Das Kribbeln dieses Moments war atemberaubend. Ich konnte meinen Blick nicht von Max abwenden und schmolz förmlich dahin, als seine dunklen Augen auf meine trafen. Es fühlte sich an, als würden wir in unserer eigenen kleinen Blase schweben, weit entfernt von der Realität um uns herum.
Meine Unterlippe zitterte vor Aufregung, also biss ich sanft darauf, um sie ruhig zu stellen. Als Max seine Hand auf meine Wange legte und liebevoll darüber strich, durchzuckte mich ein prickelndes Gefühl, als wäre ein Funke zwischen uns übergesprungen. Seine Berührung ließ meine Haut wie elektrisiert erscheinen und ein wohliger Schauer lief mir den Rücken hinunter.
Ein kaum hörbares Keuchen entwich meiner Kehle. Ein unbeschreibliches Verlangen durchströmte mich und ich fragte mich, warum alles in verdammter Zeitlupe geschehen musste.
Als seine Lippen fast die meinen berührten, spürte ich ein angenehmes Ziehen in meinem Unterleib. "Lina", hauchte Max leise und ich genoss einfach nur. Seine Stimme, die meinen Namen nannte. Den Moment. Seine Nähe. Seinen Duft. Seine Berührungen ... In diesem Augenblick vergaß ich alles um mich herum, vergaß die Realität, die wie eine unsichtbare Mauer um uns herum stand. Es war, als würden wir allein auf der Welt sein, als wäre ich inmitten von den Scherben in Sicherheit geborgen.
Doch als die Tür aufging und ich meine Schwester und Gregor in der Tür stehen sah, schnitt mich plötzlich eine Scherbe. "Au, verdammt", stieß ich einen Schmerzenslaut aus. Max hatte bereits seine Hand von meiner Wange genommen und fluchte leise, als er das Blut sah, das aus meiner Hand tropfte. "Fuck!"
Blut? Oh mein Gott ... Mir wurde schlagartig schwindelig und ich lehnte mich gegen die Arbeitsplatte, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Wenn ich etwas überhaupt nicht sehen konnte, dann war es Blut. Einmal hatte sich Paul so tief mit der Gartenschere in die Hand geschnitten, dass er am Ende sogar mich versorgen musste, weil ich fast in Ohnmacht gefallen war.
"Lina!", rief meine Schwester besorgt, eilte zu mir herüber und drückte mir ein sauberes Handtuch auf die Wunde. "Du musst die Blutung stoppen."
Obwohl mir gerade eben noch heiß war, spürte ich plötzlich einen Kälteschauer über meinen Rücken laufen. Als Max sich gerade bücken wollte, um die restlichen Scherben aufzusammeln, kam Gregor ihm zuvor. "Ich mache das schon. Geh du mit Lina ins Wohnzimmer."
Max nickte wortlos, half mir hoch und führte mich an den Schultern zu der Couch.
"Zeig mal her", sagte er, als wir uns setzten. Er nahm meine Hand in seine und betrachtete die Wunde genau. Sein Blick war konzentriert, aber gleichzeitig auch beruhigend. Ich konnte spüren, wie sich meine Anspannung langsam löste, als er feststellte, dass keine Scherbe in meiner Hand feststeckte.
"Nun, nach einer gründlichen Untersuchung und einer tiefgreifenden Analyse Ihrer Situation muss ich Ihnen mitteilen, dass die Lage nicht so düster ist, wie es den Anschein hat", verkündete er mit einem Hauch von theatralischer Dramatik und versteckt dabei ein Grinsen. "Es scheint, als hätten Sie lediglich eine kurze Begegnung mit dem Schrecken gehabt, aber keine Sorge, der Tod hat heute Abend andere Pläne."
Erleichtert lachte ich auf. Trotzdem war es seltsam, wie schnell sich die Atmosphäre ändern konnte - gerade eben waren wir uns noch so nahe. Fast intim. Jetzt auch, aber auf andere Art und Weise. Es war, als wäre zwischen uns eine unsichtbare Grenze errichtet worden, die uns voneinander trennte, obwohl wir nur wenige Zentimeter voneinander entfernt saßen.
"Was war das gerade eben?", fragte ich schließlich, meine Worte bedächtig. Ich konnte nicht anders, um zu verstehen, was zwischen uns passiert war.
Max zögerte einen Moment und wurde wieder ernst, bevor er antwortete. "Ich weiß es nicht, Lina, aber ... ich kann das einfach nicht."
Die Stille, die auf seine Worte folgte, war drückend. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, wie ich reagieren sollte. Alles, was ich wollte, war, diesen Moment vor wenigen Minuten zu vergessen.
Aber tief in meinem Inneren wusste ich, dass das nicht möglich war. Etwas war zwischen uns passiert. Etwas, das nicht rückgängig gemacht werden konnte. Etwas, was mir viel bedeutete. Vielleicht sogar uns beiden, doch er war nicht in der Lage, seine Gefühle zuzulassen.
Als Gregor und Inga mit vorsichtigen Schritten ins Wohnzimmer kamen, spürte ich ihre Blicke auf uns ruhen. Wir wussten beide, dass sie unseren intimen Moment gesehen hatten. Es musste für sie genauso unangenehm sein wie für uns, besonders da ihre große Feier bevorstand.
"Alles in Ordnung hier?", fragte Inga mit besorgtem Blick.
"Ja, klar", antwortete ich schnell, zwang mich zu einem Lächeln, obwohl mir alles andere als zum Lachen zumute war. Ich stand auf und deutete auf meine Hand, die immer noch leicht blutete. "Ich gehe mal das Blut abwaschen."
Inga folgte mir ins Badezimmer und setzte sich auf den Rand der Badewanne, während ich meine Hand unter ein wenig fließendes Wasser hielt. Das kühle Nass tat gut, doch trotzdem konnte ich nur an Max' Worte denken.
Ich kann das einfach nicht ...
"Was mache ich denn jetzt?", fragte ich meine Schwester schließlich, den Blick auf das rote Wasser im Spülbecken gerichtet. Ein Knoten zog sich in meinem Magen zusammen. Ich wusste, was ich für Max empfand, aber was sollte ich jetzt tun, wo klar war, dass er seine Gefühle nicht zulassen wollte?
Inga betrachtete mich einfühlsam, stand auf und legte sanft eine Hand auf meinen Rücken. "Lina, ich weiß, dass das nicht einfach für dich ist", sagte sie ruhig. "Aber manchmal müssen wir akzeptieren, dass die Dinge nicht so sind, wie wir es gerne hätten. Max braucht wahrscheinlich einfach nur ein bisschen Zeit."
Ich seufzte und ließ meinen Blick sinken. Es war schwer, die Realität zu akzeptieren, besonders wenn sie so schmerzhaft war. Aber ich wusste, dass Inga recht hatte.
"Vielleicht ist es besser, wenn ich einfach versuche, darüber hinwegzukommen", murmelte ich schließlich, obwohl es sich anfühlte, als würde mein Herz in tausend Stücke zerbrechen.
Gregor klopfte an die Tür und erkundigte sich, ob alles gut sei. Wir öffneten die Tür und gingen in die Küche, wo Inga mir einen Verband um die Handfläche band.
"Ich gehe dann mal schlafen", sagte ich leise und vermied es, Max anzusehen. "Ich habe dir alles oben hingelegt. Schlaf schön", fügte Inga hinzu und drückte mich fest an sich. Dann flüsterte sie mir ins Ohr. "Du bist eine starke Frau, Lina. Vergiss das nicht."
In dem Moment wagte ich doch einen Blick zu Max. Sein Gesichtsausdruck verriet leichte Reue, während er mich beobachtete. Es fühlte sich an, als würde er etwas sagen wollen, doch seine Worte blieben unausgesprochen.
Ich zwang mich, den Blick abzuwenden und ging langsam die Treppe hinauf zu dem Gästezimmer. Jeder Schritt war schwer, als würde ich eine Last mit mir tragen, die ich nicht ablegen konnte.
Oben angekommen, ließ ich mich auf mein Bett sinken und starrte an die Decke. Mein Herz schmerzte, als ich über die Ereignisse des Abends nachdachte. Es war schwer zu akzeptieren, dass meine Gefühle nicht erwidert wurden, besonders von jemandem, den ich so sehr mochte. Jemandem, den ich von Anfang an falsch eingeschätzt hatte. Doch selbst wenn nicht, hätte es vermutlich nichts geändert. Er war von seiner Vergangenheit so geprägt, dass er diesen Schmerz erst noch überwinden musste.
Trotzdem versuchte ich, mich an Ingas Worte zu erinnern. Ich war eine starke Frau und würde das durchstehen. Es würde Zeit brauchen, aber ich würde darüber hinwegkommen. Ich musste einfach weitermachen und mein Leben leben, auch wenn es bedeutete, dass ich einen anderen Weg gehen musste.
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Seitenwechsel (ONC 2024)
Romance•• Mein Beitrag zum ONC 2024 •• Lina, die leidenschaftliche Inhaberin eines Blumenladens, führt ein ruhiges Leben, bis der charmante Max auftaucht - ihr neuer Nachbar mit einem Hauch von Badboy, der sie an den faszinierenden Protagonisten ihres Lieb...