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Sobald der nächste Morgen anbrach, machte Alastor sich auf den Weg. In der vergangenen Nacht war er seiner liebsten Tätigkeit nachgegangen, doch waren seine Gedanken immer wieder zum Morgen gewandert. Heute würde er so viel Macht erlangen, wie noch nie ein anderer Sünder zuvor. Sein großes Ziel würde sich endlich verwirklichen.

Während Alastor die Straßen durchquerte, auf dem Weg zum Anwesen Lucifers, wichen alle Sünder, die ihn erblickten, zurück. Sie verfielen in Panik und ergriffen die Flucht. Sein Grinsen wurde breiter und er schaute den Flüchtenden arrogant nach. Er genoss ihre Panik und die Macht, die er jetzt schon über sie besaß. Dann erblickte er Zestial auf dem gegenüberliegendem Fußweg und die Arroganz fiel sofort wieder von ihm ab. Es war nicht er, vor dem sie flüchteten, sondern Zestial. Ein wenig Scham machte sich bei ihm bemerkbar, aber er ignorierte sie.
Zestial war einer seiner wenigen wahren Freunde und er freute sich ihn zu sehen. Dieser hatte nun auch Alastor bemerkt und überquerte die Straße. "Was machen Sie denn hier, mein Freund? Man sieht Sie ja nicht oft hier draußen unter das Gesindel gemischt." "Ich gehe nur meinen Kontrollgang, um zu sehen, ob auch alle gequält sind. Und Sie? Was führt Sie hier her in diese dreckigen Straßen?" "Geschäftliches. Wenn ich Erfolg habe, werde ich Einiges an Macht erlangen. Aber ich möchte es lieber nicht herausposaunen, bevor es auch wirklich funktioniert hat." "Jetzt haben Sie aber mein Interesse geweckt. Verraten Sie mir wenigstens Ihren Geschäftspartner?" "Wenn es klappt, erfahren Sie als Erster davon, aber falls es dann nicht funktioniert möchte ich nicht unter dem Unwohlsein leiden müssen, dass Sie wissen wie sehr ich versagte."
Alastor behielt für sich, dass er sich ziemlich sicher war, dass es funktionieren würde. Ein bisschen wollte er Zestial hinhalten, um sich selbst beweisen zu können, dass die beiden sich ebenbürtig waren. Wenn er nicht sogar selbst noch etwas gerissener war. Aber nach dem Deal heute, da war er sich sicher, würde er definitiv mehr Macht besitzen.
"Wenn Sie so meinen, werter Freund. Dann wünsche ich Ihnen Glück bei Ihrem Geschäft und warte auf Ihren Bericht. Also dann, ich würde mich gerne wieder in mein Heim zurückziehen. Die Gesellschaft, Sie selbstverständlich ausgenommen, ist hier nicht sehr angenehm." Zestial schaute angewidert auf zwei Sünder hinab, die die Reste eines anderen fraßen. Als sie den Blick bemerkten fuhren sie panisch auf und waren fast sofort verschwunden. "Ich danke ihnen, mein Freund und freue mich schon auf unser nächstes Aufeinandertreffen."antwortete Alastor ihm.
Sie nickten einander zu und ihre Wege trennten sich. Alastors Gedanken blieben jedoch noch kurze Zeit bei Zestial. Sie verstanden sich sehr gut, da sie ähnliche Kräfte besaßen. Sie hatten ähnliche Weltanschauungen und Ziele. Und sie beide genossen es Gewalt an Schwächeren auszuüben. Doch manchmal fühlte sich Alastor bedroht durch ihn, als wäre Zestial eine Kopie von ihm mit besserer Qualität. Als würde er ihn irgendwann vernichten, da er dann in Zestials Augen zu den  Schwächeren gehörte.
Er schüttelte den Kopf. Ab heute würde niemand in der Hölle mehr eine Chance gegen ihn haben. Ab heute würde er sie alle überragen.

Alastor stand vor dem großen Eingangstor von Lucifers Anwesen. Er spürte ein Kribbeln im Bauch. Diese Aufregung war neu und ungewohnt für ihn. Er versuchte sie zu verdrängen und durch die Schatten glitt er in das Anwesen. Es war dunkel und er konnte nicht viel der Einrichtung erkennen. Alastor brauchte eine Weile, bis er einen Gang fand, in dem es nicht totenstill war. Er schlich langsam durch den Flur. Der samtene Teppich der den Boden aller Gänge im Anwesen bedeckte, erleichterte es ihm enorm unbemerkt bis an die Tür zu gelangen, hinter der Alastor die Geräuschequelle vermutete. Nun, da er direkt vor der Tür stand, konnte er einige der Geräusche zuordnen. Ein leises Murmeln wurde von einem Quieken unterbrochen. Kurz war es ganz still. Dann ein leiser Jubelruf:
"Und ich präsentiere: Die fliegende Quietscheente! Ein Meisterwerk. Sie kann sogar im Dunkeln leuchten!" drang Lucifers Stimme zu Alastor auf den Flur. Er grinste breit. Die Begeisterung Lucifers an Quietscheenten amüsierte ihn sehr. Jetzt musste er nur noch den richtigen Moment ab passen, um hineinzugehen. Doch plötzlich war kein begeistertes Reden mehr zu hören, sondern ein wütendes Schnauben."Das ist doch ein Scheißding, wem mache ich hier was vor?! Wer will denn schon eine leuchtende Quietscheente haben?!" Zu überrascht um genau hinzuhören, bemerkte er fast nicht, dass sich die Schritte aus dem Zimmer auf die Tür zu bewegten. Hastig versteckte er sich ein bisschen von der Tür entfernt in den Schatten. Lucifer verließ den Raum und Alastor versuchte sich einzureden, dass sein Atem nicht kurz anhielt, als er ihn sah. So lange hatte er darauf gewartet. Und jetzt war es so weit. Doch aus irgendeinem unerklärlichen Grund wollte sein Körper sich nicht bewegen. Lucifer ging in die Richtung weg von Alastor, doch seine Bewegungen waren träge und sein Blick war auf den Boden gerichtet. Leise schlich der Radiodämon ihm hinterher, doch etwas hielt ihn davon ab sich dem Herrscher der Hölle zu zeigen. Etwas hielt ihn zurück, ließ ihn nicht das tun, von dem er so lange fantasiert hatte. Schließlich kamen sie an einer Tür an, vor der Lucifer stehen blieb. Alastor blieb in den Schatten und beobachtete nur. Eine Weile standen sie nur da und er begann sich zu fragen, ob Lucifer im Stehen eingeschlafen war. Doch dann ertönte ein leises Seufzen, Lucifer öffnete die Tür und schob sich hinein in den Raum. Hinter ihm fiel die Tür wieder zu und Alastor blieb allein zurück im Gang. Er drängte seine Beine dazu zur Tür zu gehen, doch immer noch wollten sie nicht gehorchen. Dann endlich schaffte er es loszugehen, doch plötzlich verspürte er einen schrecklichen Drang das Anwesen zu verlassen. Zu gehen und das alles einfach zu vergessen. Er fühlte sich fehl am Platz und als würde er zu weit in die Privatsphäre Lucifers eindringen. So etwas hatte ihn noch nie gestört. Warum ausgerechnet jetzt? Außerdem sehnte er sich doch so sehr nach der Macht. Er wollte mächtig werden und nichts stand ihm im Weg, aber trotzdem zog er den Schwanz ein? Das verstand Alastor nicht und er wollte es auch nicht verstehen.
Er hielt vor der Tür an und widerstand dem Drang abzuhauen. Wenn nicht jetzt, wann dann? Er hob die Hand und klopfte. Dann drückte er die Türklinke hinunter und stand in dem Raum, in den Lucifer kurz zuvor gegangen war. Auch hier war es eher dunkel, doch eine dämmrige Lampe an der Decke spendete genug Licht, das Alastor den Raum begutachten konnte. Er war groß mit roten und weißen Möbeln dekoriert, doch vor allem fiel das große Himmelbett in der Mitte des Zimmers auf. Offenbar war dies das Schlafzimmer. Um es herum waren ein paar einzelne Quietscheenten auf dem Boden verteilt. Die Wände waren schlicht in einer rot gemusterten Tapete gehalten, doch wenn man genauer hinschaute sah man viele kleine Quietscheenten, die mit den unterschiedlichsten Farben gemalt waren. Die bis zum Boden reichenden Fenster waren von schweren Vorhängen verdeckt.
Die zugezogenen Vorhänge des Himmelbetts waren aus leicht durchscheinendem roten Stoff und hinter ihnen konnte Alastor eine Silhouette erkennen, die bei seinem Eintreten hochgeschreckt war. "Wer verdammt nochmal sind Sie? Wie sind Sie hier hineingekommen? Was wollen Sie hier in meinem Schlafzimmer? Wissen Sie denn nicht wer ich bin?! Verschwinden Sie sofort von hier oder ich werde dafür sorgen, dass Sie hier hinausfliegen!" Lucifers zornige Stimme füllte den Raum. "Ich bin Alastor, der Radiodämon, wir haben uns bereits einmal getroffen. Ich bin ganz simpel mit meinen Schatten hierher gekommen und ich würde Ihnen gerne einen Vorschlag unterbreiten und natürlich weiß ich wer Sie sind, sonst wäre ich nicht hier. Verschwinden kann ich bedauernswerter Weise aber nicht." beantwortete Alastor alle Fragen mit ruhiger Stimme. Lucifer schien kurz sprachlos und zog die Bettvorhänge beiseite. "Und wann nochmal haben wir uns getroffen?"Er starrte Alastor kurz an bis Erkenntnis auf seinem Gesicht zu erkennen war. "Sind Sie nicht dieser unverschämte Page im Hotel meiner Tochter?!" Alastor seufzte. "Ich bin kein Page. Ich bin der größte Unterstützer Ihrer Tochter und ihrer Idee." "Sie haben hier nichts zu suchen und jetzt hauen Sie schon ab." Lucifers Wut schien ebenso schnell verpufft zu sein wie seine Freude ein paar Minuten zuvor. Er zog die Vorhänge wieder zu und drehte sich von Alastor weg. Doch Alastor gab nicht so leicht auf. Nun da er hier war, wollte er es auch durchziehen. "Wie unhöflich. Aber wie ich bereits sagte, kann ich jetzt leider nicht gehen. Diese Angelegenheit ist äußerst dringlich. Lucifer gab nur ein genervtes Stöhnen von sich und bewegte sich kein Stück. "Gerade scheinen Sie nicht sehr erpicht mit mir zu verhandeln." stellte Alastor fest. "Warum sollte ich mit Ihnen verhandeln? Ich will nichts von Ihnen, also lassen Sie mich in Ruhe." Lucifers Stimme war rau und energielos. "Aber ich möchte etwas von Ihnen. Als Motivation habe ich mir bereits etwas ausgedacht, aber wenn Sie auch so auf meinen Handel eingehen, wird das wohl nicht nötig sein." "Was denn jetzt für ein Handel? Ich gehe doch keinen Handel mit Ihnen ein. Ich bin Lucifer, der Herrscher der Hölle und Sie sind nur ein einfacher Sünder." "Das würde ich so nicht sagen. Aber da ich mir schon dachte, dass Sie mich nicht anhören wollen, habe ich mir wie bereits erwähnt eine kleine Motivation bereit gelegt. Wenn Sie sich nicht für einen Handel mit mir interessieren, dann vielleicht über das Wohlergehen Ihrer so geliebten Tochter." Lucifer setzte sich auf. "Was hat das alles mit Charlie zu tun? Es geht ihr doch gut." "Momentan ja, aber da ich ihre ach so reine Seele besitze, kann sich das jederzeit ändern." "Niemand besitzt ihre Seele. Sie haben nichts gegen sie in der Hand." Das Zittern in seiner Stimme verriet jedoch seine Zweifel. "Oh, es tut mir leid Sie etwas anderen belehren zu müssen. Ich besitze sie und kann ihr jederzeit Schmerzen nach Lust und Laune zufügen. Wenn Sie aber den Handel mit mir eingehen, wird Ihr nichts geschehen." "Das ist nicht wahr. Sie lügen!" Verzweiflung klang in Lucifers Stimme und Alastor meinte ein schlecht unterdrücktes Schluchzen zu hören. Er wollte nicht, dass er weinte. Er wollte ihm nicht weh tun. Am liebsten würde er zu ihm gehen, die Tränen von seinem Gesicht wischen und ihm sagen alles wäre gut.
Warum dachte er das? Er genoss es doch andere zu verletzten, warum nicht jetzt auch? Er musste die Kontrolle behalten.
Lucifer griff nach seinem Handy und wählte eine Nummer. Es klingelte, aber niemand hob ab. Lucifer versuchte es erneut. Charlie ging nach dem dritten Klingeln dran. Ihre Stimme war leicht zittrig, als sie fragte:"Dad, alles okay? Was ist denn?" "Charlie, wie geht's dir? Alles gut bei dir?" " Ja, ich denke schon..." "Bist du dir sicher, Charlie, ist etwas passiert, dass ich wissen sollte?" Charlie schwieg. Lucifer schien nun komplett der Panik verfallen. "Charlie, ist etwas passiert?!" "Ich, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll..." "Hast du, du hast nicht, bist du einen Deal eingegangen, mit diesem Pagen?" Erneutes Schweigen. Lucifers Atem stockte. "Charlie, sag mir, dass du das nicht getan hast!" "Ich, es tut mir leid, Dad, ich wollte das nicht, er hat mich gezwungen.." Lucifers Atem ging immer schneller. Er schien nichts mehr mitzubekommen vor blanker Panik. "Dad? Dad, ist alles okay?" Lucifer legte auf. Langsam drehte er sich zu Alastor um. "Was hast du getan? Was hast du meiner Tochter angetan?!" schrie er öffnete den Bettvorhang wieder und versuchte vom Bett aufzustehen und bedrohlich auf Alastor zuzugehen, doch seine Beine zitterten so sehr, dass er wieder auf das Bett zurück sank. "Beruhigen Sie sich, noch habe ich ihr nichts getan. Ich möchte Sie doch nur bitten-" " Was willst du von mir?!" "Ich hätte gerne ihre Seele, um es simpel auszudrücken. Ich möchte mit ihnen über die Hölle regieren und hier bei ihnen wohnen." Kurz entgleisten Alastor die Gesichtszüge. Den letzten Satzteil hatte er nicht sagen wollen. Warum sollte er hier wohnen wollen? Doch er versuchte sein Gesicht wieder unter Kontrolle zu bekommen und abwartend auf Lucifer herabzuschauen. "Meine Seele? Und wenn ich das tue, werden Sie ihr nichts tun?" "Nein, das werde ich nicht." "Und wie soll ich Ihnen vertrauen?" "Das können Sie nicht, aber was haben Sie für eine Wahl?" Lucifer sank in sich zusammen. "Ich...dann...dann werde ich das wohl tun müssen..." Alastor ging auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. "Also, haben wir einen Deal?" Lucifer schüttelte stumm seine Hand. Dann zog er sie gleich wieder zurück, als hätte er sich verbrannt und kroch von ihm weg. Alastor verließ den Raum ohne ein weiteres Wort. Er hatte erreicht, was er sich so lange gewünscht hatte. Doch warum war er dann so niedergeschlagen? Warum zogen sich alle seine Eingeweide zusammen, wenn er doch gerade zum mächtigsten Dämon der Hölle geworden war?"

Hazbin Hotel || RadioappleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt