- 7: Stille und Schweigen-

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Ganz Hogwarts schlief vermutlich, nur ich nicht. Und ich konnte Draco vor meinem inneren Auge sehen. Er schlief sicher auch nicht. Ich stellte mir die Frage, ob er wieder dort oben auf dem Turm war. Ich war es nicht. Noch nicht. Weil ich in meinem Bett lag und nicht wusste, ob ich gehen sollte.

Am Ende meiner Unentschlossenheiten traf ich trotz dessen immer die gleiche Entscheidung. Und deshalb befand ich mich, nicht lange darauf, mal wieder an meinen Lieblingsort und war tatsächlich nicht allein.

»Oh, was ein Zufall, dass wir uns ausgerechnet hier wieder treffen«, sagte ich sarkastisch. Er stand nicht, um in den Himmel zu schauen, wo es in dieser Nacht eh nichts zu sehen gab, außer dunkles Grau. Er saß an der Steinwand und blickte auf. Allerdings hatte er den Kopf wieder gesenkt, als ich begann zu sprechen.

Ich ließ mich neben ihm nieder. Ein seltsames Gefühl zugegebenermaßen. Ich, Anastasia O'Conner mit ihm, Draco Malfoy, der mich verachten sollte und den ich ebenfalls verachten sollte. Doch das tat ich nicht. Fast schon im Gegenteil.

»Du spielst gut«, sagte er knapp. Das kam plötzlich.
»Ob du es glaubst, oder nicht, das weiß ich selber«, ahmte ich ihm selbstsicher nach. Und es war die Wahrheit. »Ein jahrelanger Unterricht muss sich schließlich auch auszahlen, nicht wahr?«
»Ich meinte nicht nur Klavier. Auch Quidditch.« Ich sah ihn stirnrunzelnd an.

»Wird das jetzt zur Gewohnheit, dass wir uns gegenseitig nachlaufen, auflauern und beobachten?«
»Ich habe lediglich bei eurem Training zugesehen. Ich wusste nicht, dass Potter seinen Posten aufgegeben hat. Hat ihm doch so viel gute Aufmerksamkeit gegeben.« Er wischte an seiner Anzughose herum, als hätte er dort Staub entdeckt.
»Und ich wusste nicht, dass dich interessiert, wie unser Team spielt. Für dich ist es nur wichtig, dass Slytherin gut spielt. Außerdem hast du doch auch vor geraumer Zeit deinen Posten aufgegeben.«
»Ich hatte die Aufmerksamkeit nicht nötig.«

Die Aussage kam unerwartet schnell. Ich schüttelte schnaubend den Kopf. »Weißt du, worüber ich mich wirklich wundere?« Ich sah wieder zu ihm. »Warum du überhaupt mit mir hier sitzt. Du hast etwas gegen all meine Freunde und ich bin wie Hermine, was mein Blut angeht. Aber im Gegensatz zu ihr, musste ich mir noch nichts anhören, was das angeht.«
Keine Antwort. Vielleicht brauchte ich die auch nicht. Mir reichte sein Schweigen. Dieses Schweigen konnte jedoch so viel bedeuten. Vielleicht bereute er es gar, dass er diese schlimmen Dinge sagte?

»Mir ist da eine Idee gekommen.« Als ich in meinem Bett lag und meine Gedanken wieder um das gleiche Thema streiften. »Wie wäre es, wenn wir uns jede Nacht, in der wir hier sind, jeweils eine Frage stellen, die der andere dann ehrlich beantwortet. Mir scheint es nämlich, als würden wir doch einiges übereinander wissen wollen.« Wieder keine Antwort. Nichts. Ich habe mir gedacht, er würde nichts davon halten. Ich habe mir gedacht, dass er vielleicht nie bereit sein könnte, genau mir von seinen Problemen zu sprechen, und es war okay.

»Du musst nicht reden, Draco.« Es war das erste mal, dass ich ihn mit seinem Vornamen ansprach, doch es kam bisher auch nicht oft dazu, dass ich irgendeinen Teil seines Namens sagen musste. »Du musst das nicht. Es ist deine freie Entscheidung. Es war nur eine Idee, weil ich das Gefühl habe, dass wir uns hier sehen, könnte öfter passieren. Dann wären Themen, über die wir reden können, nicht schlecht.«

Vor mir tauchte das Bild von den Thestralen in meinem Kopf auf. Auch wenn er nichts von sich preisgeben wollte, ich wäre bereit dazu. Oder? War ich das wirklich?
»Mir fällt es auch schwer, über Probleme zu reden«, gab ich zu. »Es ist in Ordnung, wenn du mir nichts erzählen willst. Wieso auch mit mir.« In meiner Stimme lag ein Unterton der Ironie, aber ich wurde wieder ernst. »Du wolltest wissen, warum ich Thestrale sehen kann, richtig?« Er wandte sich zu mir und blieb still.

»Ich sah meine Eltern sterben.« Wie ein Pflaster. Einfach schnell abziehen, um den Schmerz so kurz wie möglich zu halten. Seine Aufmerksamkeit galt mir.

»Wir saßen im Auto und standen an einer Kreuzung, als ein zweites Auto von der anderen Straße kam und in die vordere Front unseres Wagen krachte. Ich war neun damals. Ich saß auf dem Rücksitz, deswegen hatte es mich nicht erwischt. Aber meine Eltern starben vor meinen Augen noch bevor der Rettungsdienst eintraf.« Ich schluckte, um die Tränen herunterzuschlucken, die mir kommen wollten.

Stille und Schweigen. Seine Augen lagen noch immer auf mir. Das sah ich im Augenwinkel.
»Meine Großmutter hat mich dann weiter aufgezogen, bis sie vor ein paar Jahren auch gestorben ist. Dann hat mich Rons Familie aufgenommen«, erzählte ich nach einer Weile zu ende.

Dann schwiegen wir beide. Meine Augen waren mit Tränen gefüllt, eine löste sich und rollte meine Wange hinunter. All das war in Ordnung. Dass er nichts sagte, wenn es um ihn oder eben um mich ging. Mir würde es ganz sicher genauso gehen, wenn ich in seiner Position wäre.

Ich verlor zu viel Menschen, die mir alles bedeuteten. Drei waren schon drei zu viel. Irgendwie war ich dankbar für sein Schweigen in diesem Moment. Das zeigte mir, dass auch er Respekt besaß. Aber daran hatte ich trotz seines miesen Verhaltens nie gezweifelt. Und jetzt war da kein mieses Verhalten mehr. Ich sah nur noch Traurigkeit in ihm, die ich nicht beschreiben konnte. Ich wusste, dass da so viel war, das ihn bedrückte.

»Es ist echt befreiend, jemanden davon zu erzählen«, sagte ich dann. »Deswegen kann ich meistens nicht schlafen. Es ist so lange her, aber immer noch der Hauptgrund für meine schlaflosen Nächte, die mich hierher führten.«

Befreiend war es wirklich. Um etwas verarbeiten zu können, musste man darüber reden. Um nicht allein zu sein, wenn man etwas durchmachte, musste man reden. Ich wusste, er war allein. Das sollte er nicht. Was auch immer seine Probleme waren, er sollte nicht allein sein.

Aber wenn er nichts sagen wollte, verstand ich das. Ich selbst brauchte auch ewig, bis ich Hermine oder einen der anderen von dem Tod meiner Eltern erzählte.

Hermine war meine erste Freundin, die ich gefunden hatte. Wir teilten uns ein Abteil im Hogwartsexpress, als es zum ersten Mal zum Schloss ging.

Jetzt waren es sechs Jahre später. Wir sind unzertrennlich und plötzlich sitze ich hier mit jemanden, gegenüber dem ich von Anfang an eigentlich skeptisch war und erzählte ihm, warum ich nachts nicht schlafen konnte, obwohl es so viele Jahre her ist. Um genau zu sein, sieben Jahre.

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autor note:

Langsam geht es hier etwas voran mit Anastasia und Draco.

Lasst mich gerne in den Kommentaren wissen, wie es euch gefällt und ob ich die Atmosphäre und Charaktere gut schreibe.

We go down together || Draco Malfoy Fanfiction [Harry Potter]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt