6. Fahlschwarz
Ich hätte nicht gedacht, dass meine Laune noch schlechter werden könnte, als sie es seit Malfoys unerwartetem Auftauchen im Hauptquartier quasi dauerhaft ist, doch die Ereignisse der letzten Nacht und des heutiges Morgens haben genau das geschafft.
Maßgeblichen Anteil daran hat Dean.
Seitdem wir uns getrennt haben (wenn man das, was wir miteinander hatten, überhaupt eine feste Beziehung nennen kann), benimmt er sich wie ein kleines Kind. Er gibt Widerworte in den unpassendsten Situationen, ignoriert kategorisch meine Befehle und spielt die beleidigte Leberwurst, wenn es nicht nach seiner Nase geht. Bei unserem Einsatz in Bristol hätten wir sein aufmüpfiges Verhalten beinahe mit dem Leben bezahlt.
Fahrlässig. Dumm. Unnötig.
Mein ganzer Körper pulsiert vor unterdrückter Wut, als ich an den großspurigen Kommentar zurückdenke, den er abgelassen hat, kurz bevor er in den versteckten Alarmzauber gelatscht ist wie ein absoluter Anfänger.
„Tsk, so viel zum Thema verstärkte Schutzzauber", waren seine überheblichen Worte.
Es war sein Glück, dass mir nach dem Kampf dermaßen übel war, sonst wäre ich ihm an die Gurgel gegangen.
Auftritt des zweiten Auslösers meiner Niedergeschlagenheit: Ich fürchte, ich habe eine Gehirnerschütterung, denn nach den paar Stunden Schlaf, zu denen ich meinen Körper gezwungen habe, war die Übelkeit immer noch da und ich habe beim Frühstück kaum einen Bissen herunterbekommen.
Sollte sich meine Selbstdiagnose als richtig erweisen, dann wäre das mehr als ungünstig, denn ich hasse es, die Trainings ausfallen zu lassen. Sich auszuruhen, bedeutet in meinem Fall zu viel Zeit für Gedanken, die ich lieber vermeiden will. Allerdings ist die Aussicht auf eine Behandlung im Schockraum nicht weniger schrecklich. Ich verabscheue diesen Ort, auch wenn Luna und Neville sehr verständnisvoll sind und es bislang nur bei wenigen Verletzungen von Nöten war, dass mich einer von ihnen anfasst.
Der dritte Grund für meine schlechte Laune ist nach wie vor Malfoy.
Zum einen ist mir aufgefallen, dass er mich beim Frühstück wieder einmal angestarrt hat, was ich jetzt, wo ich weiß, dass er kein Legilimens ist, noch weniger nachvollziehen kann als zuvor. Und allmählich macht mich das wahnsinnig. Zum anderen bin ich mir sehr sicher, dass er den Vorfall mit George mitbekommen hat, was mich zutiefst besorgt. Ich traue es Malfoy durchaus zu, sich zusammenzureimen, dass ich keine Berührungen ertragen kann, und das wäre ein Desaster. Es ist meine größte Schwachstelle. Mir graut es davor, wofür er dieses Wissen missbrauchen könnte, immerhin ist er ein Slytherin durch und durch.
Aber auch mein schlechtes Gewissen nervt. Oder vielmehr die Gründe dafür, warum es überhaupt existiert. Nämlich, weil Malfoy (im Gegensatz zu Dean) meinen Eindruck, dass in Bristol Vorsicht geboten ist, bestätigt hat. Weil er mich (berechtigterweise) gewarnt hat, woraufhin ich lediglich garstig zu ihm war. Und weil seine Informationen über den Exit (tatsächlich) korrekt waren, wie ich von George erfahren habe, womit es immer schwieriger wird, ihm zu misstrauen.
Alles in allem ziemlich frustrierend.
Ich stoße mich von dem Waschbecken ab, gegen das ich mich während der Inspektion meines Spiegelbilds gelehnt habe, und verlasse meine Unterkunft. Ich lege keinen Glimmerzauber über den Bluterguss in meinem Gesicht. Hauptsächlich, weil Dean nicht vergessen soll, wie dämlich er ist, aber auch, weil mein Aussehen mich heutzutage nicht mehr interessiert.
Trotz meiner Bedenken lege ich auf dem Weg zum Sportraum einen Zwischenstopp beim Schockraum ein. Der Wunsch, mich beim Training auszupowern und wenigstens übergangsweise meinen Kopf zu leeren, ist stärker als meine Angst.

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REBEL
Fanfictionᴅʀᴀᴍɪᴏɴᴇ • Hermine ist eine Rebellin. Niemand weiß besser als sie, dass der Grat zwischen Gut und Böse schmal ist. Dieser schmale Grat ist grau. Wie Malfoys Augen. Jetzt ist er hier, im Hauptquartier, zu gleichen Teilen die personifizierte Provokati...