Besuch

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Sätze, die in Reden kursiv geschrieben sind, werden auf koreanisch gesprochen. 


Nova sah Luc dabei zu, wie dieser sich abtrocknete, während er auf der Waschmaschine saß. Sein Magen knurrte schon die ganze Zeit über. Von Noels Japchae hatte er nicht viel gegessen und die Tage zuvor auch nicht wirklich. Er vergaß manchmal, dass ihm niemand mehr dabei zusah, was, wieviel und wann er aß. Dabei wanderten seine Gedanken weiter zu seinem Dad. Früher oder später würde er diesem Mann wieder gegenüber stehen müssen. Entweder, weil er es so wollte, oder weil er keine andere Wahl hatte. 

Er konnte sich bereits ausmalen, wie diese Begegnung aussehen würde. Alles andere als schön. Auf dieses Problem musste er sich irgendwann vorbereiten. Lockwood konnte ihn nicht beschützen, nicht vor seinem Dad, zumindest nicht für lange. Wenn er eines gelernt hatte, dann das Sehun ein geduldiger Mensch war. Er würde auf den richtigen Moment warten, um Nova zu schnappen, und wenn dieser Moment erst in einem Jahr kommen sollte. Jeden Tag, den sein Dad warten musste, würde er zu spüren bekommen. Also sollte er sich irgendwann auch noch einen Plan B ausdenken. Vielleicht, mit etwas Glück, beinhaltete dieser Plan eine Glock. 

,,Was geht in diesem hübschen Köpfchen gerade vor?", Lucs Stimme riss ihn aus seinen düsteren Gedanken und holte ihn zurück in die Wirklichkeit, wo er noch immer die Nachwirkungen ihrer sinnlichen Eskapade spürte, wenn er sich bewegte. 

Nova sprang von der Waschmaschine und blieb vor dem Alpha stehen. Von der Nähe sahen diese gebräunten Muskeln sogar noch besser aus. Er versuchte erst gar nicht dem Drang sie zu berühren zu widerstehen, da dies ohnehin zwecklos war. Lucs Haut fühlte sich glatt und warm an unter seinen Handflächen. Jetzt erschien es ihm als unmöglich, seine Finger von diesem Alpha zu lassen, nachdem er diesen versucht hatte von sich zu stoßen. 

Es fühlte sich gut an, endlich jemanden an sich heranzulassen, jemandem sein Vertrauen zu schenken, sich akzeptiert zu fühlen. Nova stellte sich auf die Zehenspitzen und legte seine Arme um Lucs Hals, um diesen etwas weiter nach unten zu ziehen und zu küssen. Er liebte das Gefühl von den weichen Lippen auf seinen, die Wärme die diese Art von Nähe in ihm auslöste. Etwas, das er noch nie zuvor gefühlt hatte. 


Zum ersten Mal seit einigen Tagen, suchten ihn keine Albträume heim, wenn Nova schlief. Er fühlte sich überraschend ausgeruht, als er am nächsten Morgen aufwachte und feststellte, dass er alleine im Bett lag. Zwar umgab Lucs Geruch ihn noch immer wie ein dünner Nebel, doch auch ohne sich umdrehen zu müssen, spürte Nova, dass der Alpha nicht bei ihm war. 

Müde schlug er die Augen auf und blinzelte einige Male, bis er sich an die Helligkeit gewöhnt hatte. Der Boden fühlte sich kalt an, unter seinen nackten Sohlen, als Nova die Beine über die Bettkante warf und aufrichtete. Dabei fiel sein Blick auf den schwarzen Motorradrucksack auf dem Boden unter dem Fenster und er erinnerte sich daran, den Lippenstift noch immer nicht wieder bekommen zu haben. Wollte er ihn denn überhaupt wieder?

Er war eines der teuren Geschenke gewesen, die der Liebhaber seiner Mom ihr geschenkt hatte, als sie noch eine gewöhnliche Prostituierte war, die für gutes Geld und ein noch besseres Trinkgeld mit diesem Mann geschlafen hatte. Die Bitterkeit die diese Erinnerung in ihm hervorrief fühlte sich grauenhaft an. Dieser leere Lippenstift war alles was von seiner Mom noch übrig war und jetzt erfuhr er, dass sie ihn hergegeben hatte um mit ihrem Liebhaber durchbrennen zu können. 

Wie von selbst trugen seine Beine ihn zu dem Rucksack und er holte das kleine Motorrad heraus. Das Schwarz glänzte im Licht und das winzige Yamaha Emblem glitzerte vor sich hin. Er hatte sich so abgöttisch über dieses Teil gefreut, weil es das einzige Spielzeug war, das er als Junge besessen hatte. Sein ganzer Stolz. Das einzige, was ihm jemals geschenkt hatte, aus purer Gutmütigkeit. Mr. Han hatte ihm das richtige Motorrad geschenkt, weil Nova für ihn gearbeitet hatte und noch würde, wenn man ihn nicht verraten hätte. Alle Dinge, die er von seinem Dad bekommen hatte, waren genauso wie er selbst bloß Sehuns Besitztümer. 

Jetzt, wo er die Wahrheit kannte, schmerzten die Erinnerungen noch mehr, weil diese Erinnerungen auf Lügen basierten. Nova ließ das Motorrad auf der Fensterbank stehen und zog Noahs Pullover aus dem Rucksack. Den würde er Luc zu Liebe wohl loswerden müssen, deshalb warf er ihn achtlos zu Boden. Sollte der Alpha damit anstellen, was er wollte...

Als er einen Stofffetzen nach dem anderen herauszog, bemerkte Nova so richtig, dass er dringend Kleidung brauchte. Den Großteil von dem was er hatte, musste in die Waschmaschine und der Rest war ein teures Kleid, Pumps und eine Lederjacke. 

Kurzer Hand nahm er die Cathys Blümchenhose und eines von Lucs T-Shirts, die schön verstaut in einem Koffer neben dem Bett lagen, und zog es sich über, denn dreckige Kleidung war besser als gar keine Kleidung, besonders dann, wenn man nicht alleine in der Wohnung war. 

Die Kleidungsstücke die eine Wäsche benötigten türmte der Omega auf einen Haufen und nahm ihn mit, als er das Gästezimmer verließ. Glücklicherweise gelangt er in das Badezimmer ohne durch die Küche zu müssen und warf den Haufen kurzerhand in die Waschmaschine und putzte sich dann die Zähne.

Als Nova sich dann auf den Weg in das Wohnzimmer machte, hörte er bereits im Türrahmen der Küche mehrere Stimmen, die eindeutig nicht zu Luc oder Zade gehörten. Der Geruch von Kaffee und Toast lag in der Luft und brachte seinen Magen zum Knurren. Eigentlich frühstückte er nicht. Meistens hatte er entweder keine Zeit dafür gehabt oder keinen Appetit, wenn er aufwachte und die Erinnerungen der letzten Nacht an ihm hafteten, wie Parasiten. 

Schnell schluckte er die aufkeimenden Gefühle hinunter. Luc war gestern doch noch in einem kleinem Supermarkt gewesen und hatte sicherlich an ein Frühstück gedacht oder Zade hatte irgendwo etwas Müsli verstaut...wie spät war es eigentlich? Sollte er sich vielleicht eher Gedanken um das Mittagessen machen? Wie auch immer. Der Hunger war der gleiche. Im Kühlschrank fand Nova eine Packung Zitronenmuffins. Er war zwar nicht besonders begeistert von Backwaren in einer Plastikverpackung, aber im Moment war das seine beste Option. 

Natürlich schmeckte das Gebäckstück viel zu süß und klebte förmlich auf seinen Zähnen, aber es war besser als nichts. 

,,Wie lange willst du noch in der Küche herumschleichen, bevor du zu uns kommst?", Zade kam ihm entgegen, zwei Tassen in den Händen, die er in das Spülbecken stellte. 

,,Das kommt auf den Besuch an.", erwiderte er kauend und steckte sich ein weiteres Stück von dem Muffin in den Mund. 

,,Meine Eltern und die von Luc. Ich hoffe du trägst Unterwäsche.", antwortete Zade und nickte in Richtung seines T-Shirts. Tatsächlich trug er zur Abwechslung mal keine, da diese sich gerade in der Waschmaschine befand. 

Der Besuch weckte seine Neugier. Nach dem langen Gespräch am Vorabend war er eigentlich eher nicht davon ausgegangen, diese Truppe gleich am nächsten Tag wieder zu sehen, vor allem nicht hier. 

,,Was wollen die hier?"

,,Naja, meine Eltern besuchen mich und die Lockwoods besuchen ihren Sohn." 

Eigentlich sollte die Frage lauten, was machte er hier eigentlich? Auch wenn Zades Antwort plausibel war, bezweifelte Nova deren Richtigkeit. Diese Truppe war nicht nur einfach so hier. 

Wildcard [Omegaverse]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt