12. Lackschwarz

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12. Lackschwarz

Mir ist noch nie so kalt gewesen.

Nicht im vierten Schuljahr, als ich mir in meinem lavendelblauen Weihnachtsballkleid den Hintern abgefroren habe, nachdem ich aus der Großen Halle auf das Schlossgelände geflüchtet bin, damit Ron meine Tränen nicht sieht. Nicht während unserer Horkrux-Jagd, als ich im eisverkrusteten Forest of Dean vor unserem magischen Zelt die Nachtwache übernommen habe. Nicht einmal in dem Kellerverlies, in dem Greyback und Scabior mich gefangen gehalten haben.

Nein, dermaßen kalt war mir noch nie.

Aber dafür ist etwas um mich herum umso wärmer. Es ist schwer, aber behaglich. Solide. Sicher. Mit einem ruhigen Atem, der die Härchen in meinem Nacken bewegt, und einem beständigen Herzschlag, der kraftvoll gegen meine Schulterblätter pocht.

Atem. Herzschlag.

Ich reiße alarmiert die Augen auf. Trotz der Bewusstlosigkeit, aus der ich gerade erst aufgetaucht bin, verstehe ich sofort, in was für einer Situation ich mich befinde. Auf meine Sinne ist Verlass, und seien sie noch so geschwächt.

Was ich sehe? Betongraue Wände in gedämmtem Licht. Einen Linoleumboden, der mir sehr bekannt vorkommt. Reinweiße Laken. Die schlanken, langen Finger zwei großer Hände, die wiederum auf den besagten Laken ruhen. Und Überraschung: es sind nicht meine eigenen.

Schlussfolgerung: Ich befinde mich im Schockraum vom Camp Schwarz, genauer gesagt in einem der Krankenbetten. Hinter mir liegt eine zweite Person. Diese Person hält mich im Arm — mehr oder weniger jedenfalls.

Was ich höre? Den bereits erwähnten ruhigen Atem.

Schlussfolgerung: Die Person schläft oder ist kurz davor.

Was ich rieche? Einen Duft, in dessen Genuss ich in diesem Ausmaß erst wenige Male gekommen bin und der mir so gut gefällt, dass sich auf meinen Armen eine Gänsehaut ausbreitet, die überhaupt nichts mit Kälte zu tun hat.

Schlussfolgerung: Draco Malfoy liegt (höchstwahrscheinlich schlafend) hinter mir in meinem Krankenbett und hält mich im Arm.

Wahrscheinlich hätte ich darauf kommen können, ohne vorher die 'fremden' Hände und seinen fantastischen Duft zu analysieren. Abgesehen von ihm fällt mir nämlich spontan niemand ein, der es wagen würde, sich mir auf solche Weise zu nähern — vor allem, ohne vorher meine ausdrückliche Erlaubnis einzuholen. Denn auch wenn seine Handflächen mich nicht berühren, herrscht immer noch genug Kontakt an einigen Stellen unserer Körper, und das ist gefährlich. Jeder andere Mann hätte längst meinen Zauberstab an seiner Kehle oder meine Faust in seinem Solarplexus. Malfoy jedoch—

Ich horche in mich hinein und finde... nichts.

Nicht einmal einen Anflug meiner üblichen Panik, was Nähe und Berührungen betrifft. Nur diese wohlige Wärme, die sein Körper ausstrahlt und die durch unsere Kleidung in meine Haut sickert. (Und den leisen Wunsch, noch mehr davon zu stehlen.)

Ich gebe mir einen Ruck und drehe mich langsam in seinen Armen herum.

Malfoy schläft tatsächlich. Seine Augen sind geschlossen, seine Züge entspannt und seine Lippen leicht geöffnet. Während ich langsam näher rutsche, um so viel von seiner Körperwärme zu absorbieren wie möglich, lasse ich meinen Blick neugierig über sein Gesicht wandern. Über die dunkelblonden Augenbrauen, die langen Wimpern, die gerade Nase, den leichten Schimmer Bartstoppeln. Ich kenne ihn nur sorgfältig rasiert, was mich zu der Annahme führt, dass er schon eine ganze Weile hier sein muss. Meine Güte, wie lange war ich ausgeknockt?

Ein Blick auf seinen Mund entlockt mir ein Seufzen und dann, als ich mich endlich an das erinnere, was vor Eintritt meiner Bewusstlosigkeit geschehen ist, beginnt mein Herz, zu flattern.

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