Prolog - Rückblicke

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Prolog
Rückblicke

Drittes Jahr

Sie ist eigentlich niemand, der lauscht. Doch es ist ein sonniger Samstagnachmittag, der Großteil der Schülerschaft ist bereits am See oder auf den Ländereien unterwegs und in der Bibliothek ist es mucksmäuschenstill. Dementsprechend sind Parkinson und Bullstrode trotz der meterhohen Wand dicker Bücher, die sie von Hermine trennt, deutlich zu hören.

„-seinen Vater angebettelt, dass er es sich noch einmal anders überlegt", seufzt Parkinson gerade. „Hat natürlich nichts gebracht. Als Draco erfahren hat, dass Lucius den Ausschuss bestochen hat, war er verzweifelt. Mittlerweile bereut er es, seine Eltern informiert zu haben."

„Tsk, war doch klar, dass Mr. Malfoy die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen wird. Ich meine, die Zustände sind untragbar. So etwas darf nicht passieren, Pansy."

„Ich weiß, ich weiß. Aber Draco wollte doch nicht, dass das Vieh wegen ihm stirbt."

Hermines Blick verdüstert sich prompt. Sie hat eine vage Ahnung, worum es bei diesem geflüsterten Gespräch geht. Immerhin ist sie diejenige, die seit Wochen über steinalten Gesetzestexten brütet, um das Schlimmste zu verhindern. Ganz offensichtlich vollkommen umsonst. Sie hat noch keine Nachricht von Hagrid erhalten, aber das Gehörte lässt die schlimmsten Vermutungen in ihr aufsteigen.

Schritte erklingen und schon bald kann sie die Worte ihrer Klassenkameradinnen nicht mehr verstehen. Sie denkt jedoch noch eine ganze Weile über den unverhofft aufgeschnappten Gesprächsfetzen nach. Beim besten Willen kann sie sich nicht vorstellen, dass Malfoy tatsächlich ein schlechtes Gewissen hat. Ihm hätte sie eher zugetraut, auf Seidenschnabels Grab zu tanzen.

*

Hermine hört Hagrid schluchzen, dann bemerkt sie Malfoys provokantes, höhnisches Grinsen. Sie muss die Hände zu Fäusten ballen, um nicht nach ihm zu greifen und es ihm eigenhändig aus dem Gesicht zu wischen.

Wie kann er es wagen? Wie bringt er es fertig, vor ihren Augen über Hagrid zu lachen? Über seine Trauer? Als würde es ihm überhaupt nichts ausmachen, dass McNair, der Henker, Seidenschnabel den Kopf abschlagen wird.

Sie weiß es besser, denn sie hat Parkinsons Worte nicht vergessen. Allerdings macht dieses Wissen die Situation keineswegs erträglicher, geschweige denn verständlicher. Ganz im Gegenteil. Sie begreift einfach nicht, warum er sich dermaßen ekelhaft verhält, wenn er es in Wahrheit sogar bereut, seinem Vater von dem Unfall erzählt zu haben.

Nein, sie versteht ihn wirklich nicht. Er ist dafür verantwortlich, dass ein Lebewesen sterben wird. Weil er einen Kratzer abbekommen hat. Wofür er selbst gesorgt hat, indem er die Anweisungen seines Lehrers missachtet hat. Und weil er im Anschluss zu Daddy gerannt ist wie eine Heulsuse. Doch anstatt sich dafür zu entschuldigen, dass die Dinge dermaßen aus dem Ruder gelaufen sind, macht er sich nun darüber lustig.

„Habt ihr jemals so etwas Erbärmliches gesehen?", sagt Malfoy. „Und der soll unser Lehrer sein!"

Bevor Hermine weiß, was sie tut, stürmt sie zu Malfoy hinüber und rammt ihm ihre Faust mitten ins Gesicht. Es gibt ein verheißungsvolles Knacken. Malfoy jault. Als sie dann auch noch ihren Zauberstab zieht, wirft er ihr einen entsetzten Blick zu und wirbelt herum. Hastig stolpert er davon, Crabbe und Goyle dicht auf den Fersen.

Harry und Ron sind selbstverständlich begeistert von ihrer Tat, doch Hermine kann nicht einmal müde lächeln. Sie ist damit beschäftigt, sich den Kopf über Malfoy zu zerbrechen. Über diesen Heuchler. Diesen Schauspieler. Sie hat ihn nicht geschlagen, weil er über Hagrid gelacht hat, sondern weil er so ein unehrlicher, feiger Mistkerl ist.

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