Geheimnisse

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Luc wusste nicht worüber die beiden sprachen. Nur ab und zu bekam er etwas davon mit, wenn sie auf englisch wechselten, aber er merkte jede kleine Veränderung an Novas Pheromonen. Die Wut, die Aufregung und die Trauer. Er merkte wie sie sich auf ihn auswirkten. 

Der Omega merkte nicht, wie stark dessen Körper zitterte. Er vibrierte förmlich unter seiner Hand. Worüber die beiden auch immer redeten, es ging Nova sehr nahe. Sehr, sehr, sehr nahe. Luc war sich sicher, dass es sich bei der Frau namens Sarah um die Mutter des Omegas handelte, was einen Hinweis darauf gab, worüber gesprochen wurde.

,,Ich war nie mit dem einverstanden, wozu Sehun dich gezwungen hat und habe unzählige Male versucht, es ihm auszureden.", Choi, der gedankenverloren in die Luft starrte und immer wieder an seiner Zigarette zog, atmete schwer aus.
Luc versuchte sich einen Reim aus den englischen Wortfetzen zu machen, damit er vielleicht auch den einen oder anderen Kommentar beitragen konnte.

,,Wieso?", Novas Stimme klang so gebrochen, so verständnislos und unsicher, wie er es noch nie erlebt hatte. Er wusste schon jetzt, dass sie noch lange später darüber reden würden. In Ruhe, zu zweit.

Ihr Gegenüber kramte in der Tasche seines Jacketts herum, bis er eine Brieftasche herausholte und dann ein Stück Papier, nein ein Foto, vor ihnen auf den Tisch warf.

Nova griff danach und sah es sich an. Er schluckte und atmete tief durch.
Auf dem Bild war ein kleines, dunkelhaariges Mädchen zu sehen, das in einem Garten voller Blumen spielte. Ihre Stirnfransen waren zu lang und verdeckten beinahe ihre Augen. Sie strahlte übers ganze Gesicht und entblößte dabei ein paar Zahnlücken. Sie war sicher nicht älter als sechs.

,,Das ist meine Tochter, Sumi. Ich wusste lange nichts von ihr, bis ihre Mutter mir vor sechs Jahren dieses Foto geschickt hat. Sie lebt in Seoul und ich habe sie damals, als...das passiert ist zum ersten Mal gesehen.", Choi nahm das Bild wieder entgegen und sah es sich selbst ein paar Sekunden lang an. Sein Ausdruck war voller Trauer und Sehnsucht.

,,Sehun weiß nichts von ihr, sonst wäre sie längst tot. Ich will zu ihr, wenn dieses Problem beseitigt wurde.", dann wechselte der Mann die Sprache und Luc hörte nur noch verwirrende Wortlaute und undefinierbare Töne.

Sein Blick fiel auf Chase und seinen Dad. Er wusste dass die beiden alles für ihre Kinder tun würden. Selbst wenn sie dabei dem Tor gegenüber stehen mussten. Auch wenn sein Dad nicht gerade gut darin war, ihm seine Liebe zu zeigen, wusste Luc, dass sie da war.

,,Was ist auf dem Stick?", ein Versuch war es wert. Chase hob den Kopf und sah ihn kurz mit zusammen gekniffenen Augen an.
,,Weil es keinen Unterschied macht, ob du es von uns erfährst oder von ihm: Koordinaten von Lagerhäusern von ähnlichen Leuten wie uns in denen sich alles mögliche befindet. Jahrzehnte lange Polizeiarbeit im Endeffekt, die der kleine Scheißer neben dir gestohlen hat.", antwortete Chase leise flüsternd, so als ob weder Nova, noch Choi davon wussten. Er war überrascht, dass er überhaupt eine Antwort bekam.

,,Sag mal, wo hast du den Stick eigentlich versteckt, als man dich geschnappt hat?", sein Dad richtete sich nun auch auf und lehnte sich zurück in den Stuhl. Seine Nase war noch immer blau und lila.
Nova unterbrach sein Gespräch mit Choi und neigte schief grinsend den Kopf.
Er war also geschnappt worden? Vermutlich stammte das Fahndungsfoto daher...

,,Nicht dort, wo ihr gerade denkt. Die haben mich eine ganze Stunde lang durchsucht, von Kopf bis Fuß, und nichts gefunden. Ich werde euch mein Geheimversteck sicher nicht verraten."


Die Autofahrt zurück zu Zade verlief ruhig. Nova schwieg die ganze Zeit über. Es war kein wütendes Schweigen, sondern nachdenklich und irgendwie melancholisch. Es war, als ging der Omega alle seine Gedanken durch, ordnete diese und ging sie noch einmal durch, solange bis er mit dem Ergebnis zufrieden war.
Luc unterbrach dieses Schweigen nicht. Ein Gefühl sagte ihm, dass Nova diese Ruhe jetzt brauchte.

Das Thema wegen ihrer Bleibe war nochmals aufgekommen, aber der Omega hatte sich geweigert an diesem Gespräch teilzuhaben, als hätte er bereits seine eigenen Pläne.
Auch das sprach er im Moment nicht an. Es war nicht so, dass Nova eine andere Wahl hatte, als bei ihm zu bleiben, zumindest nicht, wenn er weder sich selbst noch Luc Schaden zufügen wollte. Sie gehörten jetzt zusammen, daran war nichts mehr zu ändern. Aber er war bereit sich auf die Pläne des Omegas einzulassen, falls dieser welche hatte.

Sie statteten einem kleinen Supermarkt einen Besuch ab, zumindest tat Luc das, während Nova im Auto Löcher in die Luft starrte. Er hatte keine Ahnung, wie er helfen konnte, ohne zu wissen, was passiert war, dass den Omega so...so zurichtete.

,,Willst du ein Bad nehmen? Ich habe Badesalz gekauft, das nach Orangen duftet.", Luc holte die kleine Packung aus der Papiertüte mit seinem kleinen Einkauf und legte sie vor Nova auf den Küchentresen, während er die restlichen Lebensmittel wegräumte. Der Omega saß auf einem der Barhocker und lag mit der oberen Hälfte seines Oberkörpers auf der Steinplatte, die Arme als Kissen unter seinem Kopf verschränkt. Zade war nicht da, was bedeuten konnte, dass er ein Date hatte, ihm langweilig war oder er ins Fitnessstudio gegangen war. Letzteres war am wahrscheinlichsten, denn so wie er seinen besten Freund kannte, hatte dieser kaum Dates. Und wenn, dann nicht ohne ihm davon zu erzählen.

,,Kommst du mit?", Nova sah zu ihm auf, nur kurz und dabei lag etwas schüchternes in seinem Blick. Etwas, das Luc eigentlich nicht von dem Omega kannte. Schüchternheit, Zurückhaltung und vor allem Verlegenheit gehörten eigentlich zu Eigenschaften, die gar nicht zu Nova passten. Oder?

Wer war er denn, um dieses Angebot auszuschlagen? 

,,Das fragst du noch?", Luc ging um den Tresen herum und stellte sich hinter den Omega, ehe er die Hände um dessen Taille legte. Er mochte es, wie Nova sich unter seinen Händen anfühlte, selbst mit Kleidung. Seine Kurven schmiegten sich perfekt seiner Berührung entgegen, passten sich ihm an, als wären sie füreinander geschaffen worden. 

Er beugte sich über den Omega und küsste die Markierung an dessen Genick. Sie war bereits so gut wie verheilt. Würde er es wieder tun? Vielleicht. 

Nova erschauderte und spannte sich an. 

,,Besitzt Zade sowas wie eine Waschmaschine? So langsam geht mir die Unterwäsche aus...", murmelte der Omega leise, unterbrach somit diesen intimen Moment und entlockte ihm ein leises Lachen. 

,,Meinetwegen könntest du auch ohne herumlaufen.", er drückte einen letzten Kuss auf das schwarze Haar vor ihm und richtete sich dann auf. Wie sehr liebte er diesen süßen Geruch, der ihn jedes Mal umgab, einlullte, wie das Lied einer Sirene und alle anderen Gedanken aus seinem Kopf vertrieb. 

,,Das werde ich, wenn wir eine eigene Bleibe haben. Vielleicht hast du Glück und ich laufe sogar mal nackt herum.", der Omega stand auf, zupfte seine Kleidung zurecht und streckte sich dann. 

Alleine schon der Gedanke daran, zu Nova nachhause zu kommen, und diesen nicht nur dort, sondern auch noch nackt, vorzufinden, ließ ihn hart werden. Er versuchte einen klaren Kopf zu bewahren, denn jetzt war sicherlich nicht der richtige Zeitpunkt für solche Gedanken. 

,,Das würde mir gefallen.", die Frage, weshalb er dann nicht viel zum Thema neue Unterkunft beigetragen hatte, blieb ihm im Hals stecken, als Nova die Arme und seinen Hals legte und ihn küsste. 


Wildcard [Omegaverse]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt