
Alles, was mir versicherte, dass er noch lebte, war sein schwacher Atem, den ich spürte, als ich meine Hand vor sein Gesicht hielt.
Ich... war irgendwie erleichtert. Aber auch sehr beunruhigt. Alles mögliche und trotzdem nichts hätte ihm solche Qualen bereiten können... und ich wusste nicht, wann er wieder aufwachen würde.
Ob er dann noch Schmerzen haben würde...
Ich hatte keine Ahnung.
Oder?...
War da nicht etwas?
"Denk nach, Micah..."
Irgendwas musste doch...
Ja.
Es musste etwas mit den Pillen oder dem Abendessen zu tun haben.

Vorsichtig hob ich Athans Kopf an, stand auf und legte ihn auf dem Holzboden der Terasse ab.
Bevor ich jedoch auf meine Suche ging, holte ich einen Polster und eine dicke Decke von einem der Betten im Haus.
Ich legte den Polster unter Athans Kopf und deckte ihn gegen die Kälte des herrschenden Winters zu.
Ich ging hinein und ließ die gläserne Schiebetür, vor der Athan lag, weit geöffnet.
Und dann...
begann ich, zu suchen.

𝑫𝒆𝒂𝒅𝒍𝒚 𝒂𝒇𝒇𝒆𝒄𝒕𝒊𝒐𝒏Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt