Kummer

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,,Also zusammengefasst: Hast du mit ihm geschlafen, bist mit ihm geflohen, hast wieder mit ihm geschlafen, ihn dann markiert und Cathy hat euch dann verraten? Habe ich das richtig verstanden?", Zade saß auf der schwarzen Couch, die Knie angezogen und stopfte irgendwelche Chips in sich hinein, während er aufmerksam zugehört hatte, was Luc passiert war. 

Kurz nachdem sein Dad losgefahren war, um sich um Nova zu kümmern, war auch Luc gegangen. Er hatte erst die Sachen des Omegas und dann seine eigenen gepackt und war zu Zade gefahren. 

Angesprochener nickte träge. 

,,Du hast also ziemliche Scheiße gebaut, Mann.", der andere Alpha klatschte in die Hände und legte die leere Chipstüte zur Seite. Eigentlich waren die für sie beide gedacht gewesen...

,,Das ist mir klar. Aber zurück zu meiner Frage: Wo würde man einen sehr wichtigen USB-Stick verstecken, damit ihn keiner findet?", er hatte den gesamten Inhalt des Rucksacks durchwühlt und nichts gefunden. 

,,Kommt darauf an. Hast du seine Sachen dabei?", Zade stand auf und öffnete eine Coladose. 

Luc reichte den Rucksack an seinen Freund weiter, welcher diesen misstrauisch beäugte: ,,Irgendetwas, was ich darin nicht sehen sollte? Unterwäsche, Kondome oder schmutzige Filmchen?"

Er bezweifelte, dass Nova so etwas überhaupt besaß, mal abgesehen von der Unterwäsche, also schüttelte er den Kopf. 

,,Gut, dann sehen wir uns das mal an.", Zade setzte sich vor ihn auf dem Boden, den Rucksack zwischen den Beinen und legte den gesamten Inhalt vor ihnen auf. Viel war es nicht, Unterwäsche, eine Stoffhose, zwei Trägershirts und eines mit langen Ärmeln, Motorradschlüssel, ein Kleid, der lederne Motorradanzug, er würde übrigens alles geben, Nova darin zu sehen, diese Pumps und der Lippenstift. 

,,Also die Kleidung kommt schon mal weg. Die Schuhe auch. Der Schlüssel könnte interessant sein und...das hier.", er nahm den Lippenstift in die Hand und zog den Deckel ab, ehe er fortfuhr: ,,Warum behaltet man einen leeren Lippenstift?"

,,Er hat seiner Mom gehört.", zumindest hatte Nova das gesagt. Tatsächlich hatte Luc sich das auch schon öfter gefragt. 

,,Klar, aber warum fällt erst auf, dass er leer ist, wenn man es sieht? Er sollte viel leichter sein.", Zade grinste süffisant. Daran hatte Luc noch nicht gedacht.

Er nahm den Lippenstift an sich und versuchte so vorsichtig wie möglich, das untere Ende abzuziehen. Die Kappe löste sich sofort ohne jeglichen Aufwand und zum Vorschein kam ein winziger USB-Stick, den man mit Kaugummi am Plastik unter dem Lippenstift festgeklebt hatte. Verdammt sein Freund war ein Genie. Die Versuchung, nachzusehen, welche Infos sich auf diesem kleinen teilbefanden war zwar groß, aber Luc hatte versprochen, nicht zu schnüffeln, solange Nova dafür aus dem Schneider war. 

,,Du bist ein Genie, Zade.", er klopfte dem anderen Alpha anerkennend auf die Schulter und stand auf. Jetzt musste er nur noch seinen Dad anrufen und ihm Bescheid geben, dass er hatten, wonach sie alle suchten. 

***

Luc fühlte sich, als würde er gleich die Höhle eines Drachen betreten. Vor der Zimmertüre standen zwei Sicherheitsmänner, die ihm nur kurz zunickten, als er an ihnen vorbei ging und anklopfte. Ohne auf eine Antwort zu warten, trat er in das Zimmer und schloss leise die Türe. 

Nova saß auf dem großen Bett. Die Knie angezogen, sodass er den Kopf darauf stützen konnte und seine Arme um sich geschlungen, als wäre ihm kalt. Seine schwarzen Strähnen waren nass und glänzen im warmen Licht der Deckenleuchte. Der Omega hatte die Augen geschlossen. 

Der Alpha warf den Rucksack auf das Bett und Nova öffnete seine blauen Augen. Wortlos kletterte er aus dem Bett und wühlte in dem Rucksack herum. Ein paar Kleidungsstücke landeten auf der Bettdecke, ehe er den Bademantel fallen ließ und sich anzog. Der Omega wusste ganz genau, was er tat. Luc zwang sich, den Blick abzuwenden und drehte sich um. Er stellte die Tüte mit dem Essen auf den Couchtisch und ließ sich darauf nieder. 

Es war seltsam, zu spüren, wie aufgebracht Nova war. Er fühlte die Wut, als wäre es seine eigene. Seine Stimmung reagierte dermaßen extrem auf die Pheromone des Omegas, dass er die Gefühle des anderen auch selbst spürte. Eine Markierung war nicht bloß ein Zeichen dafür, dass dieser Omega bereits von einem anderen Alpha beansprucht worden war, sondern auch das Zeichen einer Verbindung zwischen diesen beiden Parteien. Sie waren aufeinander angewiesen und brauchten einander. 

Vielleicht war das auch einer der Gründe für Novas Unsicherheit. Frisch markierte Omegas waren in den meisten Fällen emotionale Wracks, die an ihren Alphas hingen, wie ein Kind an seiner Mutter. Ihr Körper bildete veränderte Pheromone, angepasst an die des Alphas um somit auch jedem anderen mitzuteilen, dass er vergeben war. 

Zuerst war es noch einfach gewesen, nicht zu sehr daran zu denken, dass Nova nun zu ihm gehörte, aber jetzt, wo dieser hübsche Omega vor ihm stand, alleine in einem Schlafzimmer, mit so veränderten Pheromonen, dass Luc seinen Geruch auch an dem Omega wahrnahm, wurde es allmählich schwerer. Ein Kloß bildete sich in seiner Kehle, als seine Gedanken zu dem Deal mit seinem Dad wanderten. Als wäre ein Verrat nicht schon genug gewesen...Nova würde ihn hassen, für das, was Luc noch tun müssen würde. Und noch mehr dafür, dass der Omega trotzdem keine andere Wahl hatte, als bei ihm zu bleiben. Immerhin hatte er Nova an sich gebunden. Ein paar Tage würde es gut gehen, wenn er abhauen sollte, aber das wars dann auch. Man trennte Omegas nicht von ihren Alphas aus mehreren verschiedenen Gründen. 

,,Iss etwas.", forderte er Nova sanft auf. Seit Tagen hatte der Omega nichts gegessen und sich teilweise bloß von dem Wasser ernährt, welches Luc in der Lage war Nova einzuflößen. Bei den aufkeimenden Erinnerungen an die letzten Tage, an den verdammten Sex den sie gehabt hatten drehte er beinahe durch. Ja, die Folgen davon waren drastisch, aber bei Gott, er hatte sich noch nie besser gefühlt. Und Nova auch nicht, das wusste er. 

,,Nein.", Nova schenkte ihm nicht einen einzigen, kurzen Blick. Die Augen, von denen Luc wusste, dass sie im Licht leuchteten wie zwei wunderschöne Saphire, sahen stehts nach unten. 

,,Ich kann deinen Magen bis hier her hören.", das konnte ja spaßig werden... 

Die Sache nach der Markierung war die: Während die meisten Omegas sich lieb, anhänglich und sanftmütig verhielten, gab es ein paar wenige, die richtig kratzbürstig werden konnten, besonders wenn es darum ging, sich dem Willen ihres Alphas zu unterwerfen. Meistens handelte es sich bei dieser Sorte Omegas um jene, mit dominanten Genen. Kein Wunder, dass es Nova egal war, dass Luc ihn nicht darum gebeten hatte zu essen. Es war eine Aufforderung gewesen. 

,,Dann hör nicht hin.", der Omega würdigte ihn noch immer keines Blickes. Immerhin besser, als dass er Luc an die Gurgel ging. Etwas, womit er eigentlich bereits gerechnet hatte. 

,,Nova, ich weiß, dass du Hunger hast. Auf dem Tisch steht etwas zu essen. Ich komme in einer Stunde wieder um dich zu holen. Ich habe mit meinem Dad etwas ausgehandelt, dass niemand dir schaden wird. Die Einzelheiten erfährst du später.", Luc erhob sich und atmete resigniert aus. Zu gerne hätte er seine Arme um Nova gelegt, ihn an sich gedrückt und sich für all den Kummer, den er dem Omega sicher noch berieten würde, entschuldigt. Der Alpha hatte versprochen Nova zu beschützen und das würde er auch tun. Ganz besonders jetzt, wo dieser kleine Omega zu ihm gehörte. 



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