Kapitel 14 - Ein schrecklicher Morgen

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Ich wachte auf, weil mich irgendetwas störte. Ich brauchte ziemlich lange, bis ich kapierte, was es war. Joel lag in meinem Bett.

Ich versuchte, mein wirres und noch müdes Gehirn zu beanspruchen, um zu überlegen, was passiert war. Nachdem Joel mich nach Hause gebracht hatte – was in Schutzengel-Sprache so viel hieß, wie ins eigene Schlafzimmer gebeamt zu werden – hatten wir erstaunlicherweise noch viel geredet. Und ich hätte nicht gedacht, dass man das konnte. Mit Joel reden. Ganz ohne Wut, Streitereien und Ironie. Okay, fast ohne Ironie. Er war schließlich immer noch Joel.

Wir hatten uns irgendwann zusammen in mein Bett gekuschelt. Wobei mein Plüschelefant zunächst zwischen uns lag. Als eine Art Grenze, denn mehr als einen zärtlichen Gute-Nacht-Kuss hatte es nicht gegeben.

Wo mein Kuscheltier jetzt lag, wusste ich nicht. Denn diese gedachte Grenze hatte sich selbstständig gemacht. Wobei ich kaum glaubte, dass mein Elefant davongeflogen war. Es war also die Frage, ob ich oder Joel den Abstand zwischen uns verringert hatte. Auf jeden Fall war da keiner mehr, denn Joels Arm lag über mir. Er fühlte sich schwer an, warm, aber kein bisschen beengend. Es war aber komisch genug oder besser gesagt ungewohnt, sodass ich offenbar davon wach geworden war.

Oder war es doch das Klopfen gewesen?

Moment mal? Es klopfte?

„Kaja, bist du wach?", kam es von der anderen Seite der Tür.

Sofort fuhr ich hoch, wobei Joels Arm von mir herunterfiel. Allerdings schien er das überhaupt nicht mitzubekommen. Er schlief einfach seelenruhig neben mir weiter.

Die Tür ging auf, ohne dass ich „Herein" gesagt hätte. Völlig panisch starrte ich Helena an, die den Kopf ins Zimmer streckte. Reflexartig warf ich meine Decke zurück und zwar so, dass sie auf Joel landete, weil ich ihn verstecken wollte. Dumm nur, dass ich ihn damit doch weckte und er sich sofort lautstark beschwerte.

„Mensch, Kaja. Was soll das?", brummte er und schälte sich aus der Ecke hervor.

„Kaja, ich ..." Helena wollte wohl irgendetwas sagen, bis sie verwirrt blinzelte.

„Alles okay?", fragte ich total nervös.

Helena schüttelte kurz den Kopf. „Ich dachte gerade, dass sich deine Decke von selbst bewegt hat. Sah irgendwie komisch aus, aber egal."

Da fiel mir endlich ein, dass Helena Joel ja gar nicht sehen konnte. Es war also vollkommen unnötig, ihn zu verstecken. Dieser hatte sich übrigens mittlerweile neben mir aufgerichtet und sah jetzt irritiert zwischen mir und meiner Mitbewohnerin hin und her.

„Sorry, dass ich ins Zimmer platze", sagte Helena jetzt, die offenbar nicht mehr über die selbstständige – oder eben doch nicht so ganz selbstständige – Decke nachdachte. „Ich wollte sehen, ob du wach bist, beziehungsweise ob du in der Nacht gut nach Hause gekommen bist. Du warst auf einmal weg."

Stimmt, ich erinnerte mich. Sehr gut sogar. Aber was sollte ich ihr sagen? Dass ich mal eben vom Clubdach davongeflogen war?

„Mir geht's gut?", sagte ich, ließ es aber wie eine Frage klingen. Kein Wunder also, dass mich Helena komisch ansah.

„Was hast du die Nacht über getrieben?", fragte sie. „Oder mit wem?"

Neben mir erklang ein dunkles Lachen.

Ich konnte nicht anders. Meine Hand machte sich selbstständig und schlug leicht nach ihm. Während von ihm ein dumpfes „Au" kam, runzelte Helena verwirrt die Stirn.

„Eine Fliege", sagte ich nur.

„Ist wirklich alles okay?" Helena sah skeptisch aus.

„Ja, wirklich", stöhnte ich genervt. „Ich bin einfach gestern früher nach Hause, als ich gemerkt habe, dass ich zu viel getrunken hatte. Dann bin ich sofort hierher und habe geschlafen. Allein." Ich betonte das letzte Wort ein bisschen zu deutlich.

10 Dinge, die ich an meinem Schutzengel hasseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt