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Vorsichtig balancierte Alastor das Tablett mit dem Frühstück für Lucifer. Er irrte jetzt schon ein paar Minuten durch die Gänge, da er den Weg von der Küche zu dem Schlafzimmer nicht fand. Fast hoffte er, er würde das Zimmer nicht mehr finden. Warum musste er auch dieses bescheuerte Frühstück machen? Das würde seinen Ruf mehr als beschädigen, wenn heraus kam, dass der berüchtigte Radiodämon Frühstück für Lucifer vorbereitet  hatte. Doch ganz leise, in seinem Unterbewusstsein meldete sich ständig eine Stimme und redete ihm ein schlechtes Gewissen ein, weil er Lucifer gestern so verzweifelt zurück gelassen hatte. Schlechtes Gewissen? Er? Was passierte nur mit ihm? Es hatte ihn doch nie interessiert, wie sich andere fühlten. Solange er einen Vorteil daraus ziehen konnte, war doch alles gut so, wie es war.

Schließlich erkannte er die Tür vom vergangenen Tag. Alastor versuchte seine Gedanken abzuschütteln und öffnete leise die Tür. Das Zimmer sah noch genauso aus, wie er es zurück gelassen hatte. Es war still und kurz dachte er, Lucifer wäre in einen anderen Raum gewechselt, doch dann erkannte er eine Gestalt hinter den Vorhängen im Bett. Er ging näher heran und stellte das Tablett mit dem Frühstück auf den Nachttisch. Dann sah er wieder zu Lucifer, dessen Brustkorb sich langsam hob und senkte. Alastor wusste nicht woher dieser Impuls kam, doch er schob die Vorhänge leicht zur Seite, um Lucifer genauer betrachten zu können. Er trug einen hellen, blauen Schlafanzug, mit vielen kleinen gelben Entchen. Er schien wirklich sehr angetan von Enten zu sein. Seine Haare waren durcheinander und ein paar Strähnen hingen ihm ins Gesicht. Sein Mund war leicht geöffnet und sein Gesichtsausdruck war so friedlich, dass Alastor sich unwillkürlich fragte, ob er sich das gestern alles nur eingebildet hatte.  Er starrte Lucifer noch weiter an. So reine Haut. Wie sie sich wohl anfühlte? Alastor streckte seine Hand aus und berührte sanft die Wange des Anderen. Seine Haut war warm und weich und Alastor strich langsam und vorsichtig von seiner Wange, zum Kinn und am Hals entlang. Er wollte seine Hand nicht mehr von Lucifer nehmen. Er wollte hier stehen und diese so wunderschöne Haut unter seinen Fingern fühlen. So rein. So verletzlich. Lucifer begann sich zu regen und erschrocken zog Alastor die Hand weg. Er sollte schnell verschwinden. Lucifer sollte nicht erfahren, dass er ihn beim Schlafen zugesehen hatte. Doch wieder bewegte sich sein Körper nicht. Er stand steif da und sah zu wie Lucifer verschlafen blinzelte und gähnte. Dann sah er sich um und sein Blick fiel auf Alastor. Erschrocken schrie er auf und krabbelte überstürzt zur anderen Seite des Bettes. Ein amüsiertes Schnauben entwich Alastor. "Ich hoffe Sie haben gut geschlafen. Ich habe Ihnen Frühstück zubereitet." Lucifer antwortete nicht. Er starrte Alastor nur weiter an. Nach ein paar Sekunden fragte er mit noch verschlafener Stimme:"Was?" "Ich habe Ihnen Frühstück gemacht." Alastor wies auf das Tablett auf dem Nachttisch. Langsam schien Lucifer wacher zu werden und sein Blick wurde misstrauisch. "Was machen Sie hier? Haben Sie mich beobachtet? Haben Sie das vergiftet?" "Nein, es ist nicht vergiftet. Sie können es ruhig essen." "Haben Sie mich beobachtet?" fragte Lucifer nun nachdrücklicher. Alastor ignorierte die Frage erneut. "Ich fände es auch schön, wenn wir uns jetzt duzen könnten. Schließlich wohne ich jetzt hier und wir werden nicht darum herum kommen uns täglich sehen. Also, was sagen Sie?" Lucifer schien kurz verblüfft. "Uhm, nein. Ich werde Sie nicht duzen. Sie sind ein eingebildeter Idiot, wenn Sie denken, ich würde Sie jetzt duzen, nur weil Sie hier wohnen. Ich kann Sie nicht austehen und verspüre kein Verlangen danach Sie näher kennenzulernen. Also nein." "Wie schade. Aber ich werde dich jetzt duzen. Denn ich möchte dich kennenlernen." Lucifer schaute ihn überrascht an. Und Alastor ärgerte sich über das, was er die ganze Zeit von sich gab. Was war das für ein Unsinn? Warum sollte er Lucifer kennenlernen wollen? Doch sein Mund öffnte sich schon wieder, um etwas neues zu sagen. "Ich habe mir auch einen Spitznamen für dich überlegt." "Was? Sie nennen mich bei meinem richtigen Namen oder gar nicht! Sie können sich doch nicht einfach einen Spitznamen für mich ausdenken!" "Kann ich nicht, Lucy?" "Lucy?! Was denken Sie sich eigentlich?! Das ist ein verfickter Mädchenname! Und habe ich nicht ausdrücklich gesagt, dass Sie mich nicht mit Spitznamen ansprechen?!" "Ach Lucy, jetzt reg dich doch nicht auf. Es ist doch nichts Schlimmes." Alastors Stimme triefte vor Hohn. Eigentlich hatte er sich keinen Spitznamen ausdenken wollen, doch Lucifer schien sich so sehr darüber aufzuregen, dass es ein Spaß sein würde ihn damit aufzuziehen. "Nennen Sie mich nicht so! Ich bin der verfickte Herrscher der Hölle, Sie haben mir gar nichts zu sagen!" Alastors Blick wurde kalt. "Ach, habe ich das nicht, Lucy?" Um Lucifers Hals erschien die Kette, die ihn an Alastor band. Sein Blick wurde panisch. "Hast du etwa schon vergessen, dass du jetzt mir gehörst?" In Alastors Augen loderte der Wahnsinn auf. Die Zärtlichkeit, als er Lucifers Haut berührt hatte und die Belustigung während ihres Gespräches war verschwunden. Zurück blieb nur der blanke Wahnsinn. Alastor zog an der Kette und zerrte Lucifer bis an die Bettkante. Dieser schaute angsterfüllt zu ihm auf. "Sag mir nicht, du dachtest, du hättest mir noch etwas zu sagen, Lucy. Du gehörst mir. Hörst du? Mir. Ich bin der, dem du gehorchst. Haben wir uns verstanden, Lucy?" Lucifers Mund war leicht geöffnet und seine Augen schauten weit aufgerissen zu Alastor hinauf. Er schien sprachlos vor Angst. Alastors Blick blieb auf Lucifers Lippen hängen. Fantasien, wie diese Lippen schmeckten und was sie noch alles anstellen könnten, füllten Alastors Kopf. " Haben wir uns verstanden?"riss sich Alastor aus seinen Gedanken los. Ein zittiriges Nicken Lucifers. "Sag es. Lucy, sag mir, dass du mir gehörst." "Ich.., ich ge-..." " Sag es!" "Ich gehöre dir." Alastor zog Lucifer dicht an sein Gesicht. "Guter Junge, Lucy."raunte er. Und als er Lucifer so dicht vor sich sah, spürte er noch etwas in sich auflodern, etwas anderes als der Wahnsinn. Etwas neues, unbekanntes. Er wollte Lucifer an sich ziehen, den letzten Abstand überbrücken. Das Gefühl überforderte ihn so sehr, dass die Kette sich auflöste. Lucifer sank zurück auf das Bett und kauerte sich zusammen. Der Wahnsinn Alastors verschwand wieder. Er lächelte zu Lucifer hinunter und sagte:"Jetzt iss, Lucy. Ich verspreche dir, es ist nicht vergiftet." Dann ging er. Fast floh er aus dem Raum, um diesem unbekannten Gefühl zu entkommen.
Er ging mit schnellen Schritten zu dem Raum, indem er die Nacht verbracht hatte. Weg von Lucifer. Wenn er noch länger bei ihm geblieben wäre, hätte das Gefühl ihn am Ende doch noch überwältigt. Aber er musste die Kontrolle behalten. Kontrolle. Dieses Gefühl war das Gegenteil von Kontrolle. Es ließ ihn alles vergessen und nur noch ihn und Lucifer sehen. Das konnte er nicht zulassen. Er musste mit Bedacht handeln. Mit Bedacht und Kontrolle. Dieses Gefühl, da war sich Alastor sicher, durfte ihn niemals überwältigen.

Hazbin Hotel || RadioappleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt