Capter 23

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Ich verabschiedete mich von Sheila und machte mich auf den Weg zur Bibliothek. Ich musste eine Menge Lernstoff aufarbeiten, und ohne das Glück, mir Dinge schnell einprägen zu können, hätte ich mein Studium wahrscheinlich schon längst aufgegeben. Zu viele Fachbegriffe und jede noch so kleine Ecke des menschlichen Körpers musste man wie sein eigenes Zuhause kennen – sprich, in- und auswendig. Der Gedanke an den bevorstehenden Lernmarathon liess mich tief seufzen, aber ich wusste, es gab keinen anderen Weg zum Erfolg.

Gerade als ich in den Flur einbog, der zur Bibliothek führte, wurde ich plötzlich von hinten gepackt und mit einem kräftigen Ruck umgedreht. Erschrocken hielt ich meine Bücher schützend vor mich, als ob sie ein Schild wären. Die aggressive Art, wie die Person meine Schulter packte, jagte mir einen kalten Schauer den Rücken hinunter. Ich versteifte mich und sah in die böse funkelnden Augen eines Mädchens. Der Flur war mucksmäuschenstill, als sie mich ansprach, und ich bemerkte, dass es das Mädchen von gestern war. Mein Herz begann schneller zu schlagen, als ich erkannte, in welcher unangenehmen Situation ich mich befand.

,,Was fällt dir eigentlich ein, dich so an Hunter ranzumachen", erklang ihre schrille Stimme.  Ihre Mädchengruppe stand einige Schritte hinter ihr, und ich konnte sehen, wie ihre Mundwinkel vor Belustigung zuckten. Das Mädchen vor mir verschränkte die Arme und verengte ihre Augen zu schmalen Schlitzen, während sie die Lippen wütend zusammenpresste. Meine Augen suchten unruhig den Korridor hinter mir ab, in der Hoffnung, einen Ausweg zu finden, doch dort hatten sich bereits andere Personen angesammelt, die neugierig das Geschehen verfolgten. Mein Puls beschleunigte sich weiter, als die drückende Atmosphäre zunahm.

,,Ich weiss..", wollte ich anfangen, doch sie schnitt mir das Wort ab. ,,Wag es ja nicht zu lügen. Du kommst hierher, als wäre es selbstverständlich, und nimmst mir Hunter weg, obwohl du eigentlich nicht einmal an diese Universität gehörst. Arme Mäuse wollen wir hier nicht und schon gar keine Schlampen." Ihre Worte trafen mich wie ein Schlag ins Gesicht, und ich spürte, wie meine Unsicherheit wieder hochkam. Ich wich ein wenig zurück, um Abstand zu ihr zu gewinnen, als sie mir immer näher kam. Die anderen Schüler standen nur herum und beobachteten die Szene, ohne einzugreifen. Mein Herz hämmerte in meiner Brust, und ich überlegte fieberhaft, wie ich dieser Situation entkommen könnte.

Ich wurde in die Vergangenheit geschleudert und sah plötzlich nicht mehr die fremden Studenten, sondern IHN vor mir. Wie er mich demütigte, immer und immer wieder. Wie ER mich vor allen zur Schnecke machte, mit scharfen Worten und verletzenden Blicken. Wie ER Lügen über mich verbreitete, die mich tief trafen. Wie ER mir immer wieder eintrichterte, dass ich kein Recht auf mein eigenes Glück habe. Wie ER mir alles kaputt machte, Stück für Stück. Die Luft wurde immer knapper und ich spürte diesen unausstehlichen Druck auf mir lasten. Meine Lippen wurden schmal und ich biss mir auf die Unterlippe, damit niemand das leichte Beben, welches mich überrannte, wahrnahm.

Verzweiflung und Panik krochen in mir hoch und meine Hände wurden eiskalt. ,,Du gehörst nicht hier her", sagte sie scharf und stiess mit ihrem Finger gegen meine Brust. Meine Hände krallten sich um meine Bücher, als wären sie ein Rettungsanker. Nach all den Jahren war ich immer noch nicht in der Lage, mich zu wehren. Lachend sah mich das brünette Mädchen an. ,,Niemand kommt und hilft dir.", höhnte sie und stiess mich mit einem heftigen Ruck. Ich stolperte nach hinten und landete unsanft auf dem Boden. Ein stechender Schmerz fuhr durch mein Handgelenk, das ich bereits einmal verletzt hatte, als ich versuchte, mich abzufangen.

Die Bücher lagen verstreut um mich und ich strich mir die Haare aus dem Gesicht. Warum konnte ich nirgends einfach in Ruhe gelassen werden? Hämisches Lachen erklang, während ich mich zusammenriss und wieder aufstand, die Bücher noch immer am Boden liegend. Mein Blick glitt durch die Menschenmasse und ich sah, wie einige ihr Handy gezückt hatten. Wie früher. Du bist nichts wert. Schau dich an. Ich hörte, wie einige leise lachten. ,,Hast du nichts zusagen?", fragte sie provokativ. Unsicher blickte ich auf und sah, wie sich ihre Mädchengruppe um mich versammelte. ,,Ich wollte dich nicht verletzen", sagte ich leise. Die Entschuldigung kam über meine Lippen, als wäre es das Normalste der Welt. Eine Entschuldigung, die nicht von meiner Seite kommen sollte, und doch entschuldigte ich mich. ,,DU hast das extra gemacht. Am besten gehst du und tauchst gar nicht mehr auf. Es wäre besser für uns alle", rief sie hysterisch und ich blickte auf den Fussboden.

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