Chapter 31 - I'M STILL ALIVE -

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Juli 2019:

Um circa 17:30 trafen wir beim Fußballcamp meines Sohnes ein. Die Polizei war bereits anwesend und der Campleiter, in Kombination mit den 3 Trainern standen aufgereiht in einer Kette vor dem Haupttor. Als Paul und ich ausstiegen, machte sich in mir ein merkwürdiges Gefühl breit. Ich wusste zwar nicht wo er war, doch wurde ich das Gefühl nicht los, dass es ihm gut ginge. Der Gedanke musste sich wohl in meinem Blick wieder gespiegelt haben, als mich Paul darauf ansprach.

,,Eyy alles jut bei dir?"
,,Ja ich mach mir eben Sorgen, aber er ist clever. Er schafft das!"
,,Natürlich immerhin is er ja dein Sohn, nh?"
,,Hallo! Ich nehme an Sie sind Frau Menges?", sprach ein großgewachsener Polizist, mit einem braunen Seitenscheitel, sobald wir die Eingangstür erreichten.
,,Richtig! Amelie Menges ist mein Name! Wissen Sie bereits mehr? Könnte er weggelaufen sein? Hat ihn jemand verschleppt?"
,,Ganz ruhig! Alles was wir wissen ist, dass er ohne ein Wort verschwunden ist. Seine gesamten Schlafsachen sind ebenfalls weg. Die Befragung seiner engsten Freunde steht aber noch aus. Vielleicht könnten Sie uns hierbei helfen."
,,Ich gebe mein Bestes! Wir müssen ihn so schnell als möglich finden. Nicht dass mein kleiner Junge irgendwo im Wald liegt. Es gibt Wölfe hier."
,,Dieser Meinung bin ich auch. Können Sie ihn vielleicht beschreiben?
,,Sammi? Er ist ein aufgedrehter Junge. Liebt das Leben und versucht immer Spaß in die Familie zu bringen. Seine blonden Haare und braunen Augen verraten ihn oft, als Schelm. Doch er will nie irgendetwas Böses!"
,,Verstehe! Und Sie sind der Vater des Jungen?", fragte der Polizist weiter, nun an Paul gewandt.
,,Ne! Ik bin nur ein guter Freund von Amelie, der zufällig zu Besuch war als der Anruf kam. Sie hat mich gebeten sie herzufahren. Paul Landers ist mein Name."
Mit einem leichten Grinsen schrieb er Paul's Personalien auf ein Stück Papier. ,,Das hab ich mir schon gedacht, dass Sie das sind. Gute Mucke übrigens! Ich erfrage jetzt nicht weiter, wie es dazu kommt, dass sie beiden befreundet sind. Vielen Dank für die Informationen. Wir werden jetzt mit der Befragung der Campleiter und der Kinder anfangen. Die Eltern wurden schon informiert, um die Kinder danach sicher heimzubringen."
Ich nickte, während Paul neben mir von einem Ohr zum anderen lächelte.
,,Dein Ernst? Wie kannst du bloß so gut drauf sein?"
,,Er mag unsere Musik."
,,Eyy Paul! Mein Sohn wird vermisst, falls du das noch nicht mitbekommen hast."
,,Ja ik wess. Tut mir leid. Hat sich dein Mann übrigens schon gemeldet?"
,,Ne immer noch nicht. Der ist bestimmt immer noch angefressen, wegen der Sache mit Richard. Ich kann's ihm ja nicht mal verübeln. Er hat allen Grund sauer zu sein. Mensch, warum muss immer alles auf einmal passieren? Erst diese bohrenden Gedanken an das Leben, welches ich hätte führen können. Dann das Treffen mit einer alten Liebe. Danach diese schicksalshafte Nacht und der erste Streit seit 15 Jahren Ehe und jetzt wird auch noch mein Sohn vermisst. Irgendwie wird mir das gerade alles zu viel. Ein Glück konnte Annika ein Auge auf Marlene werfen, solange ich weg bin. Keine Ahnung wie ich ihr das alles erklären soll.", ich vergrub mein Gesicht hinter meinen Händen und war den Tränen nahe. Ich fühlte mich wieder wie mit 21 Jahren. Allein und tottraurig.
,,Eyy jetzt mach dir mal drüber nich so nen Kop! Ja des war viel, wad da alles in letzter Zeit passiert is, aber selbst wennste sachst, dad Sammi clever is, dann wird er doch'n Weg gefunde habe, um wieder hier her zu kommen. Der macht des! Er is ja nicht irgendwer! Er is dein Sohn! Und du hast dich noch nie vor einer Herausforderung in die Knie zwingen lassen."
,,Danke Paul! Hab dich lieb!" Längst benötigte Umarmung folgte.

🤍

Nachdem Samuel's Freunde abgeholt, die Campleiter befragt und das gesamte Areal, großflächig durchsucht wurde, traf Jens in der Abenddämmerung ein. Der blaue Wagen kam gerade, so zum Stehen, schon wurde die Tür aufgerissen und die ehrfürchtigen braunen Augen sahen mir entgegen.
,,Hallo! Verzeihung dad ik so spät erst auftauche. Haben wa bereits wad gefunden?"
,,Nein leider noch gar nichts. Seine gesamten Sachen sind weg. Er hat nicht mal ne Nachricht hinterlassen. Ach Jens ich mach mir schreckliche Sorgen um ihn."
,,Wir werden ihn schon finden. Wo is Marlene? Ik dachte sie sei bei dir."
,,Sie ist zu Hause geblieben, damit sie den gesamten Trubel hier nicht mitbekommt. Annika konnte kurzzeitig ein Auge auf sie werfen."
,,Gut. Dann is se wenigstens nicht allein. Wer is'n der Typ dort bei der Polizei? Der kommt mir bekannt vor."
,,Das is Paul Landers. Ich hab dir doch erzählt, dass wir seit der Kindheit befreundet sind. Er ist der 2. Gitarrist von Rammstein.", erwähne ich am Rande, wohlbemerkt, dass ich mit jedem Wort leiser wurde. Ein flüchtiger, saurer Blick mit zusammen gepressten Lippen folgte. Der seelische Schmerz saß bei ihm immer noch tief. Die Stimmung zwischen uns war komisch. Noch nie war sie mit so viel negativer Stimmung aufgeladen gewesen. Die Suche um unseren Sohn machte die gesamte Situation nicht wirklich besser. Doch es stärkte den Zusammenhalt zwischen uns.

,,Hallo! Ich nehme an Sie sind dann wohl der Vater des Jungen.", begrüßte ihn derselbe Polizist, wie mich wenige Stunden zuvor.
,,Richtig. Jens Menges."
,,Gut! Wir haben nun die Suchhunde bereit. Wir fangen an das Waldgebiet in Richtung Stadt zu durchsuchen. Möchten Sie mitkommen? Ich kann verstehen, falls Ihnen der gesamte Aufwand zu viel werden sollte. Wir würden uns melden, sofern wir irgendwelche Neuigkeiten haben."
,,Auf keinem Fall! Wir sind eine Familie und halten zusammen. Natürlich werden wir mitkommen. Ich werde diese Nacht kein Auge zu machen, sofern ich nicht weiß, wo er ist.
Jens nickte zustimmend.
,,In Ordnung. Dann werde ich alles vorbereiten." Nach diesem Satz entfernte er sich auch wieder von uns beiden.

🤍

,,Jo Amelie! Ik werd mal nach Hause fahren. Falls ihr ihn gefunden habt, oder irgendetwas wisst, lasst es mich wissen. Ik werd in der Stadt die Augen und die Ohren offen halten."
,,Danke Paul. Wir werden uns melden."
Mit einer kurzen Umarmung und einem flüchtigen Händeschütteln mit meinem Ehemann, stieg mein bester Freund in sein Auto und fuhr den Waldweg zur Hauptstraße hinab.
Ich blickte in den Nachthimmel. Hinauf zu den zehntausend Sternen, welche sich im wunderschönsten Bild in Szene setzten und atmete die Luft tief ein. Die Nacht erinnerte mich an das letzte Konzert von Rammstein. Damals am 22.08.1998 in Berlin, auf der Wuhlheide. Die emotional anstrengendste Nacht meines Lebens.

R A I N B O WWo Geschichten leben. Entdecke jetzt