61. One Shot

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Minho steht in einem leeren Tanzstudio, die Sonnenstrahlen brechen durch die großen Fenster und malen helle Muster auf den Holzboden.
Der Raum ist still, bis auf das leise Kratzen seiner Tanzschuhe, wenn er sich bewegt.
Seit er denken kann, hat Tanzen ihm Freude bereitet.
Es war seine Zuflucht, ein Ort, an dem er seinen Gefühlen freien Lauf lassen konnte.
Doch in letzter Zeit fühlt sich diese Zuflucht wie ein Gefängnis an...
Sie macht ihn nicht mehr glücklich...
Dabei war es das was ihm immer am meisten Angst bereitet hat...
Angst davor das das Tanzen ihn eines Tages nicht mehr glücklich macht.

Minho schließt die Augen und erinnert sich an die unzähligen Stunden, die er hier verbracht hat, das Gefühl von Freiheit, wenn er sich im Rhythmus der Musik bewegte. Doch diese Freude wurde immer wieder von den Stimmen derer übertönt, die ihn kritisierten. "Du bist nicht gut genug, Minho." "Schau, wie perfekt die anderen sind." "Du musst härter arbeiten." "Du musst noch mehr trainieren."
"Du kannst dir keine Pause erlauben, wenn du mal gut sein möchtest." "Warum tanzt du überhaupt noch, wenn du es sowieso nicht kannst?" "Schau dir Hyunjin an, dieser tanzt gut...Schneid dir mal eine Scheibe von ihm ab."
"Du bist nicht Athletisch genug um das hinzubekommen."
"Wann lernst du die Choreographie endlich richtig? Wenn du nicht täglich übst, wird das nie etwas."

Diese Sätze haben sich tief in sein Gedächtnis eingebrannt.
Sie haben sich so tief eingebrannt, das, wenn er tanzt, es nicht mehr hinbekommt.
Es macht ihm keinerlei Spaß mehr.
Keine einzige Sekunde mehr macht ihm Spaß.
Er kann keinen Schritt machen, ohne an die Sätze und Blicke der anderen denken zu müssen.

Er versucht, die Stimmen zu ignorieren, doch sie hallen immer wieder in seinem Kopf wider. Selbst jetzt, in diesem stillen Raum, kann er sie hören.
Minho öffnet die Augen und sieht sein Spiegelbild an.
Er sieht einen jungen Mann, der für seine Leidenschaft lebt, aber von den negativen Kommentaren anderer zermürbt wurde...
Sein Strahlen ist weg.
Es macht ihm keinen Spaß mehr, etwas was ihm das Herz zerfickt.
Diese Sprüche haben sein Herz gebrochen...
Wieso sind Menschen auch nur so?
Jedes Mal, wenn er dachte, er hätte etwas gut gemacht, gab es jemanden, der ihm sagte, dass es nicht genug sei...
Jedes einzelne mal...
Es macht ihn so fertig...
Es lässt ihn seinen Traum und seine Liebe zum Tanzen immer mehr schwinden.

Minho erinnert sich noch ganz genau an seinen ersten Tanzunterricht.
Er war dort noch ein kleiner Junge, voller Energie und Enthusiasmus.
Seine Eltern hatten ihn in die Tanzschule gebracht, weil er sich immer zu jeder Musik bewegte, die er hörte.
Er lernte schnell und seine Lehrer waren beeindruckt von seinem natürlichen Talent. Doch mit den Jahren wurden die Erwartungen höher, die Anforderungen strenger.
Jeder kleine Fehler wurde hervorgehoben, jede Schwäche betont.

In den letzten Monaten wurde es immer schwieriger für Minho, diese negativen Kommentare zu ertragen.
Er bemühte sich, besser zu werden, trainierte stundenlang, bis seine Muskeln schmerzten und seine Füße Blasen bekamen.
Doch es schien nie genug zu sein. Die anderen Tänzer wurden gelobt, ihre Fortschritte anerkannt. Minho hingegen hörte immer nur, was er falsch machte.

Er hatte gehofft, dass seine Leidenschaft und sein Durchhaltevermögen irgendwann anerkannt werden würden. Doch es kam nie dazu. Stattdessen fühlte er sich zunehmend ausgelaugt, seine Motivation schwand. Der Gedanke, dass das Tanzen ihm Freude bereiten sollte, verblasste unter dem Druck der ständigen Kritik. Es war nicht mehr seine Zuflucht, sondern ein Ort der Enttäuschung und des Schmerzes geworden.

Heute steht Minho hier, am Rande einer Entscheidung, die sein Leben verändern könnte. Er spielt mit dem Gedanken, das Tanzen aufzugeben, alles hinzuschmeißen, was ihm einst so viel bedeutet hat.
Der Schmerz der Enttäuschung hat die Freude verdrängt, die er einst empfand. Die Therapie, die das Tanzen für ihn war, fühlt sich jetzt wie eine Belastung an.

Minsung OS Buch Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt