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"Lucy? Bist du hier?" Alastor hatte den Kopf durch die Tür in die Gummientenwerkstatt geschoben. Lucifer war nicht in seinem Schlafzimmer gewesen und so hatte er sich auf die Suche nach ihm begeben. "Da bist du ja, Lucy, was machst du hier?" Lucifer stand in der Mitte des Raums und sein Blick war auf das Bild von ihm, Lilith und Charlie gerichtet. Doch er schien es nicht richtig anzusehen, eher sah er hindurch. Seine Gedanken schienen weit weg von diesem Raum zu sein. Als Alastor ihn ansprach, reagierte er nicht. Alastor betrat das Zimmer und ging auf ihn zu. "Lucy?" Lucifer zuckte zusammen und sein Kopf zuckte zu Alastor. "Hm? Ach du, lass mich einfach mal in Ruhe." "Sag nicht du hast wieder vergessen, dass du mir nichts zu sagen hast." "Ich will jetzt nicht dein Zeitvertreib sein." "Das bist du aber, Lucy. Du gehörst mir und ich kann mit dir machen was auch immer ich will." "Hör doch endlich auf mich so zu nennen!" Trotzig drehte Lucifer sich weg von Alastor und wollte davongehen, aber die Kette, die ihn an Alastor band, erschien und Alastor zog ihn zu sich zurück."Habe ich mich nicht klar ausgedrückt? Du gehörst mir, Lucy und das wird sich nicht so schnell ändern. Jetzt komm." Alastor ging los und zog den um sich tretenden Lucifer hinter sich her. Er ging geradewegs in Lucifers Schlafzimmer und schloss die Tür hinter ihnen. Lucifer zitterte am ganzen Körper."Du bist so ein Arschloch! Mir geht's eh schon scheiße und dann kommst du und benutzt mich wie ein Spielzeug, weil dir langweilig ist! Fick dich, ich hasse dich!"brach es aus ihm hervor. Alastor zuckte zusammen, als er die Tränen in Lucifers Augen sah. "Ich bin schließlich ein Sünder, nicht wahr?" Alastor setzte ein wahnsinniges Grinsen auf. "Und jetzt sei still, komm her." Er versuchte weiter den gefühllosen, wahnsinnigen Radiodämon zu spielen. Es verursachte ihm körperlichen Schmerz den kalten Hass und die blanke Abscheu in Lucifers Augen zu sehen, aber er wollte nicht zeigen, dass auch er verletzt werden konnte. Niemand sollte ihn je schwach zu Gesicht bekommen.
Lucifer kam auf wackeligen Beinen auf ihn zu und Alastor ließ die Kette verschwinden. Vor ihm blieb Lucifer stehen, blickte mit glasigen Augen zu ihm auf.
Seine Maske bröckelte bei diesem Anblick. Er konnte Lucifer jetzt einfach nicht noch mehr antun. Alastor hob ihn hoch, als würde er nichts wiegen und trug ihn zum Bett. "Zeit zu schlafen, findest du nicht?" Lucifer starrte ihn nur stumm an. Alastor legte ihn auf dem Bett ab und zog vorsichtig die Decke über ihn. "Und jetzt mach die Augen zu, Lucy. Versuch zu schlafen." Er zog sich zurück. Ein paar Sekunden später hatte er den Raum schon verlassen und stand allein im Flur.
Ein Klatschen. Sein Kopf wurde zur Seite gerissen, als er sich selbst ohrfeigte. Das Blut schoss in seine Wange. Er hatte es nicht geschafft der Radiodämon zu bleiben. Und er hatte es nicht geschafft wirklich nett zu sein. Herausgekommen war ein verwirrender Mischmasch, dem man keinen Sinn entziehen konnte. Wie Alastor das hasste. Wie sehr er es hasste, nicht gut genug für Lucifer sein zu können. Wie sehr er es hasste, nicht der von Grund aus böse Radiodämon zu sein. Denn beides konnte er nicht sein. Es passte nicht zusammen. Und bei diesem Mischmasch konnte es keines Falls bleiben. Er musste sich entscheiden. Doch wie sollte er das je schaffen können?
In seinen Gedanken gefangen hatte er gar nicht mitbekommen, dass er losgegangen war. Als Alastor zu sich kam, stand er wieder in der Gummientenwerkstatt.
Von überall starrten ihn die unechten Augen an. Die Blicke verbrannten ihm die Haut. Sie verurteilten ihn, ihn, der nicht in diesen Raum gehörte. Doch nur ein Augenpaar zog Alastors Aufmerksamkeit auf sich. Lilith starrte ihn herablassend von der Wand an und er starrte zurück. Sie hatte das Glück Lucifers Zuneigung zu besitzen. Sie wurde angehimmelt von ihm. Doch sie machte sich nichts daraus. Sie ließ Lucifer daran zerbrechen.
Die feurige Wut loderte in Alastor auf. Ein unbeschreiblicher Hass verbrannte ihn von innen und er stürzte auf das Bild zu. Er riss es von der Wand und zerfetzte es, stellte sich vor wie Liliths Haut unter seinen Fingern statt dem Papier zeriss.
Erst als er nichts mehr zum Zerfetzen fand, stoppte er. Winzige Papierfetzen flogen durch die Luft. Sein Hass glühte immer noch, doch er brannte nicht mehr. Er fraß sich quälend langsam durch sein Fleisch und er fragte sich weshalb, denn er hatte doch das Bild zerstört. Liliths Gesicht starrte ihn nicht mehr an und es gab doch gar keinen Grund mehr diesen Hass zu verspüren. Doch die Schmerzen endeten nicht, denn die Person, die er eigentlich hasste, befand sich immer noch in diesem Raum. Die Person, die er so sehr verachtete war immer noch da, konnte Lucifer immernoch Schmerzen zufügen. Doch noch war Alastor nicht bereit dazu, zu akzeptieren, dass er selbst diese Person war.
Er drehte sich zu den Enten um. Die Augen, die ihn zuvor verurteilt hatten, schauten ihn nun ausdruckslos an. Es waren schließlich nur Gummienten. Nur Plastik.
Alastor erhob sich. Er entsorgte die Papierreste und begab sich auf den Weg in sein Zimmer. Das für ihn typische Grinsen auf seinem Gesicht, während eine stille Leere die glühende Wut in ihm ersetzte.

Am nächsten Morgen stand er früher auf als sonst. Er machte wieder Frühstück für Lucifer und legte noch ein großes Stück Apfelstrudel dazu.
Er stellte das Tablett wieder auf dem Nachttisch neben Lucifers Bett ab, doch diesmal warf er nichteinmal einen einzigen Blick zu dem Schlafenden. Er wartete auch nicht, bis dieser wieder aufwachte. Er verließ das Zimmer mit schnellen Schritten, wollte den reinen Frieden in diesem Zimmer nicht zerstören.

Den Tag über verbrachte Alastor wieder im Hotel, unterstützte Charlie so gut er konnte. Sie warf ihm mit der Zeit weniger angstvolle Blicke zu und langsam kamen sie in ihren alten Rhythmus zurück. Vaggie schien Alastor immernoch kein bisschen zu trauen, aber das kümmerte ihn kaum. Solange es Charlie gut ging. Er blieb bis in den späten Abend, bis Charlie ihn schließlich nach Hause schickte, weil er sich ausruhen solle. Er ging zurück zum Anwesen und nahm den kürzesten und schnellsten Weg in sein Zimmer. Er wollte es auf alles in der Welt vermeiden Lucifer über den Weg zu laufen.

In der Nacht wollte er einfach keinen Schlaf finden. Die Leere, die er den ganzen Tag hinter seinem Lächeln versteckt hatte, ergriff wieder vollends Besitz von ihm. Alastor starrte an die Decke, bemüht sein Lächeln aufrechtzuerhalten, obwohl doch niemand ihn sehen konnte. Aber auch vor sich selbst wollte er keine Schwäche zeigen. Er konnte nicht schwach sein. Was wäre er schon, wenn er schwach wäre? Ein Nichts. Ein Sünder wie jeder andere. Nicht wert, Lucifer auch nur anzusehen.

In den frühen Morgenstunden wachte er verschwitzt auf, an den Traum konnte er sich nicht mehr erinnern. Sein Atem ging immernoch schnell und erst langsam wurde Alastor wach. Er stand auf und machte sich frisch, um Lucifer wieder Frühstück zu machen. Es war eine Sache, die er für ihn tun konnte, ohne mit ihm reden zu müssen. Alastor würde ihm gern jeglichen Wunsch erfüllen, aber das Risiko wieder mit Lucifer zu reden und seine wahnsinnige Seite nicht unter Kontrolle halten zu können, war  ihm zu groß. Er wollte ihn nicht nochmehr verletzen. Erst müsste er mit sich selbst klarkommen, bevor er für Lucifer da sein konnte.
Als er wieder ein Stück Apfelstrudel dazulegen wollte, fiel ihm auf, dass dieser weg war. Es schien, als hätte Lucifer den Rest schon am vorigen Tag schon gegessen. Alastor schmunzelte. Er brachte das Tablett wieder zu Lucifer und stellte es auf dem Nachttisch ab.
Er hatte vorgehabt gleich wieder rauszugehen, aber der Vorhang war nicht komplett geschlossen und sein Blick stahl sich unwillkürlich auf den Blonden.
Die Zärtlichkeit wich aus seinem Blick und pures Verlangen pulsierte in seinen Adern.
Diese warme, weiche Haut schrie danach von seinen Fingern zerissen zu werden. Er wollte endlich dieses heiße Blut, das durch diesen Körper strömte, schmecken. Endlich wissen wie das Blut eines gefallenen Engels schmeckte. Alastors Augen loderten rot auf und sein Geweih spross immer länger aus seinem Kopf.
Er machte einen Schritt auf Lucifer zu, bereit sich in das warme Fleisch zu krallen, als dieser sich auf die Seite drehte. Die Bewegung riss Alastor aus seiner Trance. Er wich zurück.
Erschrocken über sich selbst, verließ er das Zimmer. Er hätte Lucifer angegriffen. Ihn wirklich ernsthaft verletzt.
Das eben bewies nur umso mehr, dass er sich von Lucifer fernhalten sollte.

Hazbin Hotel || RadioappleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt