17 - Der Moment der Wahrheit

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Mit pochendem Herzen kehrte ich in den Laden zurück. Die Vorstellung, mich heute Abend mit Max auszusprechen, ließ mich förmlich durch die Tür schweben. Gut gelaunt bediente ich die Kundschaft, die gerade hereinkam. Jede Bewegung, jedes Geräusch in meinem kleinen Laden schien die Spannung in mir zu verstärken.

Der Tag schien sich in einem unerwarteten Tempo zu bewegen, als ich nach Feierabend beim Spanier etwas zu essen für Jule, Paul und mich besorgte. Die verschiedensten Köstlichkeiten in Form von Tapas stellten wir in die Mitte des Tischs in Jules und meiner Wohnung.

"Was gibt's Neues an der Badboy-Front?", fragte Paul mit einem schelmischen Grinsen.

"Wir haben uns vorhin tatsächlich mal wieder unterhalten," erklärte ich, während ich mir eine Dattel im Speckmantel nahm. "Er will nach der Arbeit vorbeikommen und dann reden wir."

Ich entschied mich bewusst dafür, Max' langen Aufenthalt in den USA nicht zu erwähnen. Es war zu persönlich und ich musste selbst erst einmal herausfinden, worum es dabei ging.

"Und wo arbeitet er?", wollte Jule wissen, während sie genussvoll kaute.

"Er ist Veranstaltungsmanager."

"Interessant", murmelte Paul, während Jule nachfragte, was man als Veranstaltungsmanager eigentlich mache.

"Alles was mit Veranstaltungen zu tun hat. Man plant Events, von kleinen Feiern bis hin zu großen Konzerten. Glaube ich," erklärte Paul.

"Wow, klingt doch gut", bemerkte sie begeistert. "Und bodenständig." Eine Anspielung, die ich grinsend zur Kenntnis nahm. "Worüber wollt ihr denn reden?"

Ich seufzte und strich mir eine Strähne meines blonden Haares aus dem Gesicht. "Ich habe ihn von Anfang an falsch eingeschätzt und das tut mir leid. Ich möchte ihm noch einmal erklären, was passiert ist und hoffentlich können wir danach wenigstens wieder normal miteinander umgehen."

Jule lächelte mich aufmunternd an. "Das klingt nach einem Plan. Ich bin sicher, Max wird deine Entschuldigung annehmen."

Ich hoffte inständig, dass sie recht hatte. Kaum hatte sie ihre Worte ausgesprochen, klingelte es und ich spürte, wie mein Herz einen Schlag aussetzte. Als ich die Tür öffnete, stand Max mit einem erwartungsvollen Blick vor mir und ich wusste, dass er darauf wartete, hereingelassen zu werden.

"Gehen wir lieber runter. Da sind wir ungestört," schlug ich vor. Er nickte zustimmend, bevor er mir in den Laden nach unten folgte.

"Also, was gibt's?" Max nahm einen Dekoartikel in die Hände und betrachtete ihn genau.

"Ich denke, wir sollten noch einmal von vorne anfangen," begann ich zögernd.

Max legte den Artikel zurück auf seinen Platz und sah mich ernst an. "Ach, meinst du, du hättest dann ein anderes Bild von mir?"

"Ich dachte, du hättest meine Entschuldigung angenommen?" Meine Verwirrung war deutlich hörbar.

"Ja, aber das heißt nicht, dass ich gut finde, wie du über mich denkst," erklärte er ruhig.

Ich spürte, wie sich ein Kloß in meinem Hals bildete, als ich nach den richtigen Worten rang. "Vielleicht hilft es dir, wenn ich es dir erkläre."

Max nickte knapp und ich holte tief Luft, bevor ich von Jake Rivers und dem Roman erzählte. Er hörte aufmerksam zu, doch ich konnte sehen, wie sich seine Stirn immer wieder in Falten legte, als er darüber nachdachte, was ich sagte.

"Nur damit ich das richtig verstehe ... Eine Beschreibung über einen fiktiven Charakter aus einem verdammten Buch erinnert dich an mich? Und deshalb denkst du, ich bin genauso wie er?" Max' Stimme war ruhig, trotzdem voller Verletzung. "Ich bin vielleicht nicht perfekt, aber ich bin auch nicht dieser Jake Rivers, Lina."

In meinem Hals bildete sich ein Kloß, der mir das Atmen erschwerte. Er hatte recht. Max war nicht Jake Rivers. Max war ... nun ja, Max. Der Bruder des Verlobten meiner Schwester. Und der Mann, der mir auf gewisse Art und Weise etwas bedeutete. In den ich mich vielleicht sogar ein bisschen verknallt hatte.

Unfähig, ihm ins Gesicht zu sehen, ließ ich meinen Blick nach unten senken. Er hatte es auf den Punkt gebracht und ich konnte nur zustimmen. "Ich weiß, es war dumm, dich mit ihm zu vergleichen. Aber ... du bist ihm so ähnlich, Max," versuchte ich, die Situation zu erklären und mich irgendwie zu rechtfertigen.

"Einen Scheiß weißt du! Ich gebe zu: Als ich dich das erste Mal sah, hatte ich vielleicht nicht die besten Absichten."

"Was meinst du?", unterbrach ich ihn, obwohl ich sicher war, die Antwort bereits zu kennen.

"Herrgott, ich habe dir sogar diese scheiß Tickets als Dankeschön geschenkt, weil ich dachte, du würdest dich erkenntlich zeigen. Aber stattdessen bist du davon ausgegangen, dieser Hirni hätte sie dir geschenkt!"

Haareraufend lief Max im Laden auf und ab, während ich seine Worte erst einmal verarbeiten musste. "Die Konzertkarten waren von dir?"

"Überraschung." Er lachte trocken auf, seine Stimme voller Ironie.

Perplex und mit offenem Mund stand ich da, unfähig, die richtigen Worte zu finden.

"Aber je öfter ich dich sah, umso weniger wollte ich dich einfach nur ins Bett kriegen," erklärte er weiter.

Diese Erkenntnisse, die ganze Situation überforderte mich gerade einfach nur. "Was wolltest du dann?", fragte ich vorsichtig und mit ruhiger Stimme nach.

Er schwieg, sah nur aus dem Fenster und zuckte mit den Schultern. "Vielleicht hattest du die ganze Zeit recht. Badboys wollen keine Beziehungen eingehen. Sie wollen ihre Freiheit."

Ich trat einen Schritt nach vorne und versuchte, seinen Blick einzufangen. "Du willst mir jetzt aber nicht sagen, dass du eigentlich Interesse hast und dich dennoch auf keine Beziehung einlassen kannst?"

Er nickte wortlos, woraufhin ich den Kloß, der mir schon eine ganze Weile in der Kehle saß, herunterschluckte. Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte, und es ergab für mich auch keinen Sinn. Überfordert drehte ich mich um und spürte einen Anflug von Tränen in mir aufsteigen.

"Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll", murmelte ich leise.

Max trat näher zu mir, drehte mich zu ihm und sah mit seinen dunklen Iriden tief in meine Augen. Sanft legte er seine Hand unter mein Kinn, hob es an und strich mit seinem Daumen eine Träne weg, die gerade an meiner Wange entlang kullerte. Für einen Augenblick hielt ich den Atem an und spürte eine unbeschreibliche Wärme, die sich in meinem Inneren ausbreitete, als ob seine Berührung alle Sorgen hinfortwehn würde.

"Hätte ich dich doch ein bisschen früher getroffen, Prinzessin." Ein kleines Lächeln spielte um seine Lippen.

"Was ist an jetzt so verkehrt, Badboy?"

Er holte tief Luft und ließ seine Hand wieder sinken. "Es geht einfach nicht."

Mit diesen Worten ging er zur Tür hinaus, mein Herz schwer von der Last der ungesagten Worte und unausgesprochenen Gefühle. Der Raum fühlte sich plötzlich kälter an, als ob ein Stück von mir mit Max gegangen wäre. Ich starrte ihm hinterher, ließ meine Tränen still fließen und fragte mich, wie es so weit kommen konnte. Schweren Herzens lief ich ihm nicht nach und blieb stattdessen mit einem Wirrwarr aus Emotionen alleine.

 Schweren Herzens lief ich ihm nicht nach und blieb stattdessen mit einem Wirrwarr aus Emotionen alleine

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