52. One Shot

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!TW!

"Ich hätte echt gedacht das du endlich weg wärst, aber anscheinend hast du doch wieder den Weg nach Hause gefunden.", ertönt es von der Stimme seiner Mutter, weshalb der siebzehnjährige etwas zusammen zuckt.
Eigentlich hatte er gedacht ihr nicht über dem Weg laufen zu müssen.
Hatte gedacht sie würde dabei sein endlich ihren Rausch aus zu schlafen, aber hatte er sich dort anscheinend getäuscht.
Mehr als nur getäuscht.
Ausnahmsweise sieht sie sogar verdammt lebendig aus, anders als in den letzten Monaten.
Ob sie einen Typen gefunden hatte?
Aber wenn er ehrlich sein möchte oder soll...er wollte gar nicht mehr nach Hause kommen.
Eigentlich hatte er vor sich am gestrigen Tag das Leben zu nehmen, dem ganzen endlich ein Ende zu setzen.
Doch...
So wie die letzten Male..hat er es nicht geschafft.
Gerade als er alles einem Ende setzen wollte, hat er sich nicht mehr getraut.
Dann saß er einfach nur noch da und hat in die Tiefe des Sees geschaut.
Hatte nichts mehr gedacht...
Alles was er fühlte war pure Leere.
Dabei wollte er es so sehr...doch klappt es nie.
Immer wieder wird er feige und bricht es in der letzten Sekunde ab.
Warum ist es nur so?
Wieso kann er nie den letzten Schritt wagen?
Am Leben hält ihn doch nichts mehr.
Absolut nichts.
Sein Leben ist die reinste Hölle..
Keine einzige freudige Sekunde hat er in seinem Leben erfahren.
Schon von klein auf hatte er nicht glücklich sein können...
Seine Eltern haben ihn nie lieben können.
Nie.
Aber anstatt ihn einfach weg zu geben, haben sie ihn behalten.
Wofür?
Für das scheiß Kindergeld was sie dank ihm bekommen haben.
Nur um dieses für Alkohol und Drogen aus zu geben.
Sie haben ihn nie geliebt...
Nie.
Sie waren nie für ihren Sohn da.
Die meiste Zeit wurde er allein gelassen und musste sich um sich selbst kümmern.
Früher wurde er noch zu seinen Großeltern abgeschoben.
Dort hatte er die einzige Liebe zu spüren bekommen, aber nach dem Tod seiner Großeltern nie wieder.
Er weiß gar nicht mehr wie sich so etwas wie Liebe anfühlt.
Durch seine Kindheit hat er auch Angst Menschen näher kennen zu lernen.
Er vertraut niemandem.
Keiner Menschenseele, daher redet er in der Schule auch nur wenn er vom Lehrer aufgefordert wird.
Sonst sitzt er still in der Ecke und macht nichts.
Ignoriert alle anderen gekonnt.
In Gruppenarbeiten macht er so gut wie nie mit, schwänzt die Stunden dann einfach.
Interessieren tut es ja sowieso niemanden.
Zu seinem Glück.
"Was? Hat's dir die Stimme versagt, mhm?", fragt sie, eiskalt wie eh und je, während sie sich die Haare kämmt und dann zusammen bindet.
Seid dem Tod seines Erzeugers ist sie entweder Dauer betrunken oder nie da.
Am liebsten ist es ihm wenn sie nicht da ist, dann hat er wenigstens seine Ruhe und muss sich ihre eiskalte Seite und ihre angeekelten Blicke nicht geben.
Seit Jahren zählt er schon die Tage bis zu seinem Geburtstag.
Ab diesem Tag wird sie ihn nie wieder sehen...und er kann versuchen endlich glücklich zu werden..
Wenn er bis dahin überhaupt noch lebt.
"Tut mir leid, Mom."
Seufzend verdreht sie die Augen, geht nicht weiter darauf ein.
So wie immer.
Wenigstens schlägt sie ihn nicht...
Sie schädigt ihn eher ohne Liebe und Aufmerksamkeit.
So etwas wie Aufmerksamkeit kennt er gar nicht.
Eigentlich kennt er kein einziges gutes Gefühl.
Alles was er immer durch lebt ist Angst, Wut und Trauer...oder die absolute Leere.
Dazu stellt er sich immer wieder die Frage...
Womit hatte er das überhaupt verdient?
War er es nicht wert?
Ist er nichts Wert?
Wundern würde es ihn nicht, aber eine Antwort auf diese Frage hätte er schon gern.
"Wo gehst du hin?"
"Habe ein Date mit einem Mann.", sagt sie, schaut ihn kurz durch den Spiegel an.
"Ich werde das ganze Wochenende unterwegs sein, also kümmere dich um dich selbst."
Stumm nickt er nur.
Was soll er darauf auch schon antworten?
Ein: "Nein, geh nicht weg? Sei endlich eine Mom und hab mich lieb?"
Ganz bestimmt nicht.
Das hatte er mit sechs Jahren schon aufgegeben.
Mit sechs hatte er schon das Leben verstanden.
Dabei hätte er dort noch ein Kind sein sollen..
Ein fucking Kind...
Doch war er dies nie.
"Okay.", sagt er dann nur, ignoriert das knurren seines Magens und läuft dann in sein Zimmer.
In ein Zimmer das simple eingerichtet ist.
Er hat ein Bett, ein Schrank und einen Spiegel.
Das war's schon.
Wenigstens hatte er sich durch seine Teilzeitjobs immer mal wieder Geld zurück gelegt um sich ein neues Handy kaufen zu können.
Das hatte fast zwei Jahre gedauert um genug Geld zusammen zu haben.
Vor allem wenn seine Mutter einiges immer wieder geklaut hatte.
Erst als er angefangen hat dies zu verstecken, konnte er endlich sparen.
Als er sein erstes Handy in der Hand hielt, hatte er sogar so etwas wie lächeln können.
Lächeln und er sind absolute Feinde.
Es fühlt sich falsch an wenn er dies tut. (Wenn er dann mal etwas zum lächeln hat)
Dabei sollte er sich nicht beschweren.
Er hatte ein Dach über dem Kopf, kriegt Essen, Warmwasser und hat sogar so etwas wie WLAN, aber auch nur weil er dies selbst zahlt.
Seine Mutter macht dies doch nicht...
Interessiert sich nicht einmal für so etwas.
Warum auch?
Seufzend lässt er sich auf sein Bett fallen, starrt aus dem Zimmer und atmet tief durch.
Wo sind seine Kopfhörer?
Wieder einmal seufzend, setzt er sich auf, sucht die Kopfhörer.
Als er sie findet, setzt er sie sich auf dem Kopf, verbindet sie mit seinem Handy und stellt seine Musik an.
Musik ist alles was ihm so etwas wie ein Escape gibt.
Einzig allein die Musik scheint ihn zu verstehen.
Er schaut aus dem Fenster, welches neben seinem Bett ist, beobachtet wie seine Mutter von einem Mann abgeholt wird.
Ganz ehrlich?
Dieser Dude tut ihm jetzt schon leid.
Er scheint sie wirklich zu mögen.
Sie selbst wird nur das Geld wollen.
Sie möchte immer nur das Geld.
Hoffentlich kann der Mann noch schnell fliehen.
Bindet er sich einmal an sie wird wie zu einem narzisstischen Stück scheiße.
Sollte man so überhaupt von seiner Mutter denken?
Er weiß es nicht.
Aber Mutter kann man sie theoretisch ja auch nicht nennen...
Sie ist nur ein Mensch in seinem Leben, welchen er nicht dort haben möchte.
Leider muss noch er noch ein halbes Jahr aushalten, bis er hier raus sein kann.
Nach Wohnungen sucht er auch schon eine ganze Weile.
Klingt es nicht dumm?
Er sucht nach Wohnungen, hat einige Teilzeitjobs...aber dennoch möchte er nicht leben.
Er möchte sich das Leben nehmen.
Es widerspricht sich doch oder nicht?
Warum ist er nur so?
Seufzend greift er nach seinem Notizbuch, schlägt eine leere Seite auf und fängt an zu schreiben.

//Was genau tue ich eigentlich?
Warum lebe ich überhaupt noch?
Warum kann ich es einfach nicht schaffen mich umzubringen?
Diesem grauenhaftem Leben kein Ende setzen?
Warum kommt immer wieder etwas dazwischen?
Wieso lässt mich dieses Leben nicht einfach sterben?
Lässt mein Schicksal mich nicht sterben? Hat es andere Pläne mit mir?
Ganz sicher nicht sonst würde es mich nicht so leiden lassen.
Habe ich überhaupt das Recht mich zu beschweren?
Sollte ich nicht eigentlich froh sein das wenigstens meine Grundbedürfnisse erfüllt werden?
Anderen geht es nicht so gut wie mir...aber warum fühle ich mich dann so?
So nutzlos, leer und ungeliebt?
Wieso kann meine eigene Mutter mich nicht lieben?
Warum konnte sie mich als Baby nicht einfach abgeben?
Vielleicht hätte ich dann glücklich werden können...
Am liebsten würde ich manchmal einfach den Mund öffnen oder sonstiges, aber es funktioniert nicht.
Es funktioniert einfach nicht.
Sobald ich es versuche mich meiner Lieblingslehrerin anzuvertrauen, versagt meine Stimme.
Mein Verstand lässt mich nicht reden.
Es ist so als hätte er, in diesem Momenten, meinem Mund verboten zu funktionieren.
Ich werde niemals das los bekommen was ich denke.
Alles was ich kann ist es Texte und Songs zu schreiben.
Dinge die niemals jemand lesen wird.
Niemals in meinem Leben wird dies jemand lesen dürfen..
Aber wer interessiert sich auch schon dafür?
Wer interessiert sich für die Geschichte eines fremden Teenagers?
Niemand.
Absolut niemand.
Das ist doch nicht wichtig.
Nichts davon ist wichtig.
Jeder Mensch hat eigene Probleme, muss sich um sich selbst kümmern.
Wie soll es sonst auch anders sein?
Jeder Mensch kümmert sich um sich selbst, weil Menschen egoistische Wesen sind.
Sie denken oft nur an sich.
Selbst wenn sie versuchen wollen anderen zu helfen, dann ist es meist zu ihrem Gunsten.
Warum es also probieren?
Mal abgesehen davon das ich dies alles aufgegeben habe...
Ich habe dieses gesamte Leben eigentlich schon aufgegeben...auch wenn meine Taten etwas anderes sprechen.
Doch reichen sechs Selbstmordversuche nicht aus um misstrauisch zu werden?
Das klingt so als wäre ich Aufmerksamkeitsgeil...
Oh mein Gott...
Bin ich dies etwa?
Bin ich wirklich so schrecklich wie es in diesem Moment klingt?
Oh Gott...
Zum Glück wird es niemand jemals lesen.
Niemand außer mir.
Denn...
Es ist eine Geschichte, die niemand hören will, von einem Leben, das sich anfühlt wie ein endloser Albtraum...wie die pure Hölle.
Aber ist genau das die Geschichte eines siebzehnjährigen Jungen welcher sich nichts sehnlicher wünscht als endlich zu sterben...
Denn ist dies meine Geschichte...
Die Geschichte von einem Jungen namens Han Jisung.//

Minsung OS Buch Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt