Schatten der Gegenwart

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Was in Reden kursiv geschrieben wird, wird auf koreanisch gesprochen


Nova kam sich furchtbar lächerlich vor, als er die Terrasse betrat und sich wieder hinsetzte. Auch wenn sie versuchten, so zu tun als hätte niemand bemerkt, dass Luc und er weg gewesen waren, gelang es ihnen nicht wirklich gut. 

Chase saß nicht mehr am Tisch, vermutlich war er drinnen irgendwo und auch Ash war nicht mehr dort. Bloß die Gruppe Omegas sowie Jack und Luc saßen noch im Freien. Zu seiner Überraschung verkniff auch Cathy sich einen Kommentar und aß stattdessen schweigend ihr Japchae. 

,,Mein Geburtsdatum. Das ist der Code. Die ersten vier Ziffern. Vergesst das, was in der Akte steht, das Datum habe ich erfunden.", ein Deal war ein Deal. Er hoffte bloß, dass Lockwood seinen Anforderungen nachkommen konnte. Eine Glock würde sich als überaus nützlich erweisen...

,,Choi und der Laptop sind hier, dann kannst du den Stick ja entsperren.", antwortete Jack kurze Zeit später und stand auf. Bei diesem Namen stellte sich jedes Härchen an seinem Körper auf. Ja, Choi war einer der wenigen gewesen, die mehr oder weniger nett zu ihm gewesen waren, doch nicht etwa, aus reiner Gutmütigkeit, sondern aus Schuldgefühlen heraus. 

,,Wo werdet ihr zwei jetzt wohnen? Ich bezweifle, dass ihr weiterhin bei Zade bleiben wollt. Zumindest nicht, für den Rest eures Lebens.", Trimaine beugte sich interessiert vor und stützte sich dabei mit den Ellbogen vom Tisch ab. Eine gute Frage. Das hing alles von Luc ab. Unsicher zuckte er mit den Schultern, ohne von seinem Teller aufzusehen. Es schmeckte genauso wie damals. Jeder Bissen schmerzte. Es war, als würde er auf seinen Erinnerungen herumkauen. 

,,Wir werden uns was einfallen lassen. Nachdem ich aus meinem eigenen Zuhause geworfen wurde, werden wir uns wohl ein neues suchen müssen. Wir können solange bei Zade bleiben.", antwortete Luc und ließ dabei den bitteren Unterton nicht zu kurz kommen. Cathy hatte ihn rausgeworfen, mehr oder weniger zumindest. Sie schnaubte bloß, sagte jedoch nichts. 

Sich ein Zuhause aufbauen hatte eine gewisse Reize. Das einzige, was er wirklich als Zuhause bezeichnet hätte, war das Bordell gewesen. Die Vorstellung etwas ähnliches mit Luc haben zu können regte eine Glückseligkeit in ihm an, von der er nicht wusste, dass es sie gab. Vielleicht war dieses Gefühl auch tatsächlich neu und hatte sich erst seit der Markierung verfestigt. 

,,Wohin möchtet ihr denn? Ein Haus? Ein Apartment? Ein...Wohnmobil? Du weißt, dass ihr uns das nur sagen müsst.", diesmal sah Trimaine nicht bloß seinen Sohn an, sondern auch ihn. Zumindest sah er es dieses Mal. 

,,Darüber haben wir noch nicht gesprochen. Im Moment haben wir andere Sorgen.", antwortete Luc wahrheitsgemäß für sie beide. Das stimmte ja auch irgendwo. Diese, sicher nicht existierende, Schwangerschaft, sein Dad, dieser Stick, alles zusammen bildete eine Auswahl an Problemen die es zu beseitigen gab. Manchmal vergaß er sogar, dass er markiert und gebunden worden war. Das machte die Sache nicht gerade leichter. 

Was war eigentlich der Plan nach diesem Essen? Er gab seine einzige Chance auf, sicher zu überleben, und dann? Sein Dad hatte Mittel und Wege, zu bekommen was er wollte. Nova wusste, dass es nicht von Bedeutung war, dass er lebte. Nicht für seinen Dad, der würde ihn vermutlich auch noch eigenhändig umbringen und das nicht unbedingt schnell. 

Das hatte man ihm oft genug klar gemacht. Er war entbehrlich. Sicher würde es nicht einfach sein, einen neuen Omega so auszubilden wie ihn, aber es war nicht unmöglich. 

,,Wie sieht es denn aus mit dem...Baby? Wollt ihr es behalten?", Trims Worte waren so leise und vorsichtig, als wäre er gerade dabei eine Bombe zu entschärfen.

,,Es gibt kein Baby. Ich hab einen Test gemacht, der negativ war.", zischte Nova schob den halbleeren Teller von sich. Sein Appetit hatte sich auch in die letzte Ecke seines Körpers verkrochen. 

,,Diese Tests sind alles andere als akkurat. Liz' Test ist beinahe zu 100% genau. Ich kann mir vorstellen, wie du dich gerade fühlst. Ich war auch nicht älter als du, als ich mit Luc..."

,,Es. Gibt. Kein. Baby! Und wenn, dann gibt es das nicht mehr lange! Und wenn ich es selbst rausholen muss!", schnitt er dem anderen Omega das Wort ab und stand auf. Der Stuhl quietschte, als er zurückgeschoben wurde und sah kurz so aus, als würde er gleich umfallen. Nova wollte keine Kinder. Er hatte nie welche gewollt und sich jedes Mal wenn er sein Fieber bekommen hatte, am liebsten seine Reproduktionsorgane herausgerissen. Er brauchte nicht das Verständnis eines anderen Omegas, oder dessen Mitleid oder sonst was. Nova wollte endlich seine Ruhe, aber dafür würde er sich vermutlich in einen Sarg legen müssen. 

Am liebsten wäre er gegangen, irgendwohin, wo er endlich alleine sein konnte, aber seine Beine bewegten sich nicht und so war er an Ort und Stelle gefangen. 

,,Ich weiß, dass keiner von euch sich dafür interessiert, was mit mir ist. Es geht hier bei allem nur um Luc. Ich bin ja auch sein Partner, es wäre sein Kind, seine Zukunft, seine Entscheidung. Für euch zählt nur das, also spart euch diese falsche Freundlichkeit für jemand anderen auf.", während er auf der einen Seite verstand, weshalb er nur wegen Luc geduldet wurde, schmerzte es ihn auf der anderen doch, zu wissen, dass niemand auch nur einen Gedanken an ihn verschwendete. Wenn Luc das Kind behalten wollte, hatte er keine andere Wahl als sich dem zu fügen, denn niemand würde seine Seite hören wollen oder einen Gedanken drum verschwenden, ob er vielleicht etwas anderes wollte. Wäre die Situation eine andere, hätte er Luc nie kennengelernt, wäre diese ganze Sache anders ausgegangen. Nicht so freundlich. 

Er schluckte den Knoten in seinem Hals hinunter, zusammen mit der Wut die er auf jeden empfand, sich selbst inklusive. Nova war müde. Vom Weglaufen, vom Widerstandleisten, von der Angst die ihn ständig verfolgte, von den Albträumen die ihn nachts heimsuchten und von der Traurigkeit die er empfand, wenn er in diese vollständige Familie blickte. er schämte sich beinahe schon ein wenig dafür, so wütend geworden zu sein. Immerhin war im Moment Lucs Glück auch seines. 

,,Ich glaube, wir gehen jetzt besser. Die letzten Tage waren sehr...ereignisreich.", Luc stand ebenfalls auf, nicht ganz so schnell und energisch wie er, und warf einen entschuldigenden Blick in die Runde. Jetzt schämte er sich noch mehr. Was der Alpha sich gerade denken musste...Für einen kurzem Moment wünschte der Omega sich tatsächlich schwanger zu sein, dann konnte er diese Ausbrüche zumindest auf die Hormone schieben. 

,,Ihr geht nirgendwo hin. Nicht, solange der Stick noch verschlüsselt ist.", der älteste Lockwood betrat die Terrasse, gefolgt von Chase und...Choi, der eine Laptoptasche trug. 

,,Schön dich wohl auf zu sehen, Myung.", Chois Blick fiel sofort auf ihn. Etwas in seiner Brust zog sich zusammen, als er ihn ausgerechnet mit diesem Namen ansprach. Er hatte seine Vergangenheit gemeinsam mit seiner Mom begraben. Es war, als würde man ihn so verspotten, nachdem Nova alles abgelegt hatte, was ihn auch nur im entferntesten an sein Leben in Seoul erinnern konnte. 

Nova verzog das Gesicht. 

,,Nach allem was du für ihn gemacht hast, stehst du jetzt hier, auf der anderen Seite.", der Omega spürte, wie seine Nägel sich in das Fleisch seiner Handflächen gruben, als er die Hände zu Fäusten ballte. Chois Blick wurde weich und irgendwie traurig. 

Nova hasste die Tatsache, dass dieser Mann bei allem dabei gewesen war. Alles miterlebt, alles gesehen hatte, alles an ihm gesehen hatte. Luc stellte sich beschützend vor ihn. 

,,Gib mir den Laptop, damit wir endlich verschwinden können.", hörte er den Alpha sagen, welcher vermutlich die Veränderung in seinen Pheromonen bemerkt hatte. 


Wildcard [Omegaverse]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt