64. One Shot

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Jisung sitzt an seinem Schreibtisch, die Schreibtischlampe wirft einen gelben Schein auf die Berge von Papieren und Notizbüchern, die sich vor ihm türmen. Der Raum ist still, abgesehen vom leisen Summen der Lampe und dem gelegentlichen Klopfen der Heizung, aber in seinem Kopf tobt ein Sturm. Die Gedanken wirbeln unkontrolliert umher, wie ein Tornado, der nicht nachlässt, sondern immer heftiger wird.

Es beginnt mit einer leichten Unruhe, die sich in seiner Brust ausbreitet. Er versucht, sich zu konzentrieren, die Worte auf den Seiten zu erfassen, doch sie verschwimmen vor seinen Augen. Die Linien der Buchstaben werden unscharf, und je mehr er versucht, sie zu fokussieren, desto mehr entgleiten sie ihm. Es fühlt sich an, als würden sie ihn verhöhnen, als würden sie ihm sagen, dass er es nicht schafft. Dass er nicht gut genug ist.

Er wirft einen kurzen Blick auf die Uhr. Es ist spät, viel zu spät, und er sollte längst fertig sein mit seinen Aufgaben. Die Prüfungen stehen bevor, und der Druck wächst mit jedem Tag. Seine Eltern erwarten gute Noten, die Lehrer fordern mehr, und seine Freunde – was, wenn sie erkennen, dass er nicht mithalten kann? Was, wenn sie ihn für dumm halten, für einen Versager?

Die Unruhe in seiner Brust breitet sich aus, wird stärker. Es ist, als würde ein schwerer Stein auf seinem Herzen liegen, der mit jedem Atemzug größer wird. Er versucht, tief einzuatmen, doch die Luft bleibt ihm in der Kehle stecken. Sein Atem geht schneller, flacher, und er spürt, wie seine Hände zittern, während er den Stift umklammert. Er lässt ihn fallen, hört, wie er auf den Tisch trifft und davonrollt, aber er hat keine Kraft, ihn aufzuheben.

Die Gedanken in seinem Kopf werden lauter, bedrückender. Was, wenn er es nicht schafft? Was, wenn er seine Eltern enttäuscht? Was, wenn er die Erwartungen aller nicht erfüllen kann? Die Fragen häufen sich, erdrücken ihn, lassen ihm keinen Raum mehr zum Atmen. Sein Kopf fühlt sich an, als würde er platzen, so voll ist er von all den Ängsten und Sorgen, die sich darin angesammelt haben.

Seine Augen brennen, er blinzelt, doch die Tränen kommen trotzdem. Sie steigen in seine Augen, unscharf und warm, und als sie über seine Wangen laufen, spürt er nur noch mehr, wie die Kontrolle ihm entgleitet. Er versucht, sie wegzuwischen, doch es ist, als würden sie ihn ertränken. Er ist nicht stark genug, um das alles zu bewältigen, das wird ihm jetzt klar. Es ist zu viel, einfach alles ist zu viel.

Die Stimmen in seinem Kopf verstummen nicht, im Gegenteil, sie werden lauter. „Du bist ein Versager“, flüstern sie. „Du wirst es nie schaffen. Alle werden dich hassen.“ Er hält sich die Hände über die Ohren, als könnte er sie so zum Schweigen bringen, aber sie hallen weiter in seinem Kopf wider. Sein Herz rast, als würde es aus seiner Brust springen wollen, und er spürt, wie ihm schwindelig wird. Die Welt um ihn herum beginnt zu verschwimmen, und er weiß nicht mehr, wo oben und unten ist.

Er kann nicht mehr sitzen. Die Panik breitet sich in seinem ganzen Körper aus, er muss raus, weg von diesem Schreibtisch, weg von diesen Gedanken. Jisung steht auf, taumelt, weil seine Beine zittern und sich schwach anfühlen. Der Raum ist zu klein, zu eng, er bekommt keine Luft mehr. Er reißt das Fenster auf, aber der kalte Luftzug bringt keine Erleichterung. Die Nacht draußen ist dunkel, drohend, und die Geräusche der Stadt klingen plötzlich bedrohlich, unheimlich.

Er greift sich an die Brust, versucht tief durchzuatmen, aber es fühlt sich an, als würde er ersticken. Seine Kehle ist wie zugeschnürt, und er spürt, wie ihm schwarz vor Augen wird. Er kann nicht denken, alles verschwimmt, alles rast an ihm vorbei, zu schnell, um es zu begreifen. Er sinkt auf die Knie, seine Hände krallen sich in den Boden, als könnte er sich so festhalten, als könnte er so verhindern, dass er völlig den Halt verliert.

Tränen strömen über sein Gesicht, und er beginnt zu schluchzen, laut, unkontrolliert. Er hat keine Kontrolle mehr über sich selbst, und das macht ihm noch mehr Angst. Die Panik hat ihn fest im Griff, und er weiß nicht, wie er ihr entkommen soll. „Hilfe“, flüstert er, aber seine Stimme ist kaum mehr als ein ersticktes Wimmern. Es fühlt sich an, als würde sein Herz ihn verraten, als würde es ihn im Stich lassen.

Minsung OS Buch Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt