Anruf

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„Oh man, soll ich es wirklich tun? Soll ich sie anrufen?" murmle ich leise vor mich hin. Ich sitze gemütlich auf meinem kleinen Balkon, den Laptop vor mir und daneben ein Cappucino. Die Sonne scheint herrlich warm und erhellt den Himmel wie seid Tagen nicht mehr. Die letzten Tage regnete es nur und dementsprechend war es auch sehr dunkel. Teilweise dachte man am Morgen und am Mittag es sei schon Abend. Aber genug davon, viel wichtiger ist mein Laptop gerade. Auf dem Bildschirm prankt das elektronische Telefonbuch und zeigt den Wohnort und die Telefonnummer von meiner ehemaligen Lehrerin, die ich zuletzt vor circa zehn Jahren gesehen hatte. Ich hatte mich damals in sie verliebt und meine Gefühle sind nie weniger geworden, klar es gab Phasen wo ich mit anderem beschäftigt war und es sogar schaffte sie teilweise zu vergessen aber es waren eben nur Phasen. Ich habe schon öfter überlegt sie zu kontaktieren aber jedesmal saß ich stundenlang vor dem Laptop und schlussendlich tat ich es dann nicht. Doch heute soll es anders sein. „Ich mache es jetzt...ich lebe nur einmal, was soll schon passieren?" sage ich ermutigend zu mir selbst. Ich tippe also die Nummer in mein Handy und warte bis es tutet. Einige Sekunden später wird der Anruf Angenommen. „Guten Tag, Frau Wattner hier." höre ich ihre sanfte Stimme durch mein Telefon kommen. Sofort bekomme ich eine Gänsehaut. Dann wird mir bewusst dass ich überhaupt keine Ahnung habe was ich sagen soll. „Hallo?" fragt sie jetzt. „Ehm ja...hallo." stottere ich unbeholfen. „Wer ist denn da?" fragt sie jetzt ungeduldig. „Achso ja, ehm hier ist Frau Küstel also Leona..." erkläre ich schnell. Mir wird heiß und kalt gleichzeitig. „Leo, bist du das?"fragt sie jetzt ungläubig. -omg hat sie mich gerade Leo genannt?- „Eh ja, genau." antworte ich ihr. „Wie schön, freut mich mal von dir zu hören. Wie geht es dir?" kommt es nun freundlich von ihr. „Ganz gut denke ich, wie geht es Ihnen?" werde ich schon selbstbewusster. „Ach ja mir geht es auch ganz gut,habe nur grade ein bisschen Stress in der Schule. Aber duz mich doch gerne, ich bin ja nicht mehr deine Lehrerin." meint sie jetzt. Ich spüre ein kribbeln in meinem Bauch aufkommen. „Das freut mich zu hören, wie geht es Ihrer...ich meine deiner Familie?" frage ich neugierig. „Mmmh ganz gut denke ich, ich habe mich vor 10 Jahren von meinem Mann getrennt und meine Kinder leben bei ihm. Sie kommen mich manchmal besuchen." erklärt sie. „Oh das tut mir leid." sage ich besorgt. „Ach Quatsch, es geht mir gut damit. Du ich habe jetzt einen wichtigen Termin und müsste jetzt los." entgegnet sie jetzt etwas bedrückt. —ok Leona, jetzt oder nie...- „Wie wäre es wenn wir uns treffen würden und da weiter quatschen?" nehme ich also all meinen Mut zusammen. „Jaa das klingt gut, ich würde mich sehr freuen. Wie wäre es mit nachher 16:00 in dem Café am Rathausplatz." schlägt sie sofort vor. „Sehr gerne, ich freue mich. bis nachher dann." stimme ich ihr zu. „Bis nachher." verabschiedet auch sie sich und legt auf. „OMG, ich habe ein Date mit ihr... also für mich ist es ein Date aber egal... OMG ich werde sie nachher endlich wiedersehen." begeistert stehe ich auf und tanze auf meinem kleinen Balkon. Dann beschließe ich mich direkt fertig zu machen. Denn ich muss etwas länger fahren, da ich längst nicht mehr dort wohne.

„Hey Leo." begrüßt Simone meine ehemalige Lehrerin mich freundlich als ich beim Café ankomme. „Sofort spüre ich Schmetterlinge in mir herumfliegen und begrüße sie nervös ebenfalls freundlich. „Wollen wir uns setzen, vielleicht dort im Schatten?" schlägt sie vor und ich nicke erleichtert und laufe ihr hinterher zu dem kleinen Tisch im Schatten. Wir setzen uns und nehmen die Karten in die Hand. „Woher hattest du eigentlich meine Nummer." kommt es plötzlich von Simone. Erschrocken schaue ich zu ihr, doch sie schaut weiterhin in ihre Karte. ~was soll ich ihr den jetzt sagen, ich kann ihr doch schlecht die Wahrheit sagen, oder~
„Ehm also..." fange ich noch nachdenkend an und entscheide mich kurzerhand für die Wahrheit. Jetzt schaut sie mich auch neugierig an. „Also ich...Ich habe sie gegoogelt und im Telefonbuch habe ich dann ihre Nummer gefunden." erkläre ich etwas unsicher. „Interessant und warum googelst du mich, also versteh mich nicht falsch ich freue mich sehr dich zu sehen, mehr als du ahnst aber warum willst du ausgerechnet mich, deine ehemalige Lehrerin wieder sehen?" fragt sie mich nun etwas nachdenklich. „Ehm...also..." fange ich an zu stottern. „Guten Tag, haben Sie sich schon entschieden?" redet plötzlich ein Kellner dazwischen, glücklich über die Ablenkung schaue ich nochmal schnell in die Karte und nehme einfach das erste was mir in den Blick kommt, da ich noch keine Zeit hatte mir was auszusuchen. Auch Simone bestellt dann etwas und der Kellner verschwindet wieder. „Darf ich dir sagen, dass du heute wunderschön aussiehst, mir gefällt dein hoher Zopf und das Kleid steht dir unglaublich gut." nimmt Simone ein anderes Gesprächsthema auf. Verwundert und geschmeichelt schaue ich sie nervös an. „Danke, dass kann ich nur zurückgeben, du bist auch wunderschön so wie auch früher." erwidere ich leise und hoffe sie hat die letzten Worte nicht verstanden. „Danke." lächelt sie. Unsere Augen verfangen sich ineinander und ich merke wie ich alles um uns herum ausblende und am liebsten ihre weichen Lippen auf meinen spüren würde. „Habe ich etwas am Mund?" holt mich ihre Frage aus meiner Trance. „Äh nein, tut mir leid...Ich..." stottere ich unbeholfen und schaue weg. „Schon gut, es war nur ein Scherz." lacht sie leise. Vorsichtig schaue ich sie wieder an und treffe sofort auf ihre Augen. „Du hast wunderschöne Augen, weißt du das?" meint sie leise. „Danke, ich finde deine auch sehr schön...sie strahlen so wenn wir miteinander reden." entgegne ich leise und werde rot. „Wirklich? Naja wundert mich nicht, du bist schließlich eine wirklich tolle sympathische, intelligente junge Frau." macht sie mir das nächste Kompliment. Ich komme kaum noch hinterher und versuche zu realisieren was hier gerade abgeht. ~träume ich???~ „Ich fühle mich sehr geschmeichelt." antworte ich leise und schenke ihr mein ehrlichstes Lächeln. „Weißt du, ich wollte es dir schon immer sagen, nur ich habe mich nie getraut aber ich finde du bist eine wirklich talentierte, großartige Lehrerin und  eine starke, verantwortungsvolle Frau die man nur lieben kann." traue ich mich zu sagen und schaue sie aufmerksam dabei an. Jetzt wird sie etwas rot und schaut kurz zu Boden. „Was genau meinst du mit lieben?" entgegnet sie mir dann neugierig und schaut mir wieder tief in die Augen. „Ich meine damit, dass ich dich liebe. Schon seid der sechsten Klasse als ich damals an deine Schule gewechselt bin, warst du von Anfang an meine Lieblingslehrerin und mit den Jahren merkte ich dass ich mehr für dich empfinde. Und ja hier bin ich nun und liebe dich noch immer genau so, nein sogar noch viel mehr als damals in der Schulzeit. Ich habe es nie geschafft dich zu vergessen. Deswegen habe ich dich auch gegoogelt. Ich habe dich oft gegoogelt, mich aber erst nie getraut. Bis heute..." erzähle ich meine Gefühle. „Das trifft sich sehr gut." meint Simone leise. „Wieso?" frage ich erwartungsvoll was sie dazu zu sagen hat. „Ich liebe dich auch, ebenfalls seid der Schulzeit. Ich wollte es nur nie wahrhaben. Ich habe es versucht zu verdrängen und habe angefangen mich dafür zu hassen aber letztendlich wurde mir klar, dass ich nichts dafür kann und habe es zugelassen. Aber ich habe nie auch nur im entferntesten geglaubt du könntest diese Gefühle erwidern, deshalb habe ich nach deinem Abschluss meinen Mund gehalten und versucht dich zu vergessen aber es hat natürlich nicht geklappt. Ich bin sehr froh, dass du mich gegoogelt hast und den ersten Schritt gemacht hast." erklärt sie ihre Aussage von vorher und lächelt mich warm an. „Das ist doch ein Traum oder?" frage ich glücklich, zerstreut und verwirrt. „Nein es ist echt, schau..." meint sie und nimmt vorsichtig mein Gesicht in ihre Hand und legt sanft ihre Lippen auf meine. Ein Kribbeln entfacht sich in meinem Bauch und ich will mehr. Verlangend erwidere ich den Kuss und setze mich auf ihren Schoß. Lächelnd nimmt sie das zur Kenntnis und drückt mich enger an sich heran, während auch sie verlangender wird. Nach einiger Zeit lösen wir uns langsam voneinander und schauen uns ohne Unterbrechung in die Augen. „Ich liebe dich." kommt es von uns beiden, worauf hin wir leise kichern. Der beste Tag meines Lebens.

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