Chapter 15 - RESOLUTION -

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Juli 2019:

Mit einem wehmütigen Blick begab ich mich wieder zurück in die Gegenwart. Es war ein schöner aber auch ein schrecklicher Abend und ich konnte den Streit mit meinen Eltern nur sehr schwer verarbeiten. Scholle half mir dabei. Mehr als er dachte. Er war für mich da. Außer die sechs jungen Männer von Rammstein hatte ich ja auch niemanden. Meine Freunde waren alle mindestens eine halbe Stunde weg von mir.

,,Danke, dass du an diesem Abend beziehungsweise in dieser Nacht bei mir warst."

Richard, nach hinten gebeugt, lässig mit dem Glas Wasser in der Hand antwortet mir:,, Du weißt ganz genau, dass es kein Problem war. Nach den ersten beiden Tagen gehörste quasi schon zu uns dazu. Paul war so froh über deine Rückkehr. Er hat dich geliebt wie eine Schwester und würde es vermutlich heute noch genau so tun."

,,Wie geht es ihm jetzt? Ich habe ihn ebenfalls sehr lange nicht mehr gesehen. Später nochmals als ihr ein wenig berühmter wart, aber dann nicht mehr."

,,Ja es geht ihm ganz gut.

,,Mich wundert es eigentlich, dass dort in der ersten Nacht, wennste so willst nichts gelaufen ist."

,,Stimmt. Ich denke wir waren beide jung und ein wenig ängstlich. Wir wussten aber beide schon, dass es zwischen uns funkte."

Die Luft zwischen uns wurde erneut wieder stumm. Keiner traute sich ein weiteres Wort sagen und es machte mich verrückt. Obwohl wir beiden uns geliebt hatten, reden könnten und alles erklären konnten, taten wir es nicht. Wir saßen uns gegenüber und sahen uns einfach nur an. Wie damals. Mir wurde die Situation ein wenig zu bunt. Die hölzernen Wände des rustikal eingerichteten Raumes, schienen mich halb zu erdrücken. Nichts davon passte zu seinem Stil. Alles bei oder um ihn herum war gegensätzlich und ergab überhaupt keinen Sinn. Er präsentierte sich mit viel Stil und Klasse und dann wählte er so einen Ort zur Erklärung aus. Wir hätten auch genauso gut zu ihm nach Hause gehen können. In sein Haus in Berlin. In sein Studio, sein Wohnzimmer, oder weiß der Teufel welche anderen Räume er noch besaß. Aber nein es sollte ein bedeutungsloser Raum in einem kleinen Berliner Kaffee sein.

,, Also....Wie hast du mich gefunden?"

Er seufzte. Es war ihm deutlich anzusehen, dass es ihm schwer viel darüber zu sprechen. ,,Als Paul vor wenigen Jahren, als wir gerade auf Tour waren erklärt hat, dass ihr wieder mäßigen Kontakt habt, hat es mir glatt die Sprache verschlagen. Ich dachte, wie gesagt, dass ich dich nie mehr wieder sehen würde. Also, ich gerade halb am Essen mich verschluckend, saß im Backstagebereich vor dem Gig und versuchte mich auf die Show zu konzentrieren, doch es half alles nichts. Du warst ständig in meinem Kopf und ich wusste es musste eine Lösung her, anders würde ich wahnsinnig werden."

Mit jedem weiteren Wort, stiegen mir mehr und mehr Tränen in die Augen. Es war also kein Zufall, dass er mich gestern im Plattenladen getroffen hat Wie viel wusste er noch? Wie viel von den Dingen, welche ich ihm erzählt hatte, wusste er bereits und wie viele waren neu?

,,Bitte sprich weiter, Richard."

,,Ich hab dann eben Paul gefragt, ob er noch wüsste wo du wohnst und wie es dir ginge. Er hat gemeint, es gehe dir gut und, dass du mittlerweile eine kleine Familie aufgebaut hattest. Wie viele Kinder du hattest, wollte er mir nicht sagen. Das war auch völlig egal zu diesem Zeitpunkt. Ich wollte dich so unheimlich gerne wieder sehen. Dir alles erklären und wieder bei dir sein. Du musst mir glauben, wenn ich dir sage, dass ich dir nie aufgelauert habe oder irgendetwas sondergleichen. Niemals! Ich hatte nur das kleine Foto von uns beiden aus unserer Jugend und wusste, dass wir gemeinsam mal in einem Plattenladen gegangen sind und du mega begeistert warst. Leider habe ich mir den Namen nicht mehr gemerkt und habe dem entsprechend jeden kleinen Plattenladen in Berlin abgeklappert, wenn wir gerade nicht auf Tour waren. Mal mit Begleitschutz, mal ohne. Jedem Kassier oder Verkäuferin zeigte ich das Foto von uns beiden und fragte, ob du in letzter Zeit mal hier einkaufen gewesen bist. Niemand konnte mir helfen. Natürlich, du hattest dich in der Zeit ja auch verändert."

,,Bis gestern?"


,,Bis vor 3 Monaten. Es war der letzte Laden der mir noch fehlte. Ich muss zugeben, die Herangehensweise war nicht die beste. Ich hätte auch einfach Paul fragen können , ober mir deine Handynummer gibt, aber ich schätze dafür war ich zu feig oder zu stolz. Dass du dich gestern zur selben Zeit dort aufgehalten hast wie ich, war reiner Zufall."

Seine Worte waren schwer zu verkraften. Der letzte Kontakt mit Paul war bereits 5 Jahre her. Für 5 Jahre hat er mich gesucht. Mit Tourneen und Aufnahmen von beiden Bands könnte, dass durchaus Sinn ergeben, da es ja nicht so viele Plattenläden in Berlin gibt.

,,Und was war mit den übrigen 20 Jahren?", sprach ich meine Gedanken laut aus.

Er war verwirrt und sah mich mit leicht gläsernen Augen an. Ein unglaublich herzzerreißender Blick um zuzugeben. Auf einmal wirkte er nicht mehr wie ein kantiger, rauer 52-jähriger Mann, sondern eher wieder wie der junge, dunkelblonde Schelm im Landhaus, der er einmal war.

,,Ich war mir nicht sicher, ob es irgendeinen Kontakt zur Band gab. Außerdem hatte ich auch genug Probleme und genug Arbeit mit meiner anderen Band Emigrate."

,,Ja ich hab mich mal reingehört. Es gefällt mir, um ehrlich zu sein. Sehr echt und rau aber manchmal wieder extrem sanft. Eine Seite von dir die ich nur allzu gut kenne."

,,Vielen Dank für dein Lob."

,,Trotzdem Richard.....Diese Antwort und diese Erklärung ist schwer zu schlucken. Einfach zu wissen, dass der Mann, den du zum falschen Zeitpunkt geliebt hast, 25 Jahre später wieder vor dir steht und dir erklärt er sei wieder in deinem Leben. Ich brauche Zeit darüber nachzudenken."

,,Klar! Ist verständlich! Wenn du willst, können wir endlich Telefonnummern austauschen und wenn du bereit bist, dieses Gespräch weiterführen."

,,Das wäre eine gute Lösung." Wir gaben einander die jeweiligen Handys und tippten die Telefonnummern ein, danach tauschten wir wieder.

,,Wenn ich dich noch nicht vergrault habe, mit meiner Antwort, würde ich dich gerne noch auf einen Drink einladen." – Ich wusste, wenn ich nun klein bei geben würde, wäre das mein emotionaler Untergang. Es würde wieder enden wie damals und ich wusste, dass ich mich ihm wieder vollends ergeben würde. Ich dachte an meine Familie. Nein! Nicht wie damals!

,,Tut mir Leid, aber nein danke! Es war echt schön dich wieder zu sehen und endlich eine Erklärung zu bekommen. Ich hatte Angst vor diesem Treffen, muss ich gestehen. Ich wusste nicht wie ich dir gegenüber treten sollte, doch ich finde es hat ganz gut geklappt."

,,Das stimmt! Danke, dass du auch wirklich zum Treffen erschienen bist. Die Rechnung für die Getränke geht auf mich. Lass es einfach stehen."

Ich bedankte mich und gemeinsam begaben wir uns zur Tür. Durch meine Ballerinas war ich noch auf genau der selben Größe wie damals. Etwas unterhalb seiner Schulter. Ich streckte ihm die Hand zur Verabschiedung entgegen.

,,Ach komm, Amelie! Wir sind doch keine Fremden!"

Keine Sekunde später lag ich in seinen Armen. Der Ort an dem ich seit 25 Jahren sein wollte. Seine Berührungen und auch seine Umarmungen fühlten sich ganz anders an, als bei Jens. Nicht, dass ich meinen Ehemann nicht lieben würde, aber ein kleines Quentchen an Liebe für Richard haftete eben immer noch an meinem Herzen. Er strich mir immer noch sachte über den Rücken.

Nach der Umarmung nahm er meine Hände in seine und platzierte einen sanften Kuss darauf.

,,Ich werde mich melden."

Ich nickte und hielt meinen rechten Handrücken fest. Danach verließ ich mit einem Tschüss das kleine Kaffee. Ich machte mir nun mehr Sorgen um meine mentale Verfassung als ich es sollte.

R A I N B O WWo Geschichten leben. Entdecke jetzt