Kapitel 5 - Fragen und Antworten

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„Du stirbst, wenn du deinen Job nicht machst?" Völlig entgeistert starrte ich Joel an. Meinte er das ernst?

Dieser nickte tatsächlich. „So ist das nun einmal bei uns. Wir haben keine Wahl. Entweder wir machen das, wofür wir bestimmt sind, oder das war es dann. Weißt du, ich beneide euch Menschen schon sehr. Ihr könnt euch aussuchen, was ihr machen wollt. Wir Schutzengel können das nicht."

Das klang in der Tat schrecklich. Auf einmal taten mir Joel, Gabby und die anderen richtig leid. Es musste schlimm sein, überhaupt keine Wahl zu haben.

„Wie ist das bei euch?", fragte ich. „Wie lange lebt ihr? Und gibt es auch Kinder, die Engel sind?"

„Es ist ähnlich wie bei euch Menschen. Die meisten von uns werden geboren. Wir wachsen im Himmel auf und werden auf unsere Aufgabe vorbereitet. Du kannst es dir vorstellen, wie in einer Schule. Wenn wir erwachsen sind, treten wir unseren Job an. Diejenigen, die durchhalten, dürfen am Ende in Rente gehen und ihre letzten Jahre im Himmel ausspannen."

Ich konnte mir das alles überhaupt nicht richtig vorstellen. „Es klingt, als wärt ihr wie wir Menschen, nur eben im Himmel", sagte ich. „Aber was meintest du damit, dass die meisten von euch geboren werden?"

„Es gibt auch die Möglichkeit, dass Schutzengel erschaffen werden."

„Wie kann ich mir das vorstellen. Spricht irgendwer einen Zauber und aus einem glühenden Licht ploppen dann erwachsene Engel oder Baby-Engel einfach so hervor?"

„Sehr witzig." Joel klang höhnisch.

„Das war gar nicht witzig gemeint", sagte ich ernst.

Joel zog die Augenbrauen hoch, was wieder einmal so wirkte, als sei ich die Dumme von uns beiden. Man, das nervte echt!

Ich verschränkte die Arme. „Entschuldige bitte, dass ich nicht so viel über euch weiß", keifte ich. „Wir hatten in der Schule schließlich kein Fach über Engel."

„Selbst wenn, wäre bei dir sicher nicht viel hängengeblieben."

Ich zog scharf die Luft an. Dieser Typ war echt unglaublich. Eben hatte ich noch Mitleid mit ihm gehabt, weil er zu seiner Aufgabe als Schutzengel quasi gezwungen war. Aber jetzt zog er wieder über mich her. Und nein, das fand ich überhaupt nicht komisch.

„Wir ‚ploppen' nicht irgendwo raus", setzte Joel nun wenigstens zu einer Antwort auf meine Frage an. „Es kann aber sein, dass Menschen, wenn sie sterben, zu Schutzengeln werden. Das passiert selten, kommt aber häufiger vor als das, was du gerade erlebst."

„Und wann passiert das? Welche Menschen werden denn zu Schutzengeln?"

Joel zuckte mit den Schultern. „Das weiß niemand so genau. Es sind aber immer welche, die verfrüht sterben und die meistens jemanden zurücklassen, auf den sie gerne noch aufpassen wollen."

Ich wusste wirklich nicht, wie ich das finden sollte. Einerseits klang es schön, sich noch ein wenig auf der Welt bewegen zu können und so die Chance zu haben, auf seine Liebsten Acht zu geben. Aber andererseits stellte ich mir das auch verdammt traurig vor. Schließlich konnten die Angehörigen einen gar nicht sehen. Sie hätten keine Ahnung, dass man noch in ihrer Nähe war.

Und ich fragte mich, ob das Leben im Himmel nicht langweilig sein würde.

„Wie ist es im Himmel?", fragte ich Joel. Und mir war es egal, ob das nach einer typischen Kinderfrage klang.

„Es ist friedlich", sagte er. „Es ist alles viel ruhiger als auf der Erde, aber im Grunde machen wir dort genau das Gleiche wie ihr hier."

„Also schaut ihr oben Fernsehen, trinkt Kaffee, verabredet euch mit Freunden, macht Sport oder lest Bücher?" Das konnte ich mir jetzt wirklich nicht vorstellen.

10 Dinge, die ich an meinem Schutzengel hasseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt