Warrior Nun: Das Nachspiel

Kapitel 42

Seit dem Morgen war Ava verschwunden. Als Lilith gegen Mittag von ihrer Aufklärungsrunde zurückkam, waren alle damit beschäftigt umgefalle Gegenstände aufzuräumen und davon lagen überall eine Menge auf dem Boden verteilt. Alle, bis auf Ava. Sie musste nicht einmal fragen, was passiert war. Unmittelbar nach ihrem ankommen erzählte Mutter Oberin ihr alles. Irgendetwas lief gerade bei Ava verdammt schief und es schien, als würde sie nach und nach die Kontrolle über sich verlieren. Auch mit wenig Verständnis für Gefühle und alles was mit ihnen zu tun hatte, verstand Lilith, wie schwer es gerade vor allem für Ava und die anderen sein musste.

„Lilith?" Camila tippe ihr auf die Schulter „Hast du kurz eine Minute unter vier Augen?"

Natürlich war sie überrascht. Noch nie hatte sie ein gutes Verhältnis zu Camila gehabt, besonders nicht nach ihrem eigenen Verrat. Umso neugieriger wurde Lilith daher, was sie von ihr wollen würde. Mit einem Nicken stimmte sie einem Gespräch zu und folgte Camila durch den Gang. Unweit von dem Raum, in dem Beatrice lag, kamen sie zum Stehen.

„Ich bin mir bewusst, wir haben nicht die beste Beziehung zueinander. Auch wenn ich dich vielleicht nicht unbedingt leiden kann, dich und deine Absichten nicht verstehe, brauche ich dennoch deine Hilfe. Yasmine und ich haben einiges in den alten Büchern gefunden. Nichts über unseren neuen Gegner, dafür über Reya und ihr Reich."

Geduldig hörte Lilith ihr zu und versuchte Camila zu folgen. Ohne Erfolg.

„Ja und? Was hat es mit der ganzen Situation jetzt zu tun?"

„Ich glaube Beatrice ist bei Reya, wie Ava es zuvor gewesen ist. Wenn wir also die Informationen aus den Büchern..."

„Moment!" Unterbrach Lilith sie. „Das richtige Reich von Reya zu betreten wird nur besonders ausgewählten Menschen gestattet. Bis jetzt war das Kriterium ein Heiligenscheinträger zu sein oder in der Vergangenheit gewesen zu sein. Beatrice ist keines davon. Wie sollte sie also dort rein kommen?"

Unsicher trat Camila einen Schritt von ihr zurück und scharrte mir der Spitze ihres Schuhs über den Boden.

„Ich habe keine Ahnung. Die Anzeichen sprechen aber alle dafür. Jetzt brauche ich nur noch Hilfe meine Theorie zu belegen und da kommst du ins Spiel."

„Was machst du, wenn du falsch liegst? Oder was bringt es dir falls du recht..." begann Lilith.

Gerade als sie ihren Satz vollenden wollte, hallten mehrere Laute Piepstöne durch den Gang. Alarmiert sagen sie sich gegenseitig in die Augen und bestätigten sich jeweils ihre Ahnung, woher die Töne kamen. Aus Beatrices Zimmer. Schnell rannten sie beide zu ihr um nachzusehen, was los war.

„Beatrice!"

Schrie Camila entsetzt, als sie Beatrice krampfend in ihrem Bett vorfanden. Lilith war keine Ärztin, musste es auch nicht sein, um zu erkennen, wie ernst die Lage war.

„Ruf Jillian hier her! Wir brauchen sie sofort!"

Ohne lange zu zögern rannte sie los und tat was Camila ihr sagte. Kurz vor ihrem Ziel kam Dora mit einem Tablet in der Hand auf sie zu gerannt.

„Lilith! Wir haben ein Problem!"

„Ich weiß! Beatrice hat..." begann sie, wurde aber unterbrochen.

„Nein, es geht um Ava. Schau dir das an! Es ist die live Übertragung von unseren Kameras in, auf und um diesem Gebäude. Ich habe Ava schon den ganzen Tag im Auge behalten."

Auf dem Bildschirm war das Dach über der Sporthalle zu sehen. Schwer zu erkennen in der Dämmerung lag knapp an der Kante etwas dunkles. Beim genauer hinsehen erkannte Lilith, dass es ein Körper war. Ava. Sie krampfte aber genau wie Beatrice und schien in in der gleichen kritischen Situation zu sein. Sofort zählte Lilith eins und eins zusammen.

„Sie sind verbunden." nuschelte Sie.

„Was hast du gesagt? Moment, du hast vorhin etwas über Beatrice..."

„Dafür ist keine Zeit. Schick sofort Jillian zu Camila in Beatrices Zimmer. Sie hat gerade wie Ava einen Krampfanfall, der nicht aufhört. Ich geh zu Ava. Beeil dich!"

Dora nickte und rannte los. Lilith tat es ihr gleich und machte sich auf den Weg zur nächsten Tür nach draußen. Schwungvoll stieß sie diese auf und blieb kurz darauf zum Gebäude gedreht stehen, schloss die Augen und stand einen Wimpernschlag später auf dem Dach. Schnell sprintet sie über die noch glühend heiße Dachpape. Die Sonne hatte den ganzen Tag mit voller Kraft auf das Dach gescheit. Sie für eine längere Zeit mit bloßer Haut zu berühren, konnte immer noch zu schweren Verbrennungen führen. Auch wenn Ava sich davon erholen konnte, musste Lilith sich beeilen und dabei vorsichtig sein, sich selbst nicht zu verletzen.

„Ava!"

An dem zuckenden Körper der Kriegernonne angekommen, schaute sie zu aller erst zu Avas Augen. Weit aufgerissen und nach hinten oben verdreht. Keine Chance durch Blickkontakt zu ihr durchzudringen. Sämtliche Möglichkeiten, was der Auslöser dafür sein konnten, waren nicht plausibel genug. Lilith musste Nachdenken. Wenn Ava und Beatrice miteinander verbunden waren, musste der Auslöser für den Anfall bei Beatrice liegen. Ava hatte den ganzen Tag nur hier oben gesessen. Trotz ihres Kontrollverlustes heute Morgen, war ein Krampfanfall eher unwahrscheinlich. Bei Beatrice jedoch mehr als möglich. Ab und zu kam Lilith schon der Gedanke, wenn Beatrice gerade nur im Koma lag, weil Reya ihren Geist, wie auch den von Ava damals, gefangen hielt. Dies würde bedeuten, dass Beatrice nicht nur das Reich von Reya betreten hatte, sondern auch die Rückkehr deutlich schwerer war, als erwartet. Ava war als Heiligenscheinträgerin dazu bestimmt und willkommen es zu betreten, Beatrice genauso wenig, wie sie selbst in Jilians Experiment. Tage hatte Ava gekämpft und war dem Tod, in dieser Zeit bei Reya, nur knapp entkommen. Schlechter standen die Chancen für Beatrice, die nie den Heiligenschein getragen hatte und eigentlich gar kein Anrecht auf diesen Ort hatte.