44 | Letzte Ehre

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ZARALIA DIAZ

Immer noch tränenüberströmt Griff ich zittrig nach meinem Handy. Ich musste unbedingt etwas unternehmen. Wenn nicht, dann ist es vielleicht schon zu spät. Mein Zeigefinger schwebte nur so über das Display, während meine Augen auf der Suche nach den Namen „Nelio" waren. Er MUSSTE herausfinden, wo Kyran war.

Sonst...

Sonst wusste ich selber nicht, was danach geschehen würde. Eine Zukunft ohne ihn war unvorstellbar. Ich sah nichts, wenn ich an eine kommende Zeit ohne ihn dachte. Mir brannte nur eine schmerzhafte Leere vor. Und das durfte nicht geschehen. Niemals! Kyran war ein Teil meines Herzens und wenn dieser Teil nicht mehr existent sein würde, dann könnten die restlichen Stücke nicht mehr pulsieren. Mein Herz würde aufhören zu schlagen, denn es würde nicht vollständig sein. Es würde gebrochen sein, wie schon zu oft, doch eine Sache würde anders sein.

Es würde nicht mehr wieder heilbar sein.

Denn der einzige Mensch, der dazu die Kraft hatte, war er.

Ich versuchte mich trotz den Tränen, welche mir meine Sicht versperrten, zu konzentrieren und die richtigen Tasten zu drücken, was ich letztendlich schaffte und ich nach nicht einmal zehn Sekunden Nelios Stimme hörte. „Zara? Wieso rufst du so spät noch an?" - ich achtete erst gar nicht darauf hallo oder sonstiges zu sagen, sondern erklärte Nelio in Höchstgeschwindigkeit, dass er hier her kommen sollte.

Und zwar sehr schnell.

Mein Verstand hielt das sonst nicht länger aus.

Jede Sekunde, die verging, zerrte mich tiefer in einen Strudel aus Panik und Angst, wieder jemanden zu verlieren, wie schon so oft. Die Gedanken an eine Zukunft ohne seinen Beistand ließen meine Psyche erzittern. Die erneute Vorstellung, an ein nicht vollständiges Herz, schürte eine Kaskade quälender Schmerzen. Es war, als ob die Luft in unserem Penthouse um mich herum immer dünner wird und meine Sicht, verletzt durch die Tränen, in einem bedrohlichen Grauton verblasste.

Zitternd lies ich mich zu Boden.

„Es wird alles gut." sprach ich mir selbst zu.

Es wird alles gut.
Es wird alles gut.
Es wird alles gut.

Meine Augen schlossen sich und einzig und allein diese Worten umgaben meinen Verstand.

Es. Wird. Alles. Gut.

Vorsichtig schob ich den linken Ärmel meines Nachhemdes nach oben. Die Narbe, welche Kyran und ich miteinander teilten, stach mir in meine Augen und fesselte meine Aufmerksamkeit. Er hatte so viel für mich getan. Mein Hals brannte, mein Mund wollte losschreien, mein Körper wollte die Aggressionen auf diese Situation loslassen, mein Kopf wollte vergessen und mein Herz wollte einfach nur Ruhe.

Ruhe von dem ganzen Schmerz der in mir lauerte und sich nicht entketten lies.

Ein lautes aufstoßen der Tür holte mich aus meinen Gedanken, in denen ich am liebsten versunken wäre und alle Probleme bei Seite lassen könnte. „Um Himmels Willen. Was ist passiert!?" rief Nelio aufgebracht, während er zu mir rannte. „Kyran- er... er hat mir irgendsoeinen Abschiedsbrief dagelassen. Nelio du musst ihn finden! Schnell!" sprach ich hektisch.

Nelio versteinerte sich erstmals für wenige Sekunden, nickte dann aber und griff nach meinen Armen, um mich von dem Boden hochzuziehen. Hätte er mich nicht so gut festgehalten, wäre ich wahrscheinlich wieder eingeknickt. An Nelios Gesichtszügen erkannte ich, dass er ebenso nicht gerade wenige Sorgen hatte.

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